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Politik

Deutschlands Sowjet-Kriegsdenkmäler unerwünscht?

Vera Friedrich
8. Mai 2022

Deutschland ist verpflichtet, sowjetische Ehrenmäler zu ehren und zu pflegen. Doch seit dem Beginn des Ukraine-Krieges stehen diese Denkmäler vermehrt in der Debatte.

Panzer am Sowjetischen Ehrenmal
Bild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden von der Roten Armee in Berlin vier Ehrenmale angelegt. Sie sollten an die getöteten Rotarmisten der Sowjetunion erinnern, insbesondere an die, die bei der Schlacht um Berlin gefallen waren. Dies sind nicht nur Denkmäler zum Gedächtnis an den Sieg über Nazi-Deutschland, sondern auch Gedenkstätten mit Soldatenfriedhöfen.

Das Ehrenmal Berlin-Tiergarten wurde am 11. November 1945 mit einer Parade der alliierten Truppen eingeweiht. Den Zugang zum Ehrenmal flankieren zwei T-34-Panzer und zwei Kanonen, die in der Schlacht um Berlin im Einsatz waren.

Ende März 2022 wurden diese Panzerdenkmale in ukrainische Flaggen gehüllt. Kurz darauf forderte die Berliner CDU-Abgeordnete Stefanie Bung angesichts des Ukraine-Kriegs, die Geschütze und Panzer zu entfernen: "Heute steht der Panzer in Tiergarten nicht mehr nur für die Befreiung Deutschlands vom Nazi-Faschismus, sondern für die aggressive, territoriale Grenzen- und Menschenleben missachtende Kriegsführung."

Panzerdenkmal in Berlin-Tiergarten, gehüllt in eine ukrainische FlaggeBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Der Berliner Senat wies die Forderung zurück. "Hier geht es um das Gedenken der Toten des Zweiten Weltkriegs, in dem auf Seiten der Roten Armee Soldaten vieler Nationalitäten der Sowjetunion, darunter etliche russische und ukrainische, im Kampf gegen das Nazi-Regime starben", teilte Berlins Umweltsenatorin und Bürgermeisterin Bettina Jarasch (Grüne) mit.

Berlin ist gesetzlich verpflichtet, die sowjetischen Ehrenmale zu pflegen: im Rahmen des 1990 abgeschlossenen Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs wurde auch der Erhalt und die Pflege der Ehrenmale vereinbart.

Farbattacken auf das Ehrenmal im Treptower Park

Das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park ist das größte Denkmal seiner Art in Deutschland und die wichtigste Gedenkstätte für sowjetische Soldaten in Berlin. Auf den umliegenden fünf Grabfeldern sind 7000 Soldaten aus allen damaligen Sowjetrepubliken bestattet.

Anfang April beschmierten Unbekannte das Ehrenmal mit anti-russischen Parolen. Die Täter sprühten auf den Sockel mit roter Farbe unter anderem Parolen wie "Ukrainian Blood on Russian Hands" oder "Death to all Russians", und einige Tage später das "Z"-Symbol und Parolen wie "Mörder" oder "Orks". Das Denkmal wird jetzt verstärkt überwacht und die Polizei sucht nach den Tätern.

Beschmiertes Ehrenmal im Treptower ParkBild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Dr. Justus H. Ulbricht, deutscher Historiker und Geschäftsführer des Vereins "Denk Mal Fort!" ist fest davon überzeugt, dass ein Abreißen wie auch Beschmieren der Denkmäler nichts bringt: "Das, was man in Treptow sieht, ist ein heldisches Denkmal. Diese Zuneigung zu den Helden hat in Deutschland sehr stark abgenommen. Denkmäler dieser Art stehen hier ohnehin in der Debatte." Der Historiker findet aber, dass jedes Denkmal Teil der Stadtgeschichte sei. "Mein Votum wäre: immer stehen lassen, zum Sprechen bringen, kommentieren."

Muss der Rotarmist von Dresden weg?

Das Sowjetische Ehrenmal in Dresden wurde unmittelbar nach Kriegsende errichtet und im November 1945 eingeweiht. 1994 wurde der Rotarmist verlegt und steht jetzt in der Nähe des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr.

Ende März 2022 schrieb der Dresdner FDP-Politiker Stefan Scharf in seinem Twitter-Account: "Nein, das Sowjetische Ehrenmal in Dresden kann nicht bleiben. Nicht wegen 1945, sondern wegen 1953, 1968 und 2022."

Die Erklärung ist einfach. Die 1. Gardepanzerarmee der Sowjetunion, die bis 1993 in Dresden stationiert war, war 1953 an der Niederschlagung des Volksaufstands in der DDR beteiligt und 1968 an der Niederschlagung des Prager Frühlings. Heute ist die russische 1. Gardepanzerarmee in der Ukraine unterwegs. Dadurch bekomme der Rotarmist, so Scharf, einen mehr als faden Beigeschmack.

Sowjetisches Ehrenmal in DresdenBild: Daria Bryantseva/DW

Dr. Kristiane Janeke, Wissenschaftliche Leiterin des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden, hält nicht viel von der Idee, das Denkmal zu entfernen, selbst wenn es in einem Museum einen Platz finden sollte: "Man würde damit einen Teil der Stadtgeschichte und einen Teil der Erinnerung an diesen Krieg aus dem öffentlichen Raum entfernen, und das halte ich für falsch. Die Geschichte kann man nicht umschreiben. Diese Denkmäler erinnern an das, was passiert ist. Wenn man sie kontextualisiert, zum Beispiel durch eine genauere Beschreibung, wäre das eine passende Lösung."

Was wird aus dem Deutsch-Russischen Museum?

Vor dem Gebäude des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst hingen bis zum 24. Februar die ukrainische, russische, belarussische und deutsche Fahne. Jetzt hängt dort nur noch die ukrainische.

"Viele Menschen glauben, dass wir jetzt die Leistung der Roten Armee und die Rolle der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg vergessen machen wollen, indem wir jetzt nur die ukrainische Fahne aufziehen. Das stimmt alles nicht. Das ist ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. Vorher haben wir die Fahnen aufgezogen, weil es die Nationalitäten sind, die hier zusammenarbeiten", betonte Museumsdirektor Jörg Morré im DW-Gespräch.

Museum Berlin-Karlshorst mit ukrainischer Fahne vor dem GebäudeBild: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance

In dem Gebäude, das heute ein Museum ist, war am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation Deutschlands unterzeichnet worden. Gegründet wurde das Museum 1994 gemeinsam von der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation in der Rechtsform eines Vereins, dem 1997/98 die nationalen Weltkriegs-Museen der Ukraine und von Belarus als Mitglieder beitraten. Nach einer Umgestaltung war das Museum in Karlshorst im Mai 1995 als Deutsch-Russisches Museum wiedereröffnet worden.

Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine beschloss die Museumsleitung, in Zukunft den im Vereinsregister eingetragenen Namen "Museum Berlin-Karlshorst" zu verwenden, weil es an alle sowjetischen Opfer des deutschen Vernichtungskrieges, unabhängig von deren Nationalität, erinnern soll. "Die Russische Föderation versucht den sowjetischen Sieg zu nationalisieren, zu monopolisieren, und in manchen Fällen wird jeder kooperative Ansatz instrumentalisiert. Im Augenblick hilft uns nur eine Distanz. Hier helfen nur sehr eindeutige Zeichen", sagte Museumsdirektor Jörg Morré.

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