Ein Mensch ist gestorben und 28 Patienten sollen sich mit dem gefährlichen Keim angesteckt haben. Nicht im Krankenhaus, sondern in einer Kölner Arztpraxis. Das müssen Sie über Pseudomonas aeruginosa wissen.
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Was ist in Köln passiert?
28 Patienten des Kölner Medizinischen Versorgungszentrums sind an einer bakteriellen Infektion erkrankt. Alle waren wegen Rückenschmerzen – etwa Bandscheibenvorfällen – behandelt worden. Ein 84-jähriger Mann starb nun in Folge der Infektion – vermutlich mit dem Erreger Pseudomonas aeruginosa - an Multiorganversagen. Andere behandelte Patienten leiden an einer Hirnhautentzündung, einer Meningitis.
Die Erkrankten gehören zu insgesamt 300 Patienten, denen zwischen Januar und März diesen Jahres an dem Versorgungszentrum per Injektionsnadel Entzündungshemmer und Schmerzmittel in die Wirbelsäule gespritzt wurden.
In allen Fällen hatten Mediziner den anspruchsvollen Eingriff mit Hilfe eines Computer-Tomographen kontrolliert. Das Klinikum selbst hat die Infektionsfälle bei der Kölner Staatsanwaltschaft angezeigt.
Was die Sache noch komplizierter macht: Es gibt verschiedene Pseudomonas-aeruginosa-Varianten, die möglicherweise auch unterschiedlich auf Antibiotika reagieren. Welcher von ihnen – und ob überhaupt einer von ihnen – für den Todesfall und die Erkrankungen verantwortlich ist, werden erst gründliche Untersuchungen des Erbgutes der Keime und der möglichen Infektionsquellen in der Praxis abschließend klären können.
Keime lauern überall. Aber die meisten nicht unbedingt dort, wo man sie am ehesten vermuten würde. Klicken Sie sich durch unsere Bakterien und Schimmel-Paradiese aber erschrecken Sie nicht!
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Es geht um die Art der Keime
Nicht alle Keime sind gleich gefährlich. Bei Salmonellen, die etwa durch verdorbene Eier übertragen werden, muss ein gesunder Mensch gut 1000 schlucken, um krank zu werden. Bei Legionellen, die im feuchtwarmen Klima von Warmwasser-Anlagen entstehen, reichen bereits weniger als 100 eingeatmete Keime aus. Auch saubere Luft enthält schon hunderte von Bakterien und Pilzsporen.
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Stilles Örtchen ist meist sauberer als gedacht
Auf einem Quadratzentimeter Toilettensitz befinden sich im Durchschnitt weniger als zehn Keime. Damit ist die Toilette einer der saubersten Orte schlechthin. Selbst manche Fensterscheibe ist stärker mit Keimen und Pilzen belastet, denn die wird nur einmal im halben Jahr gereinigt. Das WC hingegen in der Regel mehrmals die Woche.
Viel schlimmer sieht es am Arbeitsplatz aus: Ein durchschnittlicher Schreibtisch enthält über 3000 Mikroben pro Quadratzentimeter - 400 mal mehr als ein Toilettenbecken. Am verkeimtesten ist die Computertastatur. Denn hier hat der Dreck beste Bedingungen um sich zwischen den Tasten und in den Ritzen festzusetzen. Über 10.000 Keime pro Quadratzentimeter sind an machen Tastaturen keine Seltenheit.
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Geld stinkt doch
Geldscheine und Münzen wandern von Hand zu Hand. Bis zu 3000 verschiedene Keime haben New Yorker Forscher auf Geldscheinen genetisch identifiziert. Mit sensiblen Messmethoden kann man an den meisten Scheinen sogar Spuren von Kokain finden - weil sie gerne zum Schnupfen genutzt werden. Verkäufer sollten jedenfalls nie Lebensmittel und Geld nacheinander berühren.
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Brutkasten für Schimmelpilze
Auch der vermeintlich saubere Kühlschrank enthält eine Vielzahl von Keimen. Das feuchte Klima und vorhandenes Fett und Zucker sind jedenfalls ideal für Schimmelpilze. Die finden auch bei regelmäßiger Reinigung noch irgendwo eine Nische - etwa hinter den Gummiabdichtungen der Türen.
