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Iran-Protest: Mit Social Media gegen das Regime

Manasi Gopalakrishnan | Niloofar Gholami
30. November 2022

Im Iran nutzen Demonstrierende die sozialen Medien, um sich zu informieren und zu organisieren. Doch auch die Regierung mischt mit und verbreitet Desinformationen.

Eine Frau geht über einen Parkplatz, sie hält ein Handy in der Hand und trägt einen weinroten Schal
Schon 2019, als diese Frau mit ihrem Smartphone einen Parkplatz in Isfahan überquerte, kontrollierte das iranische Regime die sozialen Netzwerke im LandBild: Ralf Gerard/Joker/imago images

Der Iran wird seit mehreren Wochen von Protesten erschüttert: Im September wurde die 22-jährige kurdische Iranerin  Jina Mahsa Amini verhaftet, weil sie den Hidschab nicht so trug, wie es die strengen Kleidervorschriften für Frauen vorschreiben. Kurz darauf starb Amini in Polizeigewahrsam. Ihr Tod veranlasste zehntausende Iranerinnen und Iraner dazu, auf die Straße zu gehen und gegen die frauenfeindliche und repressive Politik des Regimes zu protestieren und mehr Demokratie und Menschenrechte einzufordern.

Dabei spielen die sozialen Medien eine wichtige Rolle: In den letzten Wochen wurden dort zahlreiche Bilder von Frauen gepostet, die ihre Kopftücher verbrannten sowie Bilder von Demonstrierenden, die von iranischen Sicherheitskräften geschlagen und getötet wurden. Soziale Netzwerke waren bereits in der Vergangenheit die erste Anlaufstelle für den Teil der iranischen Bevölkerung, der auf der Suche nach unabhängigen Informationen war. Mit den aktuellen Protesten hat die Bedeutung der sozialen Medien weiter zugenommen.

Unter der Kontrolle Ajatollah Chameneis

Laut den Zahlen der Datenwebsite Globalstats für Oktober 2022 nutzen fast 27 Prozent der iranischen Bevölkerung Pinterest, gefolgt von Instagram (17 Prozent), Reddit (13,3 Prozent) und Twitter (10,4 Prozent). Telegram sei auch bei der iranischen Jugend sehr beliebt, mit mehr als 40 Millionen Nutzerinnen und Nutzern im Land, sagte Telegram-Gründer Pavel Durov. Das ist fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes: 90 Millionen Menschen leben im Iran.

Instagram und Whatsapp waren bis September sehr beliebt, bis die Regierung den Zugang zu diesen Plattformen einschränkte. Im Jahr 2021 haben 89 Prozent der Bevölkerung Instagram genutzt.

Das Regime in Teheran habe die vollständige Kontrolle über die gesamte Kommunikation im Land, seien es Nachrichten, das Internet oder die sozialen Medien, sagt Mahdi Saremifar, ein Wissenschafts- und Technikjournalist aus Regina in Kanada.

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05:13

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"Die Mobilfunknetze und Internetanbieter werden von privaten Unternehmen betrieben, die von Ajatollah Chamenei über ein komplexes Netz von Handels- und Investmentgesellschaften und letztlich vier Wirtschaftsinstitutionen kontrolliert werden: die Mostazafan-Stiftung, Astan Quds Razavi, Khatam al-Anbiya Construction Headquarters und Execution of Imam Khomeini's Order (EIKO)", erklärt er.

Die Menschen im Iran sind daher auf soziale Medien angewiesen, um unabhängige Nachrichten zu erhalten. Sie greifen über virtuelle private Netzwerke (VPNs) auf das Internet zu, um die Zensur des Regimes zu umgehen. Teherans hartes Vorgehen gegen die Demonstrierenden, zu dem auch Verhaftungen, Folter und Todesstrafen gehören, habe die öffentliche Meinung nur noch weiter angeheizt, sagt Saremifar.

Infolgedessen hätten die sozialen Medien in dem Land zwei wichtige Funktionen übernommen, fügt der Journalist hinzu. Die erste bestehe darin, die Menschen darüber zu informieren, was wirklich vor sich geht, und Ereignisse, zum Beispiel für Menschenrechtsorganisationen, zu dokumentieren. Die zweite Funktion bestehe darin, die täglichen Proteste zu organisieren.

