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Sorge um unsere Böden

5. Dezember 2016

74 Hektar oder 103 Fußballfelder werden täglich mit Häusern oder Straßen zugepflastert. Dabei ist Boden, auf dem Nahrung angebaut wird, sehr wertvoll. Der Weltbodentag an diesem Montag soll daran erinnern.

Erde mit Pflanze
Bild: Piclease/A. Deepen-Wieczorek

"Letztes Baugrundstück in begehrter Lage von Berlin-Mitte für Wohnungsbau geeignet", steht in der Immobilienanzeige. Beim Preis allerdings dürften potenzielle Käufer Bauchschmerzen bekommen: 3,25 Millionen Euro für ganze 320 Quadratmeter. Eine Baulücke - mehr nicht. Hinzukommen dürften noch Kosten für Anschlüsse an das öffentliche Abwassersystem, für Strom-, Gas-, Telefon- und Fernsehkabel.

Damit ist aber noch nichts über die Bodenbeschaffenheit bekannt. Lauern dort Altlasten, die aufwendig zu entfernen sind? Gab es Wasser- oder Winderosionen? Und wie wirkt sich die flächenhafte Versiegelung an der Stelle aus, sollte der Klimawandel weiter fortschreiten und häufiger Starkregen hernieder prasseln? 

Fakt ist: Seit immer mehr Menschen vom Land in die Stadt ziehen, werden Wohnungen und Häuser in Ballungsräumen begehrter und teurer, Flächen rarer. Die Bundesregierung plant nun, das Baurecht zu ändern. Statt 60 Prozent dürfen 80 Prozent eines Grundstücks höher und dichter bebaut werden. 

Doch auch die Preise für Acker- und Weideland steigen stetig: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kostete der Hektar 2015 im Schnitt knapp 19.600 Euro. Seit 2005 hat sich der Preis mit damals fast 8.700 Euro mehr als verdoppelt. Agrarflächen gelten als langfristige Kapitalanlage.

Kritik am Landgrabbing

Ein Bündnis aus sozial-ökologisch orientierter GLS-Bank, Erzeugergemeinschaft Demeter und Bioboden-Genossenschaft hat den Weltbodentag (5.12.2016) zum Anlass genommen, Kritik an diesem 'Landgrabbing' zu üben. Der Feldzug der Agrarkonzerne habe die Pacht- und Kaufpreise für Ackerland explodieren lassen. Das Bündnis richtet sich direkt an die Politik mit der Forderung, bessere Rahmenbedingungen für den Schutz fruchtbarer Böden zu schaffen und für den Zugang zu Land für ökologische Bewirtschaftung. "Notwendig sind die Abschaffung schädlicher Subventionen, ein europäischer Rahmen für den Bodenschutz sowie demokratisch erarbeitete Konzepte für die Landverteilung", sagt Antje Kölling von der Biolandbauern-Vereinigung Demeter. 

Mais - Exotischer Export als Tiernahrung und für die Biogasproduktion Bild: REUTERS/J. Young

Am Beispiel Maisanbau zeigt sich das Dilemma. Da sich Mais sowohl als Futterpflanze als auch zur Biogaserzeugung eignet, hat sich die Anbaufläche seit 2000 - dank Subventionen - von 1,5 Millionen auf rund 2,5 Millionen Hektar vergrößert. Das macht ein Fünftel der gesamten Ackerfläche aus. Ein lohnendes Geschäft für Landwirte, die pro Hektar Mais einen Gewinn von bis zu 3000 Euro erzielen. "Mais kann allerdings erst nach dem Frost angebaut werden. Maisstandorte ohne Bepflanzung sind somit im Winter Wasser- und Winderosion ausgesetzt", sagt Christian Rehmer, Leiter Agrarpolitik beim BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland). "Außerdem entzieht Mais dem Boden viele Nährstoffe."