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Risikogebiet Krankenhaus
Besonders in Krankenhäusern muss penibel auf Handhygiene geachtet werden. Denn hier kann die Ausbreitung resistenter Bakterien schnell tödlich enden. Deshalb stehen in vielen Krankenhäusern - neben den Waschbecken mit Seife - auch Spender mit antibakterieller Lösung bereit. Vor dem Besuch beim Patienten heißt es dann: Hände desinfizieren.
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Gefährlicher Übeltäter
"Methicilin resistenter Staphylokokkus aureus" (MRSA) nennt sich dieser hochgefährliche Keim. Die bekannten Antibiotika wirken hier nicht mehr. Auch ohne Nahrung kann der hartnäckige Eitererreger sieben Monate lang überleben - auf dem Fußboden, dem Tisch, am Bett, auf der Haut und natürlich auch auf den vielen Türklinken.
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Kupfer gegen Keime
Eine Klinik in Harburg hat nun ein erfolgversprechendes Experiment gestartet, um die Keimbelastung an Türklinken zu verringern. Die Bakterien mögen nämlich Kupfer nicht. Die Keimanzahl hatte sich um etwa die Hälfte verringert. Das soll aber kein Ersatz fürs Händewaschen sein, denn es bleiben noch immer genug Keime übrig.
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Bitte nicht zu unfreundlich
Sollen wir jetzt aufhören Hände zu schütteln? Im Krankenhaus wäre das vielleicht eine gute Idee, aber ansonsten wäre diese Vorsichtsmaßnahme übertrieben. Besser ist es da, auf ein gutes Maß an Hygiene zu achten: Immer wieder Hände waschen, regelmäßig Maus und Tastatur reinigen, nach dem Bezahlen nicht gleich das Essen anfassen und den Kühlschrank öfters mal auswischen!
Bild: Fotolia/Andres Rodriguez
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Wie gefährlich ist der Keim im Alltag?
Angesichts seiner Häufigkeit in Umwelt und Haushalt stellt Pseudomonas aeruginosa für die meisten Menschen keine besonders große Bedrohung dar. Meist kommt das Immunsystem gut mit ihm zurecht.
Der Erreger verursacht außerhalb von Krankenhäusern meist weniger schwere Entzündungen, etwa am Außenohr, auf der Hornhaut des Auges oder in Wunden. Gefährlicher ist das Bakterium indes im Krankenhaus.
Wo tritt der Keim auf?
Pseudomonas aeruginosa ist kein besonders seltenes Bakterium. Es kommt praktisch überall vor, wo es feucht ist: In der Erde, in Seen und Flüssen, im Leitungswasser, im Badezimmer, im Spülschwamm. Sogar in destilliertem Wasser, Shampoos und in Desinfektionsmitteln kann sich der Erreger vermehren, falls er dort organisches Material als Futter findet.
Auch im Darmtrakt von Tier und Mensch findet sich der Keim. Bei Lebensmitteln führt er zur Fäulnis. In Rohrleitungen ist er an der Bildung von Biofilm beteiligt, der Abflussrohre verstopft.
Selbst im Dieseltreibstoff bzw. Heizöl kann das Bakterium gedeihen. Bei selten genutzten Fahrzeugen, Schiffen oder in Heizanlagen kann es dann auch zu Verstopfungen und zum Ausfall von Motoren oder Brennern kommen.
Das Bakterium ist für etwa ein Zehntel aller Infektionen mit Krankenhauskeimen verantwortlich. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann er Lungenentzündungen, Harnwegs- und Wundinfektionen auslösen.
Im schlimmsten Fall kommt es zu einer sogenannten Blutstrominfektion. Diese Sepsis verläuft häufig tödlich. Der Keim ist vor allem dann gefährlich, wenn er einen künstlichen Zugang in den Körper findet, wenn er etwa durch eine Injektionsnadel ins Blut gelangt, durch einen Katheter in die Blase oder durch Beatmungsschläuche in die Lunge.
Wie gefährlich ist eine Sepsis?
Die Sepsis ist in Industrieländern die häufigste vermeidbare Todesursache. Allein in Deutschland erkranken fast 280.000 Menschen im Jahr an dieser Blutbahninfektion. Fast jeder vierte Patient stirbt daran. Das sind etwa 70.000 Menschen.
Geht man davon aus, dass ein Zehntel der Fälle auf Pseudomonas aeruginosa zurückgeht, läge die Zahl der durch das Bakterium getöteten Menschen pro Jahr in Deutschland bei etwa 7000.
Wie kann man den Keim bekämpfen?
