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Politik

Spannungen in Nordirland nach Brexit nehmen zu

2. Februar 2021

Nach Drohungen gegen Zollbeamte haben die nordirischen Behörden und die EU die im Brexit-Vertrag festgelegten Warenkontrollen in zwei Häfen vorerst gestoppt.

Nordirland | Brexit | Larne Port
Eine Fähre im nordirischen Hafen von Larne (Archivbild)Bild: Liam McBurney/empics/picture alliance

"Wir werden die Situation weiter beobachten und entsprechend handeln", erklärte die EU-Kommission. Die Sicherheit der EU-Kontrolleure in Nordirland habe höchste Priorität. Zuvor waren die Kontrollen durch nordirische Beamte an den Häfen in Belfast und Larne bis auf weiteres ausgesetzt worden, weil die lokalen Behörden wegen Sicherheitsbedenken ihre Mitarbeiter abgezogen hatten. Das nordirische Landwirtschaftsministerium erklärte dazu, es werde die "physischen Inspektionen von Produkten tierischen Ursprungs" "im Interesse des Wohlergehens" seiner Mitarbeiter vorläufig einstellen.

Die Behörden des Bezirks Mid and East Antrim verkündeten den "sofortigen Abzug" von zwölf ihrer Angestellten vom Hafen Larne. Hintergrund sei ein "plötzlicher Anstieg von schwerwiegendem und bedrohlichen Verhalten" von Seiten nordirischer Unionisten. In der Region habe es zuletzt zahlreiche Graffiti gegeben, welche "die wachsenden Spannungen um das Nordirland-Protokoll" aus dem Brexit-Abkommen wiedergegeben hätten. Die Hafenmitarbeiter seien in den Schmierereien als "Angriffsziele" benannt worden. Die Polizei kündigte verschärfte Kontrollen an.

Graffitis, die sich gegen das Nordirland-Protokoll wenden, finden sich auch in Belfast Bild: Rebecca Black/empics/picture alliance

Autokennzeichen ausspioniert

Peter Johnston von der probritischen Demokratischen Unionisten-Partei sagte dem Sender Sky, ihm lägen Geheimdienstberichte vor, wonach Personen die Autokennzeichen der Hafenmitarbeiter notierten. "Die Spannungen haben zugenommen", sagte der Bürgermeister der Region Mid & East Antrim. Die Brexit-Vereinbarung zu Nordirland "hat ganz offensichtlich einen schädlichen Einfluss nicht nur auf den Hafen von Larne (...), sondern auf ganz Nordirland", sagte Johnston. Dass Autokennzeichen notiert würden, "das ist ziemlich unheimlich".

Nach dem Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU soll eine harte Grenze zwischen Nordirland und der zur EU gehörenden Republik Irland vermieden werden. Grund ist, dass ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs zwischen probritischen Unionisten und proirischen Katholiken befürchtet wird. Um aber den Schutz des EU-Binnenmarktes zu garantieren, fallen Waren, die von Großbritannien nach Nordirland geliefert werden, damit weiter unter EU-Vorschriften, womit es eine Zollregelung innerhalb des Vereinigten Königreichs gibt. Den probritischen Unionisten ist das sogenannte Nordirland-Protokoll ein Dorn im Auge, weil sie eine Annäherung zwischen Nordirland und Irland fürchten.

Vor dem Hintergrund des Streits um Exportkontrollen für Corona-Impfstoffe aus der EU hatte Nordirlands Regierungschefin Arlene Forster das Protokoll vergangene Woche als "nicht umsetzbar" bezeichnet und die Regierung in London aufgefordert, es aufzukündigen. Die Drohungen gegen die Hafenmitarbeiter bezeichnete Forster nun als "absolut verwerflich".

Kritik aus London und Brüssel

Scharfe Kritik an den Drohungen kam auch aus Brüssel und London. "Was auch immer der Grund dafür sein mag, die Drohung mit Gewalt ist schlicht inakzeptabel", sagte EU-Kommissionssprecher Eric Mamer. Es sei "sehr, sehr klar", dass es keine "Ausreden" für die Drohungen geben dürfe.

Im Parlament in London nannte auch der britische Vize-Premierminister Michael Gove die Gewaltandrohungen gegen Hafenmitarbeiter in Nordirland "inakzeptabel". Es sei "entscheidend, dass sich jeder in Nordirland - und in der Tat im Vereinigten Königreich - in Ruhe und Mäßigung übt". Die "Probleme" müssten gelöst werden.

Die Gewaltandrohungen gegen die Hafenmitarbeiter wecken bei vielen Nordiren Erinnerungen an den Nordirlandkonflikt, durch den etwa 3500 Menschen getötet wurden und der erst 1998 durch das sogenannte Karfreitagsabkommen beendet wurde. Während des Konflikts gab es immer wieder Angriffe paramilitärischer Organisationen auf Grenzposten und Polizeistreifen entlang der 500 Kilometer langen Grenze zur Republik Irland.

kle/qu (rtr, afp, dpa)

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