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Politik

Rechtsruck könnte zum Patt führen

28. April 2019

Die Sozialisten werden bei der Parlamentswahl in Spanien wohl stärkste Kraft, aber es reicht nicht für eine stabile Regierung. Die Rechtspopulisten sammeln Proteststimmen ein. Aus Madrid Bernd Riegert.

Spanien Sevilla Wahlkampfauftritt von Santiago Abascal
Wahlkampf in Sevilla: Rechtspopulistischer Vox-Chef Abascal aus dem Nichts auf zehn Prozent oder mehrBild: Getty Images/AFP/C. Quicler

"Macht Spanien wieder groß!" Mit diesem beim US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump abgekupferten Spruch auf knallgrünen Plakaten machte die rechtspopulistische Partei Vox Wahlkampf, vor allem im Süden und in ländlichen Gebieten Spaniens.

Auf die Frage, wann Spanien denn groß war, antworteten viele Anhänger einer Vox-Versammlung in Valencia: "Spanien war schon immer groß." Andere glauben, dass Spanien vor 50 Jahren groß war, als der faschistische Diktator Francisco Franco das Land noch regierte. Er war bis 1975 an der Macht. Wieder andere knüpfen an die spanische Kolonialgeschichte an. Sie sehen Spaniens wahre Größe als Eroberer Lateinamerikas vor 500 Jahren. Deshalb hat sich der Anführer von Vox, Santiago Abascal, bei mancher Wahlversammlung spaßeshalber einen alten Rüstungshelm der Conquistadores auf den Kopf gesetzt.

"Wir wollen stolz sein auf Spanien und lassen uns das nicht verbieten", ist einer dieser Sätze, mit dem Parteichef Abascal die Menschen zum Jubeln bringt. Eine Rückkehr in die Franco-Ära lehnt er offiziell ab. Hinter vorgehaltener Hand sagen aber viele potentielle Wähler auf der rechten Seite, nicht alles sei unter dem Diktator schlecht gewesen. Nach nur 0,2 Prozent bei der vorangegangenen Wahl zum Abgeordnetenhaus 2016 kann Vox an diesem Sonntag landesweit mit über zehn Prozent rechnen.

Protest als Programm

Im Wahllokal im spanischen Erziehungsministerium in Madrid hat Alejandro am Sonntagvormittag seinen Stimmzettel in die Urne geworfen. Der junge Mann hat für die Rechtspopulisten votiert. Aus Protest, weil sich was ändern muss, sagt er vor dem Portal des Ministeriums.

Wähler Alejandro: Enttäuscht von den anderen Parteien in der Katalonien-FrageBild: DW/B. Riegert

"Wir müssen die Dinge jetzt richtig machen. Es kann nur ein einziges und einiges Spanien geben", sagt Alejandro und meint die Versuche der katalanischen Regierung, sich 2017 mit einer gescheiterten Unabhängigkeitserklärung aus Spanien zu verabschieden.

Wahl-Analysten sehen den Aufstieg der Rechtspopulisten als direktes Ergebnis der Katalonien-Krise. Weder die frühere konservative Regierung noch die heutige sozialdemokratisch geführte Regierung konnten den Konflikt mit den Separatisten im Nordosten Spanien lösen. Eine Zentralisierung Spaniens, der Zusammenhalt der Nation, ein Niederhalten sämtlicher Unabhängigkeitsbestrebungen in den Regionen - das sind die zentralen Forderungen von Vox, einer Abspaltung der konservativen Volkspartei. Mit den Konservativen und der liberalen Bürger-Partei würde Vox zusammenarbeiten, ähnlich wie in der südlichen Region Andalusien, wo die äußerst Rechten seit den Regionalwahlen im Frühjahr eine Mitte-Rechts-Regierung stützen.

Sozialisten brauchen Partner

Julia Gonzalez hat am Vormittag im Wahllokal in Madrid wieder für die PSOE, die Sozialisten, gestimmt. Sie werden nach den Umfragen mit Abstand die größte Partei, doch für eine regierungsfähige Mehrheit wird es nicht reichen. "Ich hoffe auf eine stabile Regierung", sagt Julia Gonzalez. "Von jetzt an sollten die Dinge besser laufen und sich zum Besseren verändern."

