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Sorge um gefälschten Honig aus der Türkei

12. Februar 2025

Die Türkei gehört zu den größten Honigproduzenten der Welt. Doch zunehmend wird Honig mit Zuckersirup oder anderen Zutaten gestreckt - und mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Europa verkauft.

Ein türkischer Imker
Etwa 100.000 Imker sind in der Türkei in der Honigproduktion tätigBild: YASIN AKGUL/AFP

Die Türkei gehört zu den wichtigsten Akteuren auf dem globalen Honigmarkt: Nach China ist sie der zweitgrößte Honiglieferant der Welt.

In dem Land, das Europa und Asien verbindet, werden jährlich 115.000 Tonnen Honig produziert - das ist etwa ein Viertel der chinesischen Produktionskapazität. Zu den Top-5 der Honigproduzenten gehören außerdem Äthiopien, der Iran und Indien.

In der Türkei gibt es rund 100.000 Imker mit etwa neun Millionen Bienenstöcken. Laut dem Landwirtschaftsministerium sind etwa 500 Unternehmen in der Branche tätig. Schätzungen zufolge hat der türkische Honigsektor ein jährliches Volumen von etwa 270 Millionen Euro.

Auch für Deutschland ist die Türkei ein bedeutender Honiglieferant: Nach den USA ist Deutschland der zweitgrößte Importeur türkischen Honigs.

Ankara: Hauptstadt des gefälschten Honigs

Doch der Sektor steht derzeit vor einer Krise. Immer häufiger wird gefälschter Honig in der Türkei produziert - ein Problem, gegen das die türkische Polizei mittlerweile vorgeht. In zahlreichen Razzien der vergangenen Monate wurden mehrere Tonnen gepanschter Honig beschlagnahmt.

Bei einer Razzia in der Hauptstadt Ankara im September wurden 8.150 Tonnen Glukose, Fruktose und Zucker entdeckt - zusätzlich zu 100.000 Etiketten verschiedener Honigmarken. Das tatsächliche Ausmaß der Produktion von gefälschtem Honig in der Türkei ist jedoch unklar.

Dabei wird Honig mit Zuckersirup versetzt. Enthält ein Produkt künstliche Aromen, Farbstoffe, Süßstoffe, Glukose, Maissirup oder künstliche Honigwaben, darf es nicht als Honig verkauft werden. Geschieht die trotzdem, wird von gefälschtem oder gepanschtem Honig gesprochen -ein Verstoß gegen die Bezeichnungspflicht.

Im letzten Quartal 2024 veröffentlichte das Landwirtschaftsministerium Listen, laut denen 43 Hersteller in der Türkei Honig gepanscht haben. Ankara gilt mittlerweile als Zentrum dieser Industrie: Die Mehrheit der Produktionsstätten befindet sich dort. Zwei der Hersteller vertreiben ihre Produkte laut Ministerium über große Supermarktketten.

Der bisher beschlagnahmte gepanschte Honig hat einen geschätzten Marktwert von etwa 25 Millionen Euro.

Eines der vielen Honigprodukte: Der sogenannte Pontische Wildhonig enthält giftige Wirkstoffe. Seine Fans schwören allerdings darauf, dass er Herzklopfen, Magenbeschwerden und sogar Impotenz heilen kannBild: YASIN AKGUL/AFP

Schaden für das türkische Image

Die Branche ist alarmiert: Produzenten fürchten, dass der Ruf der Türkei auf den internationalen Märkten erheblichen Schaden nimmt - oder bereits beschädigt wurde. Sie fordern staatliche Eingriffe, strengere Regulierungen und abschreckende Strafen für die Hersteller von gefälschtem Honig.

Ziya Şahin, Präsident des Zentralen Verbandes der Türkischen Imker (TAB), sieht das Landwirtschaftsministerium in der Verantwortung und fordert mehr Kontrollen und höhere Strafen. Ein Treffen der Internationalen Föderation der Imkerverbände ist für dieses Jahr in der Türkei geplant. Man stehe in engem Austausch mit internationalen Partnern, so Şahin.

"Das Problem ist die fehlende Regulierung. Unsere Imker sind wütend und fragen uns, warum wir nicht dagegen vorgehen. Aber wir haben keine Befugnisse zur Kontrolle. Ich darf nicht einmal auf der Straße fragen, ob ein Honig echt ist oder nicht", sagte Şahin im Gespräch mit der DW.

Ein globales Problem

Gefälschter Honig ist jedoch kein ausschließlich türkisches Problem. "Wie in anderen Teilen der Welt gibt es auch in der Türkei gefälschten Honig. Wir können das nicht leugnen. Aber wir wollen nicht, dass die Türkei als Paradies für gefälschten Honig bekannt wird. Das akzeptieren wir nicht", betont Şahin.

Can Sezen, Geschäftsführer von Anavarza Bal, einem der führenden Honigproduzenten des Landes, bestätigt diese Einschätzung: "Gefälschten Honig gibt es auch in China und Europa. Es wäre unfair zu behaupten, dass es nur die Türkei betrifft. Allerdings sind Türken in solchen Dingen besonders erfinderisch", sagt Sezen.

Laut Sezen beobachten die Hersteller von gefälschtem Honig genau, wann staatliche Behörden Kontrollen anordnen - und schränken ihre Produktion dann gezielt ein. "In jedem Supermarkt kann man diese Produkte finden. Die Enthüllungen müssen weitergehen - wie etwa die Listen, die das Ministerium veröffentlicht hat. Unsere Bevölkerung muss über diese gefälschten Produkte Bescheid wissen."

Wirtschaftliche Lage begünstigt Fälschungen

Ein wesentlicher Grund für die Verbreitung von gefälschtem Honig ist die wirtschaftliche Lage in der Türkei. Der künstliche Honig kostet nur ein Fünftel des echten: Während gefälschter Honig in der Türkei etwa 1,60 Euro pro Kilogramm kostet, liegt der Preis für echten Honig bei bis zu 8 Euro. Dadurch ist das gepanschte Produkt für viele Verbraucher erschwinglicher - insbesondere in Zeiten sinkender Kaufkraft. Die Türkei leidet seit Jahren unter einer hohen Inflation.

Auch in Europa?

Experten zufolge sind die Zollkontrollen nicht ausreichend, um gefälschten Honig zu erkennen. Es ist daher möglich, das türkischer Fake-Honig bereits ins Ausland exportiert wurde.

Ziya Şahin hält dies für sehr wahrscheinlich: "Es kann sein, dass gefälschter Honig zunächst illegal in arabische Länder exportiert und von dort aus weiter in andere Teile der Welt geliefert wird."

Auch gibt es bereits Hinweise darauf, dass gefälschter Honig in Europa aufgetaucht ist: Im Januar 2024 beschlagnahmten die französischen Behörden 13 Tonnen mit Viagra versetzten Honigs - auch als "erektiler Honig" bekannt. Laut offiziellen Angaben stammte dieser aus illegalen Lieferketten aus der Türkei, Tunesien und Thailand.

Wie gravierend das Problem ist, zeigen Zahlen des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF). Die Behörde hatte schon im Jahr 2023 massive Verstöße bei Honigimporten in die EU festgestellt. Fast die Hälfte (46 Prozent) der untersuchten Stichproben waren gefälscht. Bei Honig aus der Türkei waren sogar 14 von 15 Stichproben gefälscht.

Burak Ünveren Redakteur. Themenschwerpunkte: Türkische Außenpolitik, Deutsch-Türkische Beziehungen.