Pseudomonas aeruginosa ist zwar gegen einige, aber nicht gegen alle Antibiotika immun. "Wenn keine Resistenzen bestehen, kommt zur Therapie […] eine Handvoll Antibiotika infrage", sagt Dr. Gerd Fätkenheuer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie und Professor an der Uniklinik Köln. Ob im Kölner Fall bisher nicht bekannte Resistenzen eine Rolle spielen, ist aber noch nicht geklärt.
Dennoch drängt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowohl Regierungen, als auch forschende Pharmaunternehmen dazu, dringend neue Medikamente gegen den Erreger zu entwickeln. Auf einer Pioritätenliste der WHO steht der Keim Pseudomonas aeruginosa neben nur zwei weiteren Erregern als "kritisch" ganz weit oben.
Hände schütteln ist ein in westlichen Kulturen weit verbreitetes Grußritual - aber auch einer der häufigsten Übertragungswege für Krankheiten.
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Uralter Brauch
Der Brauch des Händeschüttelns ist über 2000 Jahre alt. Er wurde schon in der Antike dokumentiert, wie hier auf dieser alten griechischen Vase. Die alten Griechen dachten, dass Krankheiten mit dem Ungleichgewicht der Körpersäfte zusammenhingen und eine Strafe der Götter seien. Eine Verbindung zwischen Händeschütteln und Krankheit kam ihnen nicht in den Sinn.
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Geste des Friedens
Durch das Reichen der rechten Hand wollten Fremde wahrscheinlich demonstrieren, dass keine Waffen tragen. Auf neurochemischer Ebene löst ein Handschlag mehrere Chemikalien im Gehirn aus, darunter auch Oxytocin, das sogenannte Bindungshormon, welches Harmonie und Freundschaft begünstigt.
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Verschiedene Bedeutungen
Ein fester Händedruck steht in der westlichen Gesellschaft für Entschlossenheit, während die östlichen Gesellschaften einen schwachen, "schlaffen" Händedruck bevorzugen, um den Eindruck der Dominanz zu vermeiden. Ungeachtet dessen: Mit einem Händedruck hinterlässt man mehr als nur einen bleibenden Eindruck.
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Schlechte Angewohnheit
Ein Händedruck kann aber auch Erkältungs- oder Grippeviren übertragen, Krätzemilben oder Staphylokokkenbakterien (siehe Bild). Dann zum Beispiel, wenn ein Infizierter sich die Nase abwischt und den Schleim zusammen mit dem Rhinovirus auf der Hand des Gegenübers hinterlässt. Reibt der Gegrüßte sich nun die Augen, kann er sich schnell anstecken.
Bild: picture alliance/dpa/Centers for Disease Control and Prevention/MCT /Landov
Hygiene als Vorsichtsmaßnahme
Ein sicherer Weg, die Übertragung von Krankheiten durch Händeschütteln zu verhindern, ist das regelmäßige Händewaschen mit warmem Wasser und Seife. Aber viele Menschen kümmert das nicht: Eine Studie hat gezeigt, dass sich nur zwei Drittel der Männer die Hände waschen, nachdem sie auf einer öffentlichen Toilette waren...
Bild: BilderBox
Abneigung gegen den Händedruck
Bekannte Persönlichkeiten wie Bill Gates und Donald Trump schütteln niemandem die Hände, weil sie Angst vor der Übertragung von Krankheiten haben. Sie könnten aber auch einfach einen Handdesinfizierer mit sich führen und ihn regelmäßig benutzen. Aber dann würden sie würden Gefahr laufen als obsessiv und merkwürdig zu gelten. Aber es gibt auch Alternativen zum Händeschütteln:
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Nicht unhöflich - nur sinnvoll
Eine kürzlich erschienene Studie schlägt vor, den Handschlag in Gesundheitseinrichtungen ganz zu verbieten. Krankenhäuser könnten zum Beispiel zu einer handschlagfreien Zone werden. Da immer mehr Menschen den Zusammenhang zwischen Händeschütteln und Krankheitsübertragung kennen, gewinnt die "Anti-Händeschüttel"-Bewegung immer mehr an Dynamik. Aber was könnte diese Geste ersetzen?
Bild: Fotolia/Andres Rodriguez
Der Fauststupser
Eine Studie hat bewiesen, dass der "Fauststupser", eine kurze Berührung der Fäuste, 90 Prozent weniger infektiöse Organismen überträgt als ein Händedruck. Barack und Michele Obama machen es vor. Das könnte der nächste große Gruß-Trend werden.