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Politik

Spanien geht tief gespalten in die Wahl

26. April 2019

Einen Monat vor der Europawahl bestimmen die Spanier am Sonntag ein neues Parlament. Die Sozialisten liegen vorne, aber ob es zur Regierungsbildung reicht, ist ungewiss. Bernd Riegert berichtet.

Spanien Wahlen l Hauptkandidaten für die Parlamentswahlen in einer TV-Debatte
Casado, Iglesias, Rivera, Sanchez: Vier junge dynamische Herren in der TV-DebatteBild: Getty Images/AFP/J. Soriano

Vier Männer stritten sich in der zweiten Fernsehdebatte zur spanischen Wahl in dieser Woche heftig mit persönlichen Angriffen über Frauen- und Genderpolitik. Die Herren, allesamt Vorsitzende ihrer Parteien, setzen sich in unterschiedlichen Nuancen gegen Gewalt gegen Frauen, gleiche Bezahlung und mehr Chancengleichheit ein. Keine der Parteien hat eine Frau als Spitzenkandidatin zu präsentieren, dabei hängt das Wahlergebnis vielleicht entscheidend von den Stimmen der Spanierinnen ab. 60 Prozent, so einige Wahlforscher, waren auch Tage vor der Abstimmung, die an diesem Sonntag stattfindet, noch unentschieden. Bei der Fernsehdebatte waren Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez von den Sozialisten, Pablo Casado von der konservativen Volkspartei, Pablo Iglesias von der linken "Unidas Podemos" und der liberale Albert Rivera von den "Ciudadanos" bemüht, ihre Botschaften unterzubringen. Auffällig ist auch das relativ junge Alter der Kandidaten. Mit 47 Jahren ist der sozialistische Ministerpräsident Sanchez schon der Methusalem in der Runde. Die anderen Herren sind zwischen 38 und 40 Jahren alt. Es kämpft also eine komplett neue Generation um die Macht in Spanien.

"Nation" als Wahlkampfschlager

Bei keiner Fernsehdebatte dabei war der Chef der rechtspopulistischen Partei "Vox", Santiago Abascal Conde, der auch erst 43 Jahre alt ist. Seine Partei, eine Abspaltung von der konservativen Volkspartei, ist bisher nicht im nationalen Parlament vertreten und wurde deshalb nicht zum TV-Duell geladen. Abascal hielt parallel zur Fernsehrunde in Sevilla eine Kundgebung ab und beschwerte sich über die "Diktatur der liberalen Medien" und der "Progressiven" in der Politik. Er versprach seinen jubelnden Anhängern eine "Rückeroberung", eine Rückbesinnung auf die spanische Nation und ein Ende der Einwanderung. Auch "übertriebene Frauenrechte" oder eine überbordende schwule Kultur in Spanien lehnt der Kandidat der Rechtspopulisten, der den ungarischen Premier Viktor Orban als sein Vorbild nennt, ab. Die Separatisten in der Region Katalonien müssten hart angefasst werden, fordert Santiago Abascal. Er fordert ein starkes zentral regiertes "spanisches Vaterland", in dem man wieder ruhig schlafen könne. Regionalparlamente will er abschaffen.

Rechtspopulisten spielen Schlüsselrolle bei Wahl in Spanien

04:58

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Katalonien spaltet Spanien

Vor allem der Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen in der nordöstlichen Provinz Katalonien hat der rechten "Vox" Rückenwind gegeben. Nach Umfragen könnte sie am Sonntag elf Prozent erreichen. Über Spanien schwappt eine Welle des Nationalismus hinweg, glaubt der Politikwissenschaftler Jose Ignacio Torreblanca vom "European Council on Foreign Affairs", einer Denkfabrik in Madrid. "Dahinter stecken Stolz und Gefühl, mehr als rationale Überlegungen. Denn praktisch hat die Politik, die Vox vorschlägt, keinen Sinn. Sie ist ein Sammelsurium, aber die Wähler kümmert das wenig. Wenn sie zu Vox gehen, folgen sie Gefühlen."

Die Krise rund um Katalonien hat seit dem Unabhängigkeitsreferendum 2017 und der folgenden zentralen Verwaltung durch Madrid zu einer tiefen Spaltung zwischen dem linken und rechten Lager geführt, die aber beide für sich genommen keine Mehrheit erwarten können, wenn die Umfragen stimmen. "Die Sozialisten haben eine eher nachsichtige Politik für Katalonien betrieben. Die Konservativen werben mehr für eine harte Haltung", meint PolitikwissenschaftlerJose Ignacio Torreblanca. "Bei der Wahl geht es also darum, ob man die Regierung in Katalonien stärkt, um Wähler, die für eine Abspaltung sind, zurückzugewinnen. Oder es geht darum, die zentrale Kontrolle zu verstärken und die Separatisten in Katalonien dafür zu bestrafen, dass sie ein illegales Referendum abgehalten haben."

Entsorgen? Oder wiederwählen? Premier Sanchez wirbt am Müllcontainer mit "Mach' es möglich!"Bild: picture-alliance/AP Photo/P. White

Links und rechts blockieren sich

Die Katalonien-Frage wird laut Wahlforschern die Wahl entscheiden, nicht etwa die nach wie vor nicht überwundene Wirtschaftskrise. Spanien hatte 2009 bis 2013 eine Banken- und Immobilienkrise erlebt. Die Wirtschaft wächst zwar wieder, aber die Arbeitslosigkeit liegt mit 13,9 Prozent noch weit über dem EU-Durchschnitt. Die Regionalparteien aus Katalonien könnten das Zünglein an der Waage werden, wenn es an die Regierungsbildung geht. Sozialist Sanchez hatte mit ihrer Hilfe per Misstrauensvotum den konservativen Ministerpräsidenten Rajoy gestürzt. Doch in diesem Frühjahr verweigerten die katalanischen Splitterparteien Sanchez die Zustimmung zum Haushalt, was wiederum zu den Neuwahlen am Sonntag führte. Der Chef der eher gemäßigten katalanischen Partei (ERC), Oriol Junqueras, sitzt in Madrid im Untersuchungs-Gefängnis, von wo aus er den Wahlkampf organisiert. Er ist wegen des Unabhängigkeitsreferendums angeklagt, würde aber wohl weiter mit den Sozialisten eine Koalition eingehen.

Der sozialistische Premier Pedro Sanchez würde mit der linken Podemos und den Katalanen zusammengehen. Der Chef der Volkspartei, die kräftig Stimmen an die Rechtspopulisten abgeben dürfte, würde mit ebendieser "Vox" und der eher liberalen "Bürgerpartei" koalieren. Ob eines der Lager eine Mehrheit erreichen kann, ist aber unklar. "Diese zwei Lager blockieren sich gegenseitig, weil sie eine Koalition in der Mitte ausschließen", meint der Politikwissenschaftler Torreblanca in Madrid im Gespräch mit der DW. Der liberale Chef der "Bürger", Albert Rivera, will auf keinen Fall mit dem Sozialisten Sanchez koalieren, dem er vorwirft, den spanischen Zentralstaat auflösen und verraten zu wollen.

Spanien: Mit dualer Ausbildung gegen Arbeitslosigkeit

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Europa kein Thema

Keine der Parteien hat die Europäische Union zum Thema gemacht. Opposition zu Brüssel spielt in Spanien keine Rolle. "Die Spanier sehen Europa nicht als Feind. Deshalb wollen sie auch keine Kontroverse um die europäische Integration. Insofern ist Spanien so etwas wie ein Insel im See von Euro-Skepsis und Europa-Phobie in anderen Ländern", meint Ignacio Torreblanca vom "European Council on Foreign Relations". Da alle Parteien aber Steuererleichterungen und höhere Ausgaben versprechen und keine die zu hohen Pensionslasten anspricht, könnten Spaniens Schulden demnächst wieder über das erträgliche Maß hinaus anwachsen. Noch liegt die Neuverschuldung bei 2,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Der zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici macht sich um Spanien noch keine Sorgen. "Wahlkampfversprechen kommentiere ich nicht", sagte Moscovici der Zeitung "El Pais". "Das spanische Wachstum ist robust." Bislang hätten sowohl die konservative als auch die sozialistische Regierung eine verantwortungsvolle Fiskalpolitik gezeigt. "Wenn das so bleibt, können wir Spanien nach zehn Jahren aus dem Haushaltsverfahren der EU-Kommission entlassen", versprach Moscovici drei Tage vor der Wahl.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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