Nutzung sozialer Medien im Iran

Auch der im Iran lebende Social-Media-Nutzer Kamran bestätigt, dass das Web der beste Weg sei, um sich über "die Verbrechen der Islamischen Republik" auszutauschen. Soziale Netzwerke würden den Menschen helfen, mehr Informationen über die Proteste zu erhalten.

Shirin, die ebenfalls im Iran lebt, nutzt Instagram seit 2013 und sagt, das Netzwerk helfe ihr, mit ihren Freunden in Kontakt zu bleiben. "Es ist eine schnelle und einfache Möglichkeit, meine Meinung zu verbreiten. Wenn ich meine Inhalte teile und positives Feedback erhalte, motiviert mich das, noch mehr zu teilen. Außerdem hilft es mir, andere Ansichten kennenzulernen und meine Meinung zu ändern. Ich lerne, über die sozialen Medien effektiver zu kommunizieren", so Shirin.

Auch Shirin ist von dem Verbot mehrerer Websites betroffen; sie sagt, dass sie zwar auf ihre Konten zugreifen könne, die Verbindung aber sehr langsam sei und die Websites nicht richtig geladen würden. "Ich verliere die Geduld schon kurz nachdem ich sie geöffnet habe", klagt sie.

Der Zugang zu den sozialen Netzwerken schafft jedoch eine Reihe neuer Probleme. "Meistens bin ich frustriert, weil viele Antworten verurteilen und voller Gewalt sind. Die Menschen behandeln sich gegenseitig genauso wie das Regime der Islamischen Republik die Menschen behandelt - wie Diktatoren, nur in einem kleineren, zwischenmenschlichen Rahmen", sagt Shirin. Wenn sie zum Beispiel ihre feministischen Ansichten zu einem bestimmten Thema poste, werde sie von männlichen Nutzern herausgefordert und beschimpft, was dazu führe, dass sie sich selbst zensiere und manches nicht mehr verbreite.

Aktivismus außerhalb des Irans

Während die iranische Bevölkerung mit einem langsamen Internet und eingeschränktem Zugang zu unabhängigen Nachrichten zu kämpfen hat, versuchen Aktivistinnen und Aktivisten außerhalb des Irans mit Hilfe der sozialen Medien der Welt zu zeigen, was gerade im Land vor sich geht.

Die in Toronto lebende Azam Jangravi erhielt kürzlich Zugang zum Instagram-Konto der bekannten deutschen Fernsehmoderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, damit sie ihre Botschaft an die zwei Millionen Follower der deutschen Journalisten weitergeben konnte. Jangravi sagt, dies habe ihr geholfen, ein größeres internationales Publikum zu erreichen. "Die Nutzung solcher Plattformen hat ein sehr großes Potenzial. Sie kann das Bewusstsein für die Geschehnisse im Iran schärfen, insbesondere für die Bemühungen iranischer Frauen, die sich gegen Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen wehren", so Jangravi.

Angesichts der jüngsten Proteste spielen die sozialen Medien eine immer größere Rolle, fügt Jangravi hinzu und erklärt, dass die Nachrichten über die Situation im Iran die Welt fast ausschließlich über soziale Netzwerke, Bürgerjournalismus und Online-Aktivistinnen und -Aktivisten erreichen würden. "Wir können beobachten, dass Journalistinnen und Journalisten und Nachrichtenagenturen häufig soziale Medien nutzen, um Informationen zu sammeln, insbesondere an Orten, an denen eine physische Präsenz unmöglich oder gefährlich ist."

Das iranische Regime verbreitet Falschmeldungen

Doch die sozialen Medien haben auch ihre Nachteile: Die Regierung in Teheran soll über soziale Netzwerke Desinformationen verbreitet haben. Kürzlich wurde beispielsweise die Nachricht, dass 15.000 Demonstrierende zum Tode verurteilt worden seien, in den sozialen Netzwerken verbreitet. Doch nach genauer Prüfung stellte sich heraus, dass fünf und nicht 15.000 Menschen zum Tode verurteilt worden waren.

Dennoch ist Jangravi der Meinung, dass die sozialen Netzwerke eine wichtige Rolle für jene Aktivistinnen und Aktivisten spielen, die sich gegen das Regime stellen. "Wir dürfen nicht vergessen, dass das Propagandasystem der Islamischen Republik mächtig ist und Zugang zu umfangreichen Ressourcen hat, während politische Aktivisten meist auf ihre eigenen Kapazitäten angewiesen sind."

Aus dem Englischen adaptiert von Christine Lehnen

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