Spannungen zwischen Kiew und Minsk
4. Mai 2005Die 14 russischen Staatsbürger, die von Sicherheitskräften während der nicht genehmigten Protestaktion der belarussischen Opposition anlässlich des 19. Jahrestags der Katastrophe im Atomkraftwerk Tschernobyl festgenommen wurden, sind am Samstag (30.4.) von einem Minsker Gericht freigelassen worden. Die fünf ukrainischen Staatsbürger, die bei der Demonstration ebenfalls festgenommen wurden, bleiben hingegen im Gefängnis. Aus Protest gegen ihre Inhaftierung sind sie inzwischen in einen Hungerstreik getreten.
Ukraine unter Belarus-Kritikern in der UNO
Die Botschaft der Ukraine in Minsk richtete an die weißrussischen Behörden bereits zwei Protestnoten, in denen die sofortige Freilassung der festgenommenen ukrainischen Staatsbürger gefordert wird. Der ukrainische Außenminister Borys Tarasjuk erklärte, die Bemühungen Russlands für die Freilassung seiner 14 Bürger stünden in keinem Verhältnis zu den Anstrengungen des ukrainischen Außenministeriums. Das selektive Vorgehen der belarussischen Justiz bei der Freilassung der Russen zeige, so Tarasjuk, dass die belarussische Führung gegenüber der Ukraine eine besondere Haltung eingenommen habe: "Das geschieht offensichtlich vor dem Hintergrund, dass vor kurzem die Ukraine in der UN-Menschenrechtskommission für die Resolution gestimmt hat, in der darauf hingewiesen wird, dass die belarussischen Behörden ihren Verpflichtungen beim Schutz der Menschenrechte nicht nachkommen."
Der Direktor des Zentrums für Frieden, Konversion und Außenpolitik der Ukraine, Oleksandr Suschko, sagte, früher habe sich die Ukraine bei solchen Abstimmungen immer enthalten. Das Verhalten der neuen ukrainischen Führung gegenüber Weißrussland und anderen GUS-Staaten steht dem Experten zufolge in einem direkten Zusammenhang mit der von Kiew angestrebten europäischen Integration.
Proteste vor belarussischer Botschaft in Kiew
Unterdessen belagern mehrere Jugendorganisationen die belarussische Botschaft in Kiew. Sie fordern die sofortige Freilassung der fünf in Minsk inhaftierten Ukrainer. Einer der Organisatoren der Belagerung, Wadym Hladtschuk, kündigte an, der Eingang zur Botschaft werde nun Tag und Nacht blockiert. Er sagte: "Wir haben symbolisch eine Puppe ‚Diktator Luka‘ verbrannt. Wir werden so lange nicht aufgeben, bis unsere Freunde in die Ukraine zurückkehren. Wir machen uns um ihre Gesundheit große Sorgen, da sie in Minsk in einen Hungerstreit getreten sind." Hladtschuk betonte, die Teilnehmer Belagerung würden von vielen politischen Parteien unterstützt. "Wenn die Gefangenen nicht bald freikommen, werden wir die belarussische Botschaft völlig blockieren und in Kiew Massenkundgebungen durchführen", warnte er.
Kein Entgegenkommen
Am Dienstag (3.5.) lehnte ein Minsker Gericht die Freilassung der fünf Ukrainer ab. Der Pressedienst des ukrainischen Außenministeriums ließ verlauten, die Ukraine werde das Urteil vor dem Obersten Gericht Weißrusslands anfechten. "Die ukrainische Seite ist enttäuscht, weil die belarussische Seite dem Außenministerium der Ukraine in seinen Bemühungen um die Freilassung der Ukrainer nicht entgegenkommen möchte", heißt es in der Mitteilung des ukrainischen Außenamtes.
Aleksandr Sawizkij, Kiew
DW-RADIO/Russisch, DW-RADIO/Ukrainisch, 4.5.2005, Fokus Ost-Südost