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Politik

Sotschi: Erdogan stärkt seine Rivalen

Asli Isik | Daniel Derya Bellut
24. Oktober 2019

Die Einigung von Sotschi zu Nordsyrien sieht nach einem Sieg für Erdogan aus. Doch Ankara musste von ursprünglichen Zielen abrücken und Zugeständnisse machen - teilweise an Rivalen wie den syrischen Machthaber Assad.

Russland Sotschi Treffen Putin Erdogan
Bild: Reuters/A. Zemlianichenko

Sechs Stunden dauerten die Verhandlungen im russischen Badeort Sotschi, doch das Ergebnis schien beide Seiten, den türkischen Präsidenten Erdogan und Kremlchef Putin, zufrieden zu stellen. Als "historisch" bezeichnete Erdogan die Einigung vom Dienstagabend: Während Moskau seinen Einfluss auf die syrische Zentralregierung gewahrt hat, erhielt Ankara die Erlaubnis, in Nordsyrien eine Sicherheitszone zu errichten und somit die Kurdenmiliz YPG von der türkischen Grenze fern zu halten.

Es mag so aussehen, als ob aus dem Pokerspiel um Nordsyrien vor allem Erdogan als Sieger hervorgegangen sei. Doch auch Ankara musste zum Teil schmerzhafte Zugeständnisse machen. Denn das Abkommen stärkt nach der Meinung von Experten auch den syrischen Machthaber Baschir al-Assad - lange Zeit einer der ärgsten Rivalen des türkischen Präsidenten. Dieser Erfolg hat sich für Assad ganz von alleine eingestellt - ohne dass seine Armee in Nordsyrien eine einzige Kugel abfeuern musste.

Assad sitzt wieder am Verhandlungstisch

Im syrischen Bürgerkrieg war es Erdogans erklärtes Ziel, den syrischen Machthaber zu stürzen; dafür unterstützte er oppositionelle, teils auch dschihadistische Gruppierungen. Die Einigung von Sotschi bewirkt nun genau das genaue Gegenteil: Erdogan muss  die territoriale Unversehrtheit des Assad-Regimes respektieren.  Zudem sitzt Damaskus wieder am Verhandlungstisch.

Von den politisch Toten auferstanden: Der syrische Machthaber Assad war fast geschlagenBild: picture-alliance/AP Photo/Facebook page of the Syrian Presidency

"Die türkische Militäroperation hat dazu geführt, dass Assad an Territorium dazugewonnen hat. Das ist ein großer Erfolg für Assad, wenn man sich den Verlauf des syrischen Bürgerkrieges in Erinnerung ruft. Zudem wird er zum ersten Mal in eine Vereinbarung eingeschlossen", so der Journalist und Russland-Experte Aydin Sezer. Vahap Coskun von der Universität Dicle stimmt zu: "Die letzten Schachzüge Erdogans haben Assad militärisch und politisch in eine mächtige Rolle gebracht."

Putin beruft sich auf das sogenannte Adana-Abkommen von 1998, das auch in dem Papier von Sotschi erwähnt wird. Damals einigten sich Damaskus und Ankara darauf, dass Syrien die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nicht unterstützt und Patrouillen an der syrisch-türkischen Grenze einsetzt. Es erlaubt zudem der Türkei, fünf Kilometer auf syrisches Territorium vorzudringen, um "terroristische Bedrohungen zu eliminieren". Nun verlangt Putin, dass das Abkommen von Adana als rechtliche Grundlage für die Regelung genutzt wird, welcher Staat die nordsyrische Grenze kontrolliert.

Profitieren auch Kurden von Sotschi?

Die Einigung von Sotschi stellt noch einer weiteren Partei einen Sitz am Verhandlungstisch für die syrische Nachkriegsordnung in Aussicht: Bei der Pressekonferenz nach der Einigung betonte Putin, dass die syrischen Kurden auch an einem Dialog mit Damaskus und womöglich Ankara beteiligt werden sollen: "Nur so können die Rechte der Kurden im Nordosten Syriens geschützt werden. Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil des syrischen Volkes." Mit dem türkischen Präsidenten habe er über den politischen Prozess gesprochen, so der Kreml-Chef. Ob dieser Prozess auch eine Beteiligung der Kurdenmiliz YPG mit einschließt, ist noch unklar. Gegebenenfalls hätte so noch ein weiterer Gegner Erdogans von Sotschi profitiert.

Nicht nur das Erstarken von Baschir al-Assad ist ein Preis, den Erdogan für die Einigung in Sotschi bezahlen musste. Die Sicherheitszone wird voraussichtlich auch deutlich kleiner ausfallen, als sich das die türkische Regierung gewünscht hatte. Eigentlich hätte die Zone aus Ankaras Sicht die gesamte syrisch-türkische Grenze abdecken sollen. "Das erklärte Ziel war, bis zur irakischen Grenze Kontrolle auszuüben; das wären dann 444 Kilometer gewesen, aber den Wunsch hat man ihnen nicht erfüllt", so der Politologe Ilhan Uzgel. Die Sicherheitszone soll nun eine Länge von nur 120 Kilometern haben, was ungefähr dem Gebiet entspricht, das die türkischen Streitkräfte im Zuge der Militäroperation "Friedensquelle" erobert hatten. Auch die Tiefe soll sich nur auf zehn Kilometer belaufen; eigentlich hatte Ankara 32 Kilometer Tiefe gewollt. "Es gibt nur leichte Gebietsgewinne gegenüber der YPG. Mit dem Abkommen sind zehn Kilometer Militärpräsenz an der Grenze gestatte. In dem Ausmaß ist das keine Sicherheitszone. Das ist eher ein Sicherheitskorridor", findet Vahap Coskun. 

Erdogans Schachzug: innenpolitisch ein Erfolg

Die türkische Regierung hat nicht alle ursprünglichen Ziele erreicht: Die Schutzzone wird deutlich kleiner ausfallen als gewünscht. Erdogans Rivale, der syrische Machthaber Assad entkommt der jahrelangen Isolation. Zudem wird die Türkei sich die Kontrolle über die Schutzzone mit der russischen Militärpolizei teilen müssen. Diese Rahmenbedingungen werden es erschweren, dass Erdogan einem weiterem Hauptziel näher kommt: der Ansiedlung von Millionen von syrischen Flüchtlingen in Nordsyrien. Der türkische Präsident hat von seiner Militäroperation aber zumindest innenpolitisch profitiert: Die Zustimmung in der türkischen Bevölkerung ist groß. Die Opposition hat er mit seinem Schachzug gespalten.

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