Widerspruchslösung, Erinnerung beim Behördengang oder Status-Quo? Die Bereitschaft zur lebensrettenden Organspende soll in der Bevölkerung steigen. Über den richtigen Weg hat im Bundestag eine offene Debatte begonnen.
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In der Bundestagsdebatte über eine mögliche Neuregelung bei der Organspende hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für neue Organspende-Regeln geworben. Er ist für die Einführung einer Widerspruchslösung. Demnach ist jeder Mensch potenzieller Organspender, wenn er dem zu Lebzeiten nicht widerspricht oder dessen Angehörige dies nach dem Tod ablehnen.
Angesichts von mehr als zehntausend wartenden Empfängern sei es nicht zu viel verlangt, ein Nein zur Organspende aussprechen zu müssen, sagte er im Bundestag. Er habe sich selbst erst nach langem Nachdenken für die Einführung einer Widerspruchslösung ausgesprochen, räumte der Minister ein. Wenn eine solche Regelung eingeführt werde, sollten alle Bürger angeschrieben werden, um ihnen Informationen zur Organspende zukommen zu lassen, so Spahn. "Das einzige Recht, das damit beschnitten würde, wäre das Recht, sich keine Gedanken zu machen."
Missachtung des Selbstbestimmungsrechts
Spahn erhielt in der ohne Fraktionszwang geführten Debatte Zuspruch quer durch alle Parteien, etwa von dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und der stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion, Petra Sitte. Er erntete aber auch Kritik: Zahlreiche Abgeordnete machten massive Bedenken gegen eine solche Umstellung deutlich. Die Widerspruchslösung missachte das Selbstbestimmungsrecht der Bürger und verkehre die freie Entscheidung zugunsten einer Spende ins Gegenteil, sagte die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus.
Die Parteivorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und der Linken, Katja Kipping, schlugen eine verbindliche und wiederkehrende Abfrage vor. Wann immer Bürgerinnen und Bürger Ausweispapiere beantragen, sollten sie sich auch zu ihrer Organspendebereitschaft äußern müssen. Dabei müssten ein Ja, ein Nein und ein Aufschub der Entscheidung gleichermaßen möglich sein. Baerbock sagte, sie befürchte, wenn man Menschen durch eine Widerspruchslösung aktiv zwinge, Nein zu sagen, werde die Spendenbereitschaft zurückgehen. Dabei seien über 80 Prozent der Menschen grundsätzlich bereit, ein Organ zu spenden. Aber nur knapp 40 Prozent hätten sich bewusst dazu entschieden. Es sei die Aufgabe des Gesetzgebers, diese Lücke zu schließen.
Vertrauen in Kliniken wecken
Einig waren sich alle Redner und Rednerinnen, dass etwas getan werden muss, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen und dass das von der Regierungskoalition vorgelegte Gesetz zur Verbesserungen der Organisation und Abläufe in den Kliniken ein erster Schritt sei. Länder wie Spanien zeigten, dass es entscheidend auf funktionsfähige Strukturen ankomme, erklärte die Grünen-Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther, die sich für eine weiterhin freiwillige Entscheidung zur Organspende starkmachte.
Bisher sind Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt. Die Zahl der Organspender hatte im vergangenen Jahr den Tiefpunkt von 797 erreicht. Für dieses Jahr zeichnet sich aber erstmals wieder ein Anstieg ab. Bis Mitte November registrierte die Deutsche Stiftung Organtransplantation bereits 832 Spender.
sam/stu (afp, dpa, epd)
Vor 50 Jahren: Die erste Herztransplantation in Deutschland
Am 13. Februar 1969 transplantierte der erste Arzt in Deutschland ein menschliches Herz. Bereits zwei Jahre zuvor hatte ein südafrikanischer Spezialist die weltweit erste Herztransplantation durchgeführt.
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Eine Meisterleistung der Medizin
Am 13. Februar 1969 transplantierte der Münchener Herzspezialist Rudolf Zenker erstmals ein Spenderherz in Deutschland. Die Transplantation war leider nicht erfolgreich. Nach nur 27 Stunden starb der Patient. Dennoch war die Methode auch in Deutschland nicht mehr aufzuhalten. Heute transplantieren Ärzte in Deutschland jährlich etwa 300 Herzen, so wie auf diesem Bild.
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Eine medizinische Sensation
Zwei Jahre davor: Der südafrikanische Chirurg Christiaan Barnard führte weltweit die erste Herztransplantation durch und schrieb Medizingeschichte. Sein Patient war der 54-jährige Louis Washkansky. Bei der Operation im Groote Schuur Hospital in Kapstadt erhielt er das Herz einer jungen Frau, die bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Er selbst starb 18 Tage später an einer Lungenentzündung.
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Ein eingespieltes Team
Fünf Stunden dauerte die Transplantation. 31 Ärzte waren daran beteiligt, darunter auch Christiaan Barnards Bruder Marius. Er erlangte allerdings bei weitem nicht eine so große Bekanntheit, genauso wenig wie die Spenderin, die 25-jährige Denise Ann Darvall. Für die Feststellung ihres Todes war die Diagnose Hirntod ausschlaggebend. Die Einwilligung zur Entnahme ihres Herzens gab ihr Vater.
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Eine wahre Flut von Herztransplantationen
Am 2. Januar 1968 nahm Barnard zum zweiten Mal eine Herztransplantation vor. Philip Blaiberg lebte 18 Monate lang mit dem fremden Herzen. Es folgten weltweit etwa 100 Operationen. Die New York Times beschrieb es als "Epidemie von Herztransplantationen". Aber es kam oft zu Abstoßungsreaktionen oder zu lebensgefährlichen Infektionen.
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Nicht nur Ruhm und Ehre
Kritiker an Barnard und der ersten Herztransplantation waren schnell zur Stelle. Die Operationstechnik hatte sich Barnard bei Kollegen in den USA abgeschaut, wo er bei Hunderten von Eingriffen an Hunden assistiert hatte. Dass der damals 45-jährige einen solchen Eingriff an einem Menschen durchführte, hielten viele seiner Kollegen vor allem in den USA für fahrlässig und auch für eine Frechheit.
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Von jetzt auf gleich berühmt
Geboren wurde der bekannteste Chirurg der Welt am 8. November 1922 im südafrikanischen Beaufort West als Sohn eines protestantischen Missionars. Sein Weg führte ihn über seine Stellung als Assistenzarzt, praktischer Arzt und Internist in einem Infektionskrankenhaus hin zur Chirurgie. Mit der ersten Herzverpflanzung trat er ins Licht der Öffentlichkeit und wurde auf der ganzen Welt bekannt.
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Zwischen Papst, Mandela und der Gräfin von Monaco
Barnard trat im Fernsehen auf, nahm an Gesprächsrunden teil, war ein gern gesehener Gast bei Empfängen und Festen und auf Du und Du mit den wichtigen Persönlichkeiten dieser Zeit. Gräfin Gracia Patricia von Monaco gehörte dazu wie hier beim Tanzen. Ein Besuch bei Papst Paul VI. durfte da nicht fehlen. Die Mächtigen der Welt schmückten sich mit seiner Anwesenheit.
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Guiness-Buch der Rekorde
An zweiter Stelle hinter Nelson Mandela wurde Barnard auf Platz Zwei der berühmtesten Menschen der Welt gewählt. Damit aber nicht genug: Er landete auch im Guinness-Buch der Rekorde. Es war seine Wirkung auf Frauen, die ihm den Eintritt in dieses Werk verschaffte, denn er bekam mehr als 200 Fan-Briefe pro Tag. Auch die weltbekannte Gina Lollobrigida gehörte zu seinen Verehrerinnen.
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Chirurg mit Charme
Eine jugendliche Ausstrahlung wurde Barnard immer wieder gerne bescheinigt. Dreimal war der Charmeur par excellence verheiratet: 1948 gab er Aletta Gertruida Louw das Jawort. Scheidung: 1970. Im selben Jahr heiratete der damals 48-jährige die 18-jährige Barbara Maria Zoellner. Scheidung: 1982. Karin Setzkorn wurde 1988 Ehefrau Nummer Drei. Insgesamt hatte Bernard sechs Kinder.
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Das "Aus" als Chirurg
Im Alter von 61 Jahren erkrankte Barnard an Arthritis. Sie betraf vor allem seine Hände, so dass der berühmteste Herzchirurg der Welt nicht mehr operieren konnte. Seitdem beschäftigte er sich unter anderem mit der Erforschung von Alterungsprozessen und verfasste Bücher wie "Mit Arthritis leben" – Ein Handbuch für alle Arthritis-Kranken.
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Tod am Pool
Christiaan Barnard starb am 2. September 2001, im Alter von 78 Jahren auf Zypern. Als Todesursache wurde zunächst ein Herzinfarkt vermutet. Später hieß es, es sei ein Asthmaanfall gewesen. Zeitlebens hatte sich der weltberühmte Herzchirurg an die Regel behalten: Sport treiben, täglich ein bis zwei Gläser Rotwein trinken, viel Olivenöl und Sex. Bestattet wurde er in Beaufort West.
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Aus einer Sensation wird Routine
Barnard hinterließ der Medizin ein wichtiges Erbe. Zwar dauerte es einige Jahre und es gab viele Rückschläge. Aber inzwischen wurden Herztransplantationen zu einem sicheren Behandlungsverfahren weiterentwickelt und sind heute fest etabliert. Allerdings mangelt es nach wie vor an Spenderorganen.