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Politik

Sorglose Sprache belastet Verhältnis

24. Januar 2018

Nicht zum ersten Mal ist in Medien von "polnischen KZs" die Rede, wenn die Vernichtungslager der Nazis im besetzten Polen gemeint sind. Doch ein Fall des ZDF von 2013 hat trotz Entschuldigung bis heute ein Nachspiel.

Deutschland KZ zweiter Weltkrieg Konzentrationslager Auschwitz Gleise
Bild: picture alliance/dpa

Die "Süddeutsche Zeitung" vom 22.1.2018 schreibt unter "Korrekturen": "In 'Seine letzten Jahre' vom 20./21. Januar (...) stand der Satz: 'Der frühere SS-Oberscharführer hat nur zugegeben, das Ghetto A im polnischen Lager Przemyśl geleitet zu haben.' Das ist falsch. Das Lager lag nur im heutigen Polen, aber es wurde von Deutschen eingerichtet und betrieben." Nur ein kleines Beispiel für den sorglosen Umgang mit Sprache.

Sogar der frühere US-Präsident Barack Obama hatte 2012 von "polnischen Konzentrationslagern" gesprochen, ausgerechnet als er den polnischen Widerstandskämpfer Jan Karski posthum mit der höchsten amerikanischen Ehrenmedaille würdigte. Er hatte das zweifellos geographisch gemeint. Doch der Fauxpas löste in Polen einen Sturm der Entrüstung aus und belastete die amerikanisch-polnischen Beziehungen wochenlang. Bartosz Dudek, Leiter der polnischen Redaktion der Deutschen Welle, erklärt: "Für polnische Ohren ist das eine Beleidigung, die Formel sorgt in Polen immer für Aufregung und Empörung", auch wenn sie jedes Jahr rund 300 Mal, vor allem von angelsächsischen Medien, gebraucht werde.

Die Entschuldigung reicht dem Kläger nicht

Der Fall mit dem ZDF geht zurück bis zum Jahr 2013. Der Sender hatte eine Dokumentation über die NS-Vernichtungslager Auschwitz und Majdanek als Film über "polnische Konzentrationslager" beworben. Der polnische Holocaust-Überlebende Karol Tendera, heute 96 Jahre alt, verklagte den Sender daraufhin vor einem Gericht in Krakau, weil er sich durch die Aussagen in seinem "nationalen Zugehörigkeitsgefühl und in seiner nationalen Würde" verletzt gesehen habe. Das ZDF entschuldigte sich daraufhin in zwei Briefen persönlich bei Tendera. Das sahen die Richter in erster Instanz als ausreichend an.

In einem Berufungsverfahren bekam Tendera Ende 2016 aber vor dem Appellationsgericht Krakau Recht: Das ZDF müsse sich öffentlich entschuldigen. In einer Erklärung bedauerte daraufhin das ZDF eine "die Geschichte des polnischen Volkes verfälschende Formulierung, die unterstellt, dass die Vernichtungslager in Majdanek und Auschwitz von Polen errichtet und geführt wurden". Das ZDF "entschuldigt sich bei Herrn Karol Tendera (…) für die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte, insbesondere der Nationalidentität (…) und seiner Nationalwürde." 

In den Augen des Klägers reichte dies aber nicht aus. Seine Begründung: Die Entschuldigung habe nicht auf der ZDF-Startseite gestanden. Außerdem verlinkte der Sender den Text nur, statt ihn direkt auf der Seite darzustellen. Das lehnte das ZDF ab. An dieser Haltung änderte auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz nichts, das sich dem Krakauer Schiedsspruch anschloss. Radio Poland, das Auslandsprogramm des öffentlich-rechtlichen polnischen Rundfunks, zitiert Tenderas Anwalt Lech Obara mit den Worten, das Koblenzer Urteil sei ein Durchbruch, gleichwohl halte er den juristischen Kampf für noch nicht beendet.

ZDF hat wegen "Unsere Mütter, unsere Väter" schlechten Ruf 

Gleichzeitig mit den gerichtlichen Auseinandersetzungen eskalierte der Streit in den sozialen Medien. Kritiker warfen dem Sender vor, er habe User geblockt, die den Hashtag #GermanDeathCamps verwendeten, und deren Kommentare gelöscht. Am 18. Januar 2017 rechtfertigte sich das ZDF, "Spam-Posts" würden sich "hier themenfremd überall verteilen", daher das Löschen und Blockieren.

Das ZDF wurde offenbar auch deshalb zur Zielscheibe wütender Kommentare, weil es nach Einschätzung von Bartosz Dudek in Polen seit der Ausstrahlung des Films "Unsere Mütter, unsere Väter" über die Zeit des Zweiten Weltkrieges "ein schlechtes Image" hat, weil dieser polnische Widerstandskämpfer als Antisemiten darstelle. "Das ZDF wird verdächtigt, eine Geschichtsverfälschungskampagne zu führen."  

Ein Teil der polnischen Medien wirft dem ZDF-Film "Unsere Mütter, unsere Väter" Geschichtsfälschung vor Bild: picture-alliance/dpa/J. Wolf

Gegenüber der polnischen Redaktion der Deutschen Welle nannte ein Vertreter des ZDF vor einem Jahr die Reaktion des Senders nach dem Gerichtsurteil "angemessen und ausreichend". Zur Negativkampagne im Netz hieß es vom ZDF damals: "In den Reaktionen wurde von Beginn an ignoriert, dass es sich um einen bedauerlichen Fehler handelte, den das ZDF korrigiert und für den sich das ZDF entschuldigt hat. Der Vorwurf, das ZDF stelle in Abrede, dass es sich bei den Vernichtungslagern von Auschwitz und Majdanek um deutsche Vernichtungslager gehandelt hat, entbehrt jeder Grundlage." Eine neue Anfrage der Deutschen Welle, wie der Sender in der Sache weiter verfahren will, blieb bislang unbeantwortet.

Vorwurf der Geschichtsrevision

Doch die Auseinandersetzung hat auch eine starke politische Dimension. Nationalkonservative polnische Kreise sagten, so Bartosz Dudek, "dass die Bundesrepublik Deutschland eine antipolnische Geschichtspolitik betreibt, indem man den Polen Verantwortung für Holocaust und Naziverbrechen in die Schuhe schiebt". Auf deutscher Seite wiederum besteht der Verdacht, die nationalkonservative PiS-Regierung verschärfe den Streit aus innenpolitischen Gründen. Hinzu kommt, dass die rechtliche Auseinandersetzung teilweise in einem Zusammenhang mit der umstrittenen polnischen Justizreform gesehen wird.

Wegen des wiederholten Gebrauchs der Bezeichnung "polnische Vernichtungslager" vor allem in ausländischen Medien geht die polnische Regierung inzwischen auch rechtlich dagegen vor. Wer sie verwendet, kann jetzt dafür mit einer bis zu dreijährigen Haftstrafe belangt werden. Justizminister Zbigniew Ziobro, Autor der Justizreform, der auch die jüngste Kabinettsumbildung überstanden hat, hatte bei der Gesetzesinitiative im Sommer 2016 dazu gesagt: "Unsere Verantwortung ist es, die Wahrheit und Würde des polnischen Staates und der polnischen Nation (...) zu verteidigen." Experten glauben allerdings, dass die polnische Justiz keine Ausländer wird verfolgen können, die wohl am ehesten den Ausdruck verwenden. 

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