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Sorge um Palmyra

21. Mai 2015

In der historischen Oasenstadt Palmyra droht die Zerstörung einer unersetzlichen Kulturstätte - und eine humanitäre Katastrophe. Zehntausende Flüchtlinge sind der Terrormiliz IS ausgeliefert.

Das Theater der antiken Oasenstadt (Foto: dpa)
Das Theater der antiken Oasenstadt PalmyraBild: picture-alliance/CPA Media/Pictures From History/D. Henley

Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) hat nach neuntägigen Kämpfen die gesamte syrische Oasenstadt Palmyra einschließlich ihrer einzigartigen antiken Stätten eingenommen. Die UN-Kulturorganisation UNESCO rief dringend zur Rettung der Ruinenstadt auf. Die Kampfhandlungen brächten "eine der bedeutendsten Stätten des Nahen Ostens und ihre Zivilbevölkerung in Gefahr", erklärte die UNESCO-Generaldirektorin, Irina Bokova, in einer Videobotschaft. Sie forderte die internationale Gemeinschaft, einschließlich des UN-Sicherheitsrates, sowie religiöse Führer auf, sich für ein Ende der Gewalt einzusetzen, um Zivilisten und das "einzigartige Kulturerbe Palmyra" zu schützen.

Palmyra sei eine "Wiege der menschlichen Zivilisation", hob Bukova hervor. Die Stadt gehöre der gesamten Menschheit und sei ein Sinnbild für die gegenseitige Bereicherung der Kulturen. Die Generaldirektorin rief erneut zu einem sofortigen Waffenstillstand und einem Abzug aller militärischen Kräfte auf. Eine Zerstörung der Stadt müsse unbedingt verhindert werden. Sie erinnerte alle Konfliktparteien an völkerrechtliche Verpflichtungen, Kulturerbestätten nicht zu beschießen und nicht für militärische Zwecke zu nutzen.

Statuen wurden in Sicherheit gebracht

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass die Extremisten auch die archäologischen Stätten Palmyras erobert haben. Mit dem Vormarsch des IS wächst die Sorge um die rund 2000 Jahre alten Kulturgüter. Aktivisten aus der Stadt erklärten, bislang habe es keine Zerstörungen gegeben. Der Leiter der syrischen Museums- und Altertumsbehörde, Mamun Abdul-Karim, sagte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Sana, Hunderte Statuen seien vor dem IS-Einmarsch an einen sicheren Ort gebracht worden.

Palmyra, das seine Blütezeit in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung erlebte, zählt zu den bedeutendsten Städten der Antike. Die Stadt ist ein kultureller Schnittpunkt zwischen der griechisch-römischen Welt und Persien und steht auf der Weltkulturerbe-Liste. Archäologen befürchten, der IS könnte dort ähnliche Zerstörungen verüben wie zuvor in den irakischen Städten Nimrud und Hatra. Die Stadt Nimrud aus dem 13. Jahrhundert vor Christus war einer der berühmtesten archäologischen Fundorte im Zweistromland. Ein IS-Video lässt erahnen, dass von der Stätte am Ufer des Tigris, rund 30 Kilometer südöstlich von Mossul, kaum noch etwas erhalten sein dürfte. Die altorientalischen Überreste stellen nach der radikalen Islam-Interpretation der Dschihadisten Kultstätten von Ungläubigen" dar. Nach dieser Lesart sind auch jegliche Bilder und figürlichen Darstellungen von Menschen verboten.

IS beherrscht die Hälte Syriens

Das Weiße Haus bezeichnet die Eroberung Palmyras durch den IS als "Rückschlag" für die von den USA geführten Anti-IS-Koalition, die Luftangriffe gegen den IS fliegt. Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, sagte, US-Präsident Barack Obama lehne den Vorschlag der Republikaner, US-Truppen auf dem Boden gegen den IS kämpfen zu lassen, ab.

Mit der Einnahme der historischen Oasenstadt Palmyra in Zentralsyrien kontrolliert der IS nun rund die Hälfte des Landes. Das IS-Herrschaftsgebiet erstreckt sich vor allem über den Norden und Osten Syriens. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Wüstengebiete. Auch im benachbarten Irak kontrollieren die Dschihadisten riesige Regionen. Dort hatten sie im Westen des Landes am vergangenen Wochenende die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen. Die Terrormiliz beherrsche nun auch fast alle Öl- und Gasfelder Syriens, erklärten die oppositionsnahen Menschenrechtsbeobachter. Die Extremisten finanzieren sich hauptsächlich aus dem Verkauf von Öl.

In Plamyra droht eine humanitäre Katastrophe - viele Familien flüchtenBild: picture-alliance/epa/S. Suna

Die humanitäre Lage in Palmyra sei schwierig, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, der Deutschen Presse-Agentur. Das Regime habe mehrere Luftangriffe gegen IS-Stellungen geflogen. Aktivisten des Medienzentrums Palmyra berichteten, die Terrormiliz habe eine Ausgangssperre verhängt und durchkämme die Häuser auf der Suche nach Regierungsanhängern. Demnach schnitten die Extremisten mehreren Kämpfern des Regimes die Kehle durch. Überprüfen lassen sich die Angaben jedoch nicht. Laut den Menschenrechtsbeobachtern ist in Palmyra seit vier Tagen der Strom ausgefallen. Die Medienaktivisten berichteten, es gebe auch kein Wasser und keine medizinische Versorgung mehr. Unklar ist, wie viele Menschen sich noch in Palmyra aufhalten. Den Aktivisten zufolge sind noch mehrere Zehntausend Menschen in der Stadt. Mehr als die Hälfte seien Flüchtlinge. Die Angaben der Aktivisten zur Lage in der Stadt ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

pab/stu (dpa, afp, kna)

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