Spenden für die kleine Sache
27. Juni 2012Karen Klein wurde gemobbt, und deshalb ist sie nun reich. Die 68-jährige US-Amerikanerin arbeitet als Busbegleiterin. Auf einer ihrer Fahrten musste sie sich von Schülern wüste Beschimpfungen gefallen lassen. Die Pennäler triezten Klein so lange wegen ihres Körpergewichts und ihrer Brille, dass sie in Tränen ausbrach. Einer der Schüler hielt die Szene mit seiner Kamera fest und postete das Video auf facebook.
Spenden für das Einzelschicksal
Von dort aus ging das Mobbing-Video den typischen Weg eines echten Netz-Aufregers: Von facebook zu youtube, dort Millionen Mal geklickt und dann ab in die vernetzten Nachrichtensendungen dieser Welt. Diesmal gab es jedoch eine Besonderheit: Auf der Crowdfunding-Plattform indiegogo.com startete ein User einen Spendenaufruf für Klein. 5000 Dollar sollten zusammen kommen, damit sich die Busbegleiterin einen Urlaub leisten kann. Nach nur einer Woche sind es nun schon 650.000 Dollar.
Solche spontanen Spendenraufrufe für Einzelpersonen sind gar nicht mehr so selten. Auf indigogo.com bitten beispielsweise auch Angehörige eines gefallenen US-Soldaten um Spenden für ein Denkmal in seiner Heimatstadt Leesburg, Georgia. Die Tante eines leukämiekranken Jungen aus New York ruft zur finanziellen Unterstützung der Familie auf, weil sie sich die Transportkosten zum weit entfernten Krankenhaus nicht leisten kann. Ein anderer User aus Pennsylvania bittet um Geld, damit elf Kinder sozial schwacher Familien an einem Ferienlager auf einem Bauerhof teilnehmen können.
Kleinvieh macht auch Mist
Crowdfunding bedeutet Finanzierung durch die Masse. Statt bei einem mies gelaunten Banker einen Kredit zu beantragen, bitten Menschen mit einer Idee andere Internetnutzer um finanzielle Unterstützung. Dabei geht es um kleine Summen - wenn 1 000 Menschen einen oder zwei Euro spenden, kommt schon eine Menge zusammen, nach dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist. Bislang wurden so vor allem Filme oder Musikalben finanziert. Das bekannteste deutsche Crowfunding-Projekt der letzten Zeit ist der Kinofilm "Stromberg", basierend auf der gleichnamigen Fernsehserie. Innerhalb weniger Tage hatten Fans eine Millionen Euro investiert, damit die Macher die Serie auf die große Leinwand bringen können. Das war Ende 2011, auf einen fertigen Film warten die vielen Investoren aber noch.
Für die Finanzierung solcher Projekte gibt es im Netz spezielle Internetseiten, sogenannte Crowdfunding-Plattformen. Kickstarter.com ging 2008 an den Start und war die erste erfolgreiche Seite in diesem Bereich. In den folgenden Jahren kamen einige Nachahmer wie indiegogo.com oder rockethub.com hinzu. Diese fügten zu den üblichen Kategorien wie "Musik" und "Film" auch "Gesundheit" oder "Gemeinnützigkeit" hinzu.
Personalisierte Spendenaufrufe
GiveForward.com ist die erste Webseite, die sich allein auf Spenden im Gesundheitsbereich spezialisiert hat. Hier kann jeder einen Spendenaufruf für Familieangehörige oder Freunde starten. Mit Fotos und Biographien werden Internetnutzer zu Geldspenden für Operationen, Medikamente oder Therapien aufgerufen. In ihrer kurzen Geschichte hat GiveForward.com bereits mehr als 16 Millionen Dollar Spenden gesammelt. Durch soziale Netzwerke lassen sich die Spendenaufrufe schnell und einfach verbreiten.
In einem Blog mit dem Titel "Erfolgsstorys" stellt GiveForward.com Patienten vor, deren teilweise lebensrettende Behandlungen durch Internet-Fundraiser finanziert wurden. Durch das Crowdfunding wirkt das Spenden persönlich: Schaut her, so sieht der Patient aus und das sind seine Hobbys. Der Spender meint denjenigen ein wenig zu kennen, doch genau hier liegt die Gefahr, warnen Experten wie Burkhart Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen. Sein Institut prüft regelmäßig die Seriosität deutscher Spendenorganisationen und vergibt ein Spenden-Siegel. "Nur dann, wenn ich einer Person im realen Leben 20 Euro in die Hand drücken würde, weil ich ihr vertraue, sollte ich das auch im Internet tun", erklärt Wilke. Das nötige Vertrauen, das es für eine durchdachte Spende brauche, könne man über die Crowdfunding-Seiten aber kaum aufbauen, meint er.
Kein Vertrauen ohne Transparenz
Einige der Seiten lassen die Glaubwürdigkeit von Spendenaufrufen prüfen, außerdem können User verdächtige Aufrufe melden. Doch nach welchen Kriterien diese Prüfung geschieht, ist oft nicht ersichtlich. Auch das Geschäftsmodell der Plattformen ist nicht immer transparent. "Es sollte aus unserer Sicht für den Nutzer genau zu erkennen sein, wie viel eine Plattform an jeder Spende verdient und ob sie gemeinnützig oder kommerziell ist", erläutert er. "Das ist in den meisten Fällen auf den ersten Blick nicht möglich." Tatsächlich berechnet beispielsweise GiveForward.com eine Gebühr von bis zu zehn Prozent jedes gesammelten Betrags. Bis der User den entsprechenden Hinweis findet, muss er schon ein paar Mal auf der Seite herumklicken.
Bei aller gebotenen Vorsicht zeigt der wachsende Erfolg der Crowdfunding-Plattformen aber eins: Die Spender möchten den Menschen, an den ihr Geld geht, gerne kennen. Und das wird hier bedient.