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Politik

"Soros ist einfach ein weiteres Ziel"

Sarah Kelly | Christoph Ricking
10. April 2017

In Budapest protestieren Tausende gegen die Schließung der Soros-Universität. Es sei aber unwahrscheinlich, dass Regierungschef Orbán von seiner Politik abrücken werde, sagt der Politologe Tamás Boros im DW-Interview.

Ungarn Proteste in Budapest
Bild: picture-alliance/dpa/MTI/J. Marjai

Deutsche Welle: Viktor Orbán hat selbst mit Hilfe eines Soros-Stipendiums in Oxford studieren können. Warum will der ungarische Regierungschef die Soros-Universität schließen?

Tamás Boros: Für Viktor Orbán geht es in der Politik nicht in erster Linie um Themen wie Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit, Wachstum des Bruttoinlandsproduktes oder Kosten für das Wohnen, für ihn ist Politik ein Krieg gegen den politischen Gegner. Seit 2010, als er die Wahlen in Ungarn gewonnen hat, hat er mehreren verschiedenen politischen Gegnern den politischen Krieg erklärt: der Europäischen Union, dem Internationalen Währungsfonds, den Liberalen, den Flüchtlingen. George Soros ist einfach ein weiteres Ziel. Diese politischen Kriege helfen Orbán, von wirtschaftlichen Problemen und Armut in Ungarn abzulenken.

Wer wird der nächste Gegner in Viktor Orbáns politischem Krieg?

Er wird den Kampf gegen die Europäische Union und die europäischen Institutionen fortsetzen. Und seine Attacke gegen die Soros-Universität wird nicht die letzte sein. Er versucht mittlerweile auch, Nichtregierungsorganisationen (NGO's) anzugreifen, die Geld aus dem Ausland erhalten. Die Regierung hat bereits ein Gesetz ins Parlament eingebracht, wonach ungarische NGO's, die mehr als 20.000 Euro pro Jahr aus dem Ausland, auch aus EU-Ländern, erhalten - was nicht besonders viel Geld ist -, dass diese Organisationen mehr bürokratische Hürden auferlegt bekommen und sich selbst als aus dem Ausland finanzierte NGO kenntlich machen müssen.

Tamás Boros von "Policy Solutions" in BudapestBild: Privat

Die Demonstranten haben den Präsidenten János Áder aufgerufen, das Gesetz gegen die Soros-Universität nicht zu unterschreiben. Wie wahrscheinlich ist es, dass der Präsident auf die Demonstranten hört?

Der Präsident von Ungarn ist ein alter Freund des Ministerpräsidenten und kommt aus derselben Partei, Fidesz. Wenn er das Gesetz nicht unterzeichnen würde, wäre das ein Angriff des Präsidenten auf Ministerpräsident Orbán. Ich denke, das ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber wenn es dazu kommen würde, würde das zeigen, dass diese Sache selbst für einen engen Freund von Orbán zuviel wäre, das Orbán eine Grenze überschritten hätte. Aber wie auch immer: Der Präsident kann den Entwurf zurück ans Parlament senden. Das ist ein Veto, aber das Parlament kann den Entwurf trotzdem erneut annehmen und dann kann der Präsident nichts mehr tun. Oder der Präsident schickt den Entwurf an das Verfassungsgericht, das dann entscheiden würde, ob er mit der Verfassung in Einklang steht.

Können die Proteste den Druck auf Viktor Orbán so verstärken, dass er einlenkt?

Nur wenn er sieht, dass auch seine eigenen Wähler gegen das Gesetz sind. Die Leute, die ihn sowieso nicht wählen, sind ihm egal. Für ihn ist es wichtig seine eigenen Wähler zusammenzuhalten. Fidesz hat derzeit rund 2,3 Millionen Wähler in Ungarn, das sind rund 30 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung. Wenn Orbán befürchtet, sogar Wähler seiner eigenen Basis zu verlieren, dann wird er seine Politik ändern. Aber wenn nur Leute protestieren, die ihn sowieso nicht wählen, wird er seine Meinung nicht ändern.

Wer kann die ungarische Regierung sonst stoppen?

Wandel sollte von innen kommen. Weil die Opposition zu schwach ist, aber auch weil der Druck auf die Opposition sehr hoch ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie Orbán stoppen kann. Das liegt nicht nur an ihrer Schwäche, sondern auch an der neuen Medienlandschaft, in der immer weniger liberale Stimmen von unabhängigen Medien durchdringen. Das Verfassungsgericht ist auch nicht mehr unabhängig. Die politische Situation hat sich verschlechtert. Das ist auch einer der Gründe, warum die Opposition immer weniger Raum hat, zu reagieren. Andere Akteure können grundsätzlich über wirtschaftliche Themen Einfluss nehmen. Der Grund für Viktor Orbáns Popularität ist nicht seine Ideologie, sondern die Tatsache, dass es der ungarischen Wirtschaft relativ gut geht. Aber dieses Wachstum basiert auf der Finanzierung durch die EU. Wir haben Wirtschaftswachstum in Ungarn, weil die deutschen Steuerzahler dafür zahlen. Die EU könnte diese Zuwendungen hinterfragen. Sie könnte etwa schauen, ob die Gelder für die richtigen Zwecke eingesetzt werden oder ob es Korruption gibt. Eine bessere Kontrolle der EU-Gelder würde dem Land, der EU und allen Steuerzahlern in der EU nützen.

Tamás Boros arbeitet für den Thinktank "Policy Solutions" in Budapest.

Das Interview führten Sarah Kelly und Christoph Ricking.

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