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Politik

Sorge um Mossuls Zivilisten

22. Oktober 2016

Vor einer knappen Woche begann die Schlacht um Mossul. Zwischen den Truppen der Anti-IS-Koalition und dem IS droht die Zivilbevölkerung zerrieben zu werden. Sie ist Geisel des IS - und Flucht wird bestraft.

Irak Region Mossul Brennendes Öl
Bild: Getty Images/AFP/Y. Akgul

Auf gut 10.000 Menschen schätzt Andres Gonzales Rodriguez die Zahl der Menschen, die seit Beginn der Militäroffensive gegen Mossul aus dieser größten Bastion des sogenannten Islamischen Staates geflüchtet sind. Der Oxfam-Länderdirektor für den Irak weist gegenüber der DW zugleich darauf hin, dass bislang nur dünn besiedelte Gebiete vom IS befreit worden seien. Da die Kämpfe jetzt näher an die Stadt heran rücken, rechnet der im kurdischen Erbil stationierte Rodriguez für die kommenden drei Wochen mit bis zu 200.000 Flüchtlingen. Rodriguez möchte auch klar stellen: Für ihn begann die Offensive nicht erst am 16. Oktober, sondern schon im März. Damals habe die irakische Regierung begonnen, die Korridore für die Offensive auf Mossul freizukämpfen. Wegen dieser Kämpfe hätten bereits 150.000 Menschen ihre Heimat verlassen, schätzt der Oxfam-Mann. Was das Heer der bislang bereits mehr als drei Millionen Binnenflüchtlinge im Irak weiter anschwellen ließ. 

Seit 19 Monaten in Erbil: Oxfam Mitarbeiter Andres Gonzales RodriguezBild: Mohammed-Ali Abunajela/ Oxfam

Flucht wird mit dem Tod bestraft

Mit jedem Tag, den die Offensive auf Mossul vorangeht, rückt das Schicksal der Zivilbevölkerung stärker in den Mittelpunkt. Die über eine Million Einwohner von Mossul sind gewissermaßen Geiseln des IS, der sie als menschliche Schutzschilde missbrauchen will. Zudem berichtete eine Sprecherin des UN-Menschenrechtsrats am Freitag, der IS habe 550 Familien aus umliegenden Dörfern in die Nähe von IS-Einrichtungen in der Stadt gebracht. Der Irak-Experte von Chatham House, Renad Mansour berichtet im DW-Gespräch, jeder der einen Fluchtversuch unternehme oder auch nur der Flucht verdächtigt werde, würde hart bestraft – auch mit dem Tode. Doch selbst wenn die Flucht gelingt, sind die Probleme nicht vorbei, fährt der Mansour fort. Zu den üblichen Problemen von Flüchtlingen komme das Misstrauen von irakischer Regierung und kurdischen Behörden gegenüber diesen Menschen, die zweieinhalb Jahre unter dem IS gelebt haben. "Die Flüchtlinge müssen einen strengen Screening-Prozess durchlaufen" erläutert Mansour. "Die irakische Führung und auch die Kurden wollen sicher gehen, dass sich unter den Flüchtlingen keine IS-Kämpfer verstecken. Männliche Flüchtlinge ab 14 Jahren würden zunächst in speziellen Camps überprüft, ehe sie zu ihren Familien in die regulären Lager umziehen dürfen, bestätigt Florian Gottschalk. Gottschalk arbeitet als Verbindungsperson für das Technische Hilfswerk THW in Erbil.

Hilfsorganisationen sind vorbereitet

Immerhin sind die Vereinten Nationen, das und auch die verschiedenen Nichtregierungsorganisationen wie das Rote Kreuz oder Oxfam auf die Offensive und den damit zu erwartenden Flüchtlingsstrom vorbereitet. Man habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, sagt Oxfam-Mitarbeiter Rodriguez mit Blick auf die Rückeroberung der Städte Ramadi und Falluja in diesem Jahr. Da habe es an Koordination gehapert und es sei nicht genug Hilfsmaterial vor Ort gewesen. Jetzt habe man mehr Zeit für die Vorbereitungen gehabt. Der stellvertretende Direktor der Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, Patrick Hamilton, erklärte am Freitag, das IKRK sei auf die Unterstützung von bis zu 800.000 Menschen vorbereitet.

Die ersten sind schon da, Hunderttausende werden erwartet: Flüchtlinge aus MossulBild: Reuters/A. Jalal

Ob es tatsächlich zu einer Fluchtwelle aus Mossul kommt, hängt auch vom Verhalten der IS-Kämpfer in der Schlacht um die Stadt ab. Die Frage ist, ob der IS sich einen ausgedehnten Häuserkampf mit den irakischen Truppen und den kurdischen Peschmerga liefern wird. Dann würde die von den Extremisten stark befestigte und verminte Stadt massiv zerstört werden. Vielleicht aber gibt der IS Mossul auf und seine Kämpfer versuchen, im Strom der Flüchtlinge zu verschwinden. "Da streiten sich die Gelehrten", sagte THW-Mann Gottschalk. "Die einen sagen, der IS könnte versuchen, sich dort ein Denkmal zu setzen, die Stadt zu sprengen und niemanden herauszulassen. Oder aber sie machen die Tore auf und lassen alle hinaus, um in dem Strom selbst zu entkommen."

Auch angesichts der großen symbolischen Bedeutung von Mossul sieht es im Moment eher danach aus, dass der IS kämpfen wird. Immerhin hatte 2014 IS-Anführer Bagdadi das Kalifat in Mossul ausgerufen. Das verheißt nichts Gutes: Als vor eineinhalb Jahren die irakische Armee Tikrit vom IS zurückeroberte, haben gut 400 Kämpfer einer Armee von 25.000 Soldaten einen Monat lang Widerstand leisten können. In Mossul haben sich nach Schätzungen mit rund 5000 IS-Kämpfern zehn mal so viele eingegraben.

 

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