Nachteile sind der hohe Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und der Verlust von Vögeln, die auf Maiskulturen keine geeignete Nahrung finden. Hinzu kommt, dass die Nutzpflanzen, die zuvor an gleicher Stelle wuchsen, nun in anderen Ländern angebaut werden müssen. "Hält die aktuelle Entwicklung an, wird die Grundlage für die ökologisch-nachhaltige Landwirtschaft und damit für eine gute Ernährung knapp", warnt Demeter-Vorstandssprecher Alexander Gerber. Dabei steige die Nachfrage nach gesunden und regionalen Bio-Lebensmitteln deutlich schneller als die bewirtschaftete Fläche. Die Bündnispartner regen an, Höfe durch Vereine oder Bündnisse solidarischer Landwirtschaft in ein soziales Umfeld einzubinden und den Gemeingutcharakter der Landwirtschaft weiter zu entwickeln. 

Löwenzahn in Steinwüste - gewohntes Bild in deutschen StädtenBild: DW/H. Jeppesen

"Wir müssen den Boden achten und schützen, um seine Eigenschaften zu bewahren und diese für Folgegenerationen zu sichern", fordert Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Der Boden wird durch den Bau von Wohn- und Gewerbeeinheiten sowie Verkehrswegen strapaziert, durch die Anlage von Sport- und Golfplätzen, Parks und den Anbau von Nahrung und Energiepflanzen. Und nicht zuletzt wird Boden kontaminiert. Bottermann sorgt sich wegen des vermehrten Eintrags von Schad- und Nährstoffen."Es wird unterschätzt, dass beanspruchter Boden viele hundert Jahre braucht, um sich zu erholen."


Bodenschutz so wichtig wie Klimaschutz 

In Öffentlichkeit und Politik fehle das Bewusstsein für die Funktionen und Leistungen des Bodens, erklärt der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Dessen Schutz sei eine ökologische Herausforderung, die mit der Bekämpfung des Klimawandels durchaus vergleichbar sei. Weltweit gebe es einen dramatischen Verlust an Bodenqualität.

Die deutsche Bischofskonferenz hat die Schrift "Der bedrohte Boden" herausgegeben. Darin setzen sich Kirchenexperten aus schöpfungstheologischer, sozialethischer, ökonomischer und rechtswissenschaftlicher Perspektive mit dem Thema Böden auseinander. Sie stufen Boden als wertvolles und notwendiges Gut zum Leben und für die Ökosysteme ein, die durch Versiegelung, intensive landwirtschaftliche Nutzung und Konsumgewohnheiten bedroht seien. 

Mobiler Dachgarten auf einem Parkhaus-Deck in StuttgartBild: picture-alliance/dpa/ M. Latz

Bei eigenen Flächen verpflichtet sich die katholische Kirche, auf nachhaltigen Bodenschutz zu achten. In einem Appell richten sich die Kleriker an Verbraucher, ihren Fleischkonsum zu verringern. Auch solle die Flächennutzung begrenzt, genutzte Flächen sollten renaturiert und recycelt werden. Eine Unterschriftenaktion in Europa fordert zur Rettung des Bodens auf. 

Initiativen wie Urban Gardening und Kooperativen zeigen, wie man Boden wertschätzend kultiviert: Gemeinsam bewirtschaften sie eine überschaubare Fläche für den Eigenanbau und hegen und pflegen ihr Stück Erde liebevoll. 

Boden ist nicht gleich Boden

Besonders gut gedeihen Nutz- und Zierpflanzen übrigens auf Hortisol. Dieser intensiv genutzte Gartenboden entsteht durch regelmäßige Zufuhr organischen Düngers aus Stallmist, Jauche, Fäkalien sowie Müll und regelmäßiges Umgraben. Zusätzliche Wasserversorgung und längere Schattenphasen begünstigen das Wachstum - nicht nur von Kulturpflanzen.

Die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft und der Bundesverband Boden haben Hortisol zum Boden des Jahres 2017 gewählt. "Wir wollen die Menschen damit für den Boden in ihrer Nähe sensibilisieren", erläutert Klaus Kruse vom Bundesverband Boden. Denn nicht nur Regenwürmer brauchen gesunden Boden, um sich wohl zu fühlen.

 

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