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Politik

Spahn will die "Schwächsten als erste" impfen

18. Dezember 2020

Direkt nach Weihnachten will Deutschland mit dem Impfen gegen das Corona-Virus beginnen. Der Impfstoff der Firmen BioNTech und Pfizer steht aber zunächst nur in geringen Mengen parat. Wer wird zuerst geimpft?

Berlin | Pressekonferenz: Jens Spahn
Bild: Hannibal Hanschke/REUTERS

Menschen über 80 Jahre, Bewohner von Pflegeeinrichtungen und deren Pfleger sowie Intensivmediziner, die auf den Corona-Stationen in den Krankenhäusern arbeiten: Diese Gruppe wird wahrscheinlich vom 27. Dezember an als erste gegen das Corona-Virus geimpft. Das teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag auf seiner mit Spannung erwarteten Pressekonferenz mit, bei der er die neue Corona-Verordnung seines Hauses vorstellte. Und er hielt sich gar nicht lange damit auf, wann genau andere Gruppen, Polizisten etwa, oder Lehrer und Hausärzte in ihren Praxen, in den Genuss der Impfung kommen. Das werde man im nächsten Jahr klären, Zug um Zug, betonte Spahn mehrmals: "In England sagt man so schön: Don't call us, we call you", so Spahn. Nicht anrufen, wir melden uns, heißt das übersetzt.

Spahn genervt von der Debatte der letzten Tage

Wie sehr Spahn von der tagelangen, hitzigen Debatte um die Impfreihenfolge genervt ist, zeigte sich, als er gefragt wurde, was er von der Kritik des Präsidenten der Deutschen Ärztekammer, Klaus Reinhardt, an der Reihenfolge halte. Reinhard hatte gefordert, dass auch Praxisärzte schnell geimpft werden müssten. Und er hatte eine mangelnde Wertschätzung dieser Gruppe durch die Regierung beklagt. "Beim Impfen geht es nicht um Wertschätzung", fertigte Spahn den Ärztepräsidenten ab. Es gehe in der ersten Phase darum, mit der Impfung konkret Leben zu retten, das ansonsten stark bedroht sei. In Pflegeheimen schlage das Virus stets besonders heftig zu, ein Großteil der Todesfälle werde aus solchen Einrichtungen gemeldet. Demenzkranke etwa in den Heimen könnten sich kaum so gut gegen das Virus schützen wie die Allgemeinheit: "Wenn eine Berufsgruppe Verständnis dafür hat, dann doch die Ärztinnen und Ärzte."

Impfstoff ist zunächst knapp

Damit ist der Streit um die Frage, wer wann in welcher Reihenfolge geimpft werden kann, quasi auf den Frühling verschoben. Denn auch wenn bald ein Impfstoff vorliegt, zunächst der der Firmen BioNTech und Pfizer, reichen die Mengen bei weitem nicht, um die gesamte Bevölkerung schnell zu versorgen. Zumal der Impfstoff zweimal verabreicht werden muss, im Abstand von etwa drei Wochen. Für die rund 80 Millionen Einwohner in Deutschland wären also 160 Millionen Dosen erforderlich. Spahn bestätigte am Freitag noch einmal, dass in den ersten drei Monaten des nächsten Jahres nur maximal 13 Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Allerdings hofft die Regierung, dass auch die Produkte anderer Anbieter jetzt schnell zugelassen werden und sich die Menge dadurch erhöht.

"Das Impfen ist der Weg aus der Pandemie!"

Der Minister war sichtlich bemüht, trotz der erneut schockierend hohen Zahl an Neu-Infektionen in Deutschland so etwas wie Optimismus  zu verbreiten. "Das Impfen ist der Weg aus dieser Pandemie", unterstrich Spahn. "Wir haben jetzt einen Impfstoff so schnell wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte, mit so vielen freiwilligen Probanden wie selten ein Impfstoff zuvor. Ich bitte auch darum, dass wir das gemeinsam als Zeichen der Zuversicht nehmen."

Der Impfstoff von Biontech und Pfizer verspricht einen Weg aus der PandemieBild: Chris Jackson/APF/Getty Images

Bei aller Zuversicht wird der Impfstart aber wohl doch ein holpriger. Immer mehr Experten melden sich mit Kritik an Details. So sagte etwa Herbert Mauel, Geschäftsführer des "Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste" (bpa) der Zeitung "Welt": "Im Heim leben sehr viele Menschen, die die notwendige Einwilligung nicht selber geben können. Wer sich mit Einrichtungen für alte Menschen nur ein wenig auskennt, sieht das sofort." Dass dort aber zuerst geimpft wird, findet auch Mauel nicht falsch. Kritik kam auch von der "Deutschen Stiftung Patientenschutz". Deren Vorsitzender Eugen Brysch sagte am Freitag, pflegende Angehörige müssten auf die selbe Stufe gesetzt werden wie die Pflegebedürftigen selbst: "Das macht auch praktisch Sinn, denn in der Regel bringen die pflegenden Angehörigen die hochbetagten Menschen zu den Impfzentren."

Vier Gruppen statt sechs

Wenn auch ein Großteil der Deutschen also noch Geduld aufbringen muss: Eine Art Prioritätenliste, wer wann geimpft wird, gibt es schon, und die weicht leicht ab von den Empfehlungen der "Ständigen Impfkommission" (Stiko), einer Expertengruppe, die die Regierung berät. Die hatte vorgeschlagen, die Bevölkerung in sechs Gruppen aufzuteilen, in Spahns Verordnung gibt es nun nur vier Gruppen. Das habe rein praktische Gründe, so der Minister, inhaltlich sei er den Stiko-Empfehlungen "zu 99 Prozent gefolgt." Sind die Bewohner der Altenheime, ihre Pfleger und die Intensivärzte geimpft, kommen in der zweiten Gruppe die Menschen an die Reihe, die über 70 Jahre alt sind, dazu etwa auch die Bewohner von Obdachlosen-und Asylbewerberheimen. In der dritten Gruppe finden sich dann Erzieher und Lehrer und die "Mitarbeiter in besonders relevanter Position in staatlichen Einrichtungen", also auch die Regierung selbst. Und die letzte Gruppe umfasst dann alle anderen Bürger. Diese werden also noch lange auf eine mögliche Impfung warten müssen. Das Impfen bleibt freiwillig, das betonte Spahn noch einmal. Nach Umfragen ist nur eine knappe Mehrheit der Deutschen ganz sicher, dass sie sich auch impfen lassen will. 

Eine kanadische Patientin wird gegen Corona geimpftBild: Adrian Wyld/REUTERS

..und im Ausland?

Während Deutschland also kurz nach Weihnachten mit dem Impfen beginnt, sind andere Länder schon gestartet. Mit einer Notverordnung hat etwa China Hundertausende von Bürgern mit eigenen Produkten versorgt, ohne alle Schritte der eigentlich erforderlichen Zulassung abzuwarten. In den USA wird der Impfstoff der deutschen Firma BioNTech und ihres US-Partners Pfizer ebenfalls schon eingesetzt, das gleiche in Kanada. Auch in Großbritannien werden zunächst Menschen geimpft, die älter als 80 sind, sowie das medizinische Personal. Die Impfungen dort haben bereits begonnen. Frankreich wird wohl am Jahresanfang beginnen, auch dort sollen die Bewohner von Altenheimen zuerst an die Reihe kommen. In der EU werden insgesamt 300 Millionen Dosen von BioNTech und Pfizer eingesetzt, allein 100 Millionen davon in Deutschland.

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