Sparen oder die Steuern erhöhen?
12. Mai 2021Es sind keine guten Nachrichten, die der Arbeitskreis Steuerschätzung für die künftige Bundesregierung bereithält. Wer auch immer nach der Bundestagswahl im September 2021 regieren wird, muss zunächst mit weniger Geld auskommen. 294 Milliarden Euro Steuergeld soll der Bund in diesem Jahr einnehmen, 3,2 Milliarden Euro weniger, als die Steuerschätzer im vergangenen November vorausgesagt haben. Für 2022 werden Mindereinnahmen in Höhe von zwei Milliarden Euro vorausgesagt, 2023 sollen es 700 Millionen Euro weniger sein.
Seit sechs Monaten ist Deutschland im Lockdown. Langsam flaut die dritte Corona-Welle ab, doch ganze Branchen sind immer noch geschlossen und die Bürger haben weniger konsumiert. Entsprechend weniger Steuern werden gezahlt. Dazu kommt, dass sich ein Teil der Hilfsprogramme der Regierung ebenfalls steuerlich auswirken, beispielsweise der ermäßigte Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie.
Wer soll das bezahlen?
Im September 2021 wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt und alle Parteien müssen sich nun fragen lassen, wie sie nach der Wahl mit der schwierigen Finanzsituation umgehen wollen: weiter Schulden machen, um die Folgen der Pandemie abzufedern, Steuern erhöhen oder ein Sparprogramm auflegen, um die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse schnellstmöglich wieder einzuhalten.
Eine Frage, die sich auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellen lassen muss, der für die SPD als Kanzlerkandidatins Rennen geht. Bei der Vorstellung der Steuerschätzung vermied er allerdings konkrete Antworten. Ja, es gebe "politischen Handlungsbedarf", aber viel wichtiger sei doch, dass Deutschland dank der massiven Staatshilfen für die Wirtschaft langfristig gut aus der Krise herauskomme. "Wir sind auf Kurs und es geht auch wieder aufwärts. Die Hilfen wirken, viele Firmen machen wieder gute Geschäfte. Das macht sich auch bei den Steuereinnahmen bemerkbar."
Deutschland steht im internationalen Vergleich noch gut da
Deutschland könne seine "finanziellen Herausforderungen in der Zukunft durch Wachstum bewältigen". Das zeige auch der Blick auf die Steuerschätzung für die Jahre 2024 und 2025, die auch für den Bund "gute Zahlen" voraussage. Tatsächlich gehen die Steuerschätzer davon aus, dass die Steuereinnahmen bis 2025 um insgesamt zehn Milliarden Euro höher ausfallen werden, als noch im November vorausgesagt. Allerdings profitieren davon vor allem die Bundesländer und die Gemeinden und weniger der Bund.
Für den SPD-Kanzlerkandidaten und Wahlkämpfer Scholz ist das dennoch kein Grund, pessimistisch in die Zukunft zu schauen. Deutschland habe seine Finanzen im Griff, auch wenn die Staatsverschuldung in diesem Jahr auf über 74 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steige. "Damit liegen wir bisher deutlich unter dem Niveau am Ende der Wirtschafts- und Finanzkrise vor knapp zehn Jahren." Das sei die niedrigste Quote aller G7-Staaten.
Kritik von allen Seiten
Eine Rechnung, die nicht alle überzeugen kann. Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, mahnt, die Bundesregierung müsse nach der Steuerschätzung nun "endlich Maß halten" und nicht neue Ausgaben versprechen, ohne die Finanzierung darzulegen. "Es ist kein Ausweis von Stärke, neue Ausgaben mit Schulden zu finanzieren, sondern der denkbar einfachste Weg", betonte er.
Kritik kommt auch von der FDP. Von einer "ausufernden Schuldenpolitik" spricht der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Christian Dürr. "Damit sich die Wirtschaft nach dem Lockdown schnell wieder erholen kann, darf es keine Steuererhöhungen geben, wie sie Grüne und SPD fordern." Bürger und Unternehmen müssten stattdessen "spürbar entlastet" werden. Nur wenn den Bürgern am Ende des Monats mehr Geld übrigbleibe und die Betriebe mehr finanziellen Spielraum für Investitionen hätten, könne Deutschland "den Aufholwettbewerb nach der Krise erfolgreich starten".
Bund der Steuerzahler will sparen
Die Linken gehen fest davon aus, dass die nächste Regierung die Steuern erhöhen wird. Die Frage sei nur, "wer mehr zahlen muss", so Gesine Lötzsch, haushaltspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Die Steuerschätzung