Julia Gonzalez, Wählerin in Madrid, hofft auf stabile VerhältnisseBild: DW/B. Riegert

Der Parteichef der PSOE, Ministerpräsident Pedro Sanchez, ist nicht so optimistisch. In einem Interview mit der Zeitung "El Pais" warnte er kurz vor der Wahl vor einem Rechtsruck und einer rechten Koalition in Spanien. "Es gibt hier eine wirkliche Bedrohung und die kann ich den Spaniern nicht verschweigen", sagte Sanchez. "Es hat ja auch niemand geglaubt, dass Donald Trump jemals Präsident der USA werden würde und trotzdem hat er gewonnen."

Die Frage, ob er die Rechten zur Mobilisierung seiner eigenen Anhänger brauche, beantwortet PSOE-Chef Sanchez mit dem Hinweis darauf, dass die konservative Volkspartei die größte Verliererin ist. Sie gibt die meisten Stimmen an Vox ab.

Um die Katalonien-Krise zu entschärfen, verspricht Sanchez, auf keinen Fall ein Unabhängigkeitsreferendum zuzulassen. Allerdings werfen die Rechten den Linken vor, sie seien gegenüber den Separatisten zu nachgiebig. In der Tat wäre Sanchez für die Bildung einer linken Koalition nicht nur auf die linksradikale Podemos-Partei angewiesen, sondern wohl auch erneut auf die Unterstützung regionaler Separatisten. Die katalanischen Parteien hatten im Frühjahr den Haushaltsentwurf von Ministerpräsident Sanchez nicht mitgetragen und so die vorgezogenen Wahlen an diesem Sonntag ausgelöst.

Unzufriedene Männer

Den Wahlausgang, der zu einem Patt zwischen linkem und rechtem Lager führen könnte, werten viele Wahlforscher und Politikwissenschaftler schon jetzt als Ausdruck der Unzufriedenheit vieler vor allem junger Spanier mit den etablierten Parteien.

Abgeordnetenhaus in Madrid: Fünf größere und etliche kleine Regionalparteien teilen sich die 350 SitzeBild: DW/B. Riegert

Der 20 Jahre alte Erstwähler Jose Andres erklärt seine Stimme für die Rechtspopulisten gegenüber der DW: "Wir jungen Leute haben die Nase voll von den alteingesessenen Politikern, die nie das tun, was sie versprechen." Männer, meint der Jura-Student, würden durch die Geschlechterpolitik der Regierung, die Frauen vor Gewalt schützen soll, benachteiligt und "kriminalisiert".

Spanien wieder groß machen, damit meint Jose Andres auch die Beziehung zur Europäischen Union. "Wir wollen, dass die EU endlich aufhört, sich einzumischen. Wir sind für ein System der starken Staaten. Diese Bürokraten sollen uns in Ruhe lassen. In diesem Sinne ist Vox wie andere populistische Bewegungen in Deutschland, Italien, Ungarn und Österreich."

Migration und die EU spielen der Wahlentscheidung der meisten Spanier, so die Wahlforscher, allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Insgesamt stehen die Spanier Europa einen Monat vor den Wahlen zum Europäischen Parlament positiv gegenüber.

Einfluss von Erzkonservativen aus den USA?

Wie andere rechtspopulistische Parteien in Europa auch, soll Vox indirekt Spenden und Finanzierung aus den USA oder Russland bekommen. Die eher linksliberale Medien-Webseite "open democracy" in London behauptete kurz vor der Wahl, Vox habe über die ultra-konservative Kampagnen-Plattform "CitizenGo" Wahlkampfhilfe und -beratung erhalten. "CitizenGo" soll mit der Wahlkampforganisation und Unterstützern von Donald Trump in den USA in Verbindung stehen.

Die Wahllokale in Spanien schließen um 20 Uhr MESZ. Unmittelbar danach werden erste Prognosen veröffentlicht.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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