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Gesellschaft

Sound aus Mainz für Hollywood

Sonja Jordans
18. September 2017

Wenn Hollywood Geräusche braucht, kauft es die oft in Mainz. Ob Schwerterklirren oder Flügelschlagen: Eine Firma kreiert dort Sounds für Filme und Computerspiele. Selbst bei "Game of Thrones" kracht es auf rheinhessisch.

Filmszene Game of Thrones Season
Kult mit Sounds aus Deutschland - "Game of Thrones"Bild: Imago/Cinema Publishers Collection

Mit kräftigem Flügelschlag erhebt sich der Drache, seine mächtigen Schwingen durchschneiden die Luft. Als er näher kommt, schwillt das Rauschen an zu einem dumpfen Grollen. Es muss ein riesiges Wesen sein, das da naht.

Michael Schwendler steht vor einem Mikrofon an seinem Arbeitsplatz und gibt alles. In den Händen hält er eine zerschlissene Lederjacke und schüttelt sie kräftig aus. Doch dieses recht unspektakuläre "flapp, flapp" wird später zum Flügelschlag des Drachen - am Computer, unter Zuhilfenahme von Hall, Bass, Tiefen und anderen Kniffen.

Schwendler ist Sounddesigner bei der Mainzer Firma Dynamedion. Dort rüttelt, klopft und lärmt der 44-Jährige für Videospiele, Werbetrailer, Serien und Filme. Gern nutzt er alltägliche Dinge, die jeder von zu Hause kennt. Doch nur unter seinen Händen wird aus einer zerschlissenen Jacke ein unheimliches Fabelwesen. Inzwischen hat es das Unternehmen aus Rheinland-Pfalz, für das Schwendler Sounds designt, in Ohren auf der ganzen Welt geschafft. Selbst die Mega-Serie "Game of Thrones" kommt nicht ohne Geräusche Made in Mainz aus.

Es braucht einiges an Technik, damit aus einer ausgeschüttelten Jacke der Flügelschlag eines Drachen wirdBild: DW/S. Jordans

Haarsträubendes aus Tiefkühlgemüse

"Wenn man eine gefrorene Karotte in ein Handtuch eindreht, hört sich das an als wenn ein Genick bricht", erzählt Schwendler begeistert. Im Zusammenspiel mit einer dazu passenden Szene sträuben sich einem neutralen Betrachter allerdings die Haare.

Weniger martialisch dagegen ist Sound für brechendes Eis. "Dazu kann man zwei Gelatineplatten aneinander reiben", weiß der Soundtüftler. Aufgefallen ist ihm das daheim - beim Kochen. Aufgenommen hat er es später im Tonstudio. Dort entstehen all die Geräuschkulissen, die Zuhörern später einen Schauer über den Rücken jagen.

 "Wenn etwa Jon Snow am Ende der vorletzten Staffel von 'Game of Thrones' gegen den Untoten kämpft, dann mit unseren Sounds", sagt Pierre Langer. Der 39-Jährige Diplom-Instrumentalpädagoge und klassische Gitarrist  ist einer der Gründer und Geschäftsführer von Dynamedion. Doch einfach zu sagen, lärmen sei sein Beruf, ist zu wenig. "Wir komponieren und arrangieren auch Musikstücke und bieten so ein Rundum-Paket", beschreibt er, was seit inzwischen 17 Jahren sein Metier ist.

Piloten trainieren im Flugsimulator für Notfälle besser mit realistischem Sound - zum Beispiel dem eines defekten TriebwerkesBild: picture-alliance/dpa/L. Schulze

Die Titelmelodie für den Superbowl, das internationale American-Football-Großereignis, wurde auf Wunsch des amerikanischen Komponisten mit einem deutschen Staatsorchester eingespielt – arrangiert und umgesetzt vom Team aus Mainz. Nun hört dieses Werk, wer Superbowl im Fernsehen schaut. Weltweit. "Das ist schon toll", freut sich Langer.

Inzwischen hat die Firma auch eine Klangsynthese-Software entwickelt. Diese ist in der Lage, etwa Turbinensounds oder Flugzeuggeräusche wie die eines A380 oder einer F16 realistisch darzustellen, beschreibt es Langer sehr vereinfacht. "Diese Software lässt sich etwa in Flugsimulatoren einsetzen." Ein weiterer Wirtschaftszweig, den die Rheinhessen anpeilen: Mit der Sound-Software Elektroautos auszustatten. "Damit man sie auch hört."

Kampfgetöse für "Game of Thrones"

Dabei hatten Langer und sein Kompagnon einst sehr klein angefangen. Im Wohnzimmer seiner Studentenbude bastelte er an digitalen Sounds. Die waren genau das, was ein renommierter Computerspiele-Hersteller aus der Nachbarstadt händeringend suchte. So wurde die Musik zum Videospiel "Spellforce"  der erste "richtige" Auftrag.

Inzwischen firmieren sieben Labels unter der Adresse von Dynamedion - auch eine "Geräusche-Bibliothek", genannt "Boom-Library", haben die Mainzer entwickelt und zählen damit nach eigenen Angaben zu den Marktführern. Statt Büchern gibt es dort Sounds zu verschiedenen Themen. "Wer Sounds für eine mittelalterliche Kampfszene in einem Videospiel oder für magische Zaubersounds in einem Film braucht, kann sich die passenden Pakete heraussuchen, beispielsweise 'Mittelalter' oder 'Magie', erläutert Schwendler das Konzept.

Peng, klirr, schepper, bumm

Raubtiergebrüll, das Surren eines Zauberstabs oder das Gerassel der Ketten eines Kerkerinsassen – die Boom-Library ist reich bestückt. Diese "Quellsounds" sind nicht - wie die meisten anderen Kompositionen und Geräuscheffekte - exklusiv für einen einzelnen Kunden produziert. "Es ist eine Art Basis, die Kunden kaufen und dann selbst nach ihren Wünschen bearbeiten und zusammenstellen können, so dass es für ihr Projekt passt", verdeutlicht Schwendler.

Ob Strategie-, Rollen- oder Fantasyspiele - die Gamer erwarten astreinen SoundBild: picture-alliance/dpa/R. Goldmann

So kamen auch die Kampfgeräusche zu Jon Snow in "Game of Thrones". Die Sounddesignerin der Serie wählte aus der Boom-Library Passendes aus. Oftmals wisse er allerdings gar nicht, wer denn alles auf Geräusche aus der Boom-Library zugreife, sagt Schwendler. "Mit Glück erkennt man mal etwas wieder."

Pierre Langer würde sicher den einen oder anderen Baby-Sound wiedererkennen - der dreifache Vater ließ schließlich seine Erstgeborene auf die Mikrofone los. "Ich habe sie mal nachts aufgenommen und als sie hungrig war", erzählt er und lacht.

Doch das Team von Dynamedion kann auch ganz groß: Demnächst geht es nach Litauen. Dort werden Explosionen aufgenommen. "Dann kommt extra nur für uns ein Sprengmeister", erzählt Langer und freut sich wie ein kleiner Junge. "Da wird es so richtig krachen." Die Mainzer wollen schließlich auch weiterhin weltweit gehört werden.

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