Sparen – Kündigen – Dichtmachen
1. Juli 2002Hauptverlierer sind dabei neben den Fernsehsendern die Tageszeitungen. Sie mussten die größten Verluste hinnehmen. Hatten sie noch vor knapp zwei Jahren mit einem Plus von 490 Millionen ihre Werbeerlöse auf über 6,5 Milliarden Euro erhöhen können, so stürzten sie nun fast doppelt so stark ab – um 914 Millionen auf 5,6 Milliarden Euro. Zu dem Rückgang der Anzeigenseiten kommen bei den meisten Verlagshäusern rückläufige Vertriebserlöse.
Die Branche sieht schwarz
"Wir erleben die größte Krise der Printmedien seit dem Zweiten Weltkrieg", sagt Mathias Döpfner, Vorstandschef des Axel Springer Verlags. Er rechnet angesichts des eingebrochenen Werbemarkts 2002 nicht mehr mit Umsatz- und Gewinnsprüngen: "2001 war schwer, 2002 bleibt schwer". Bei Springers "Welt" ist die Auflage beispielsweise um 15.000 auf 233.600 gesunken.
Die schlechte wirtschaftliche Lage hat natürlich Folgen für die Mitarbeiter: Bis Ende nächsten Jahres sollen bei Springer 10 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen. 1400 Stellen wurden bereits abgebaut. Viele Redakteure mussten nach der Zusammenlegung der Tageszeitungsredaktionen der "Welt" und "Berliner Morgenpost" gehen.
Gruner + Jahr trennt sich von Regionalzeitungen
Auch beim Hamburger Verlag Gruner + Jahr hat die Anzeigenflaute Konsequenzen. Der Verlag wird sowohl die "Berliner Zeitung" als auch die "Sächsische Zeitung" verkaufen und verabschiedet sich damit praktisch aus dem deutschen Tageszeitungsgeschäft. Die angekündigte Übernahme durch die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, die bereits den Berliner "Tagesspiegel" herausbringt, sorgt bei den Arbeitnehmern für große Unruhe. Sie befürchten, dass es im Zuge der Übernahme, oder einer möglichen Verschmelzung beider Tageszeitungen, zu Stellenstreichungen kommen wird.
Holtzbrinck ist nämlich ebenfalls auf Sparkurs. Den Kauf der Berliner Zeitung für rund 200 Millionen Euro kann der Verlag nur durch den Verkauf seiner n-tv-Anteile an die Bertelsmann-Fernsehtochter RTL-Group finanzieren. Das Anlegermagazin Telebörse der Verlagsgruppe Handelsblatt, Teil der Holtzbrinck-Gruppe, wird eingestellt. 175 Stellen werden gestrichen – überwiegend durch betriebsbedingte Kündigungen.
FAZ gibt Berliner Seiten auf
Und dann die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ): Ein Job dort galt früher einmal als so sicher wie beim öffentlichen Dienst. Jetzt wird es Stellenstreichungen im dreistelligen Bereich geben. Ursache des außerordentlichen Umsatzrückgangs ist hier vor allem ein dramatischer Einbruch bei den Stellenanzeigen, einer der wichtigsten Einnahmequellen der FAZ. In erster Konsequenz wurden jetzt die "Berliner Seiten" eingestellt, jener literarische Lokalteil, der seit September 1999 die Berliner-FAZ-Ausgabe ergänzte.
Gerät der Qualitätsjournalismus in Gefahr?
Bei den anderen Zeitungen sieht es nicht viel besser aus: Der Süddeutsche Verlag mit seinen 5000 Mitarbeitern will zehn Prozent seiner Personalkosten einsparen, die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) muss wegen der Anzeigenflaute Stellen streichen, die Frankfurter Rundschau plant bis zu 20 Prozent der Arbeitsplätze abzubauen und im März 2002 kam bereits das Aus für die Hamburger "Woche".
Die meisten Redakteure hoffen, mit der Reduzierung der Seiten und dem Beschneiden von Zusatzangeboten wie Magazinen oder Internet-Ausgaben könne das Schlimmste abgewendet sein. Die Pessimisten stellen eine andere Rechnung auf: Wenn weniger Redakteure beschäftigt und weniger Seiten gedruckt werden, dann wird auch weniger recherchiert, werden weniger Informationen, wird weniger Hintergrund geboten. Anders gesagt: Dann geht der Qualitätsjournalismus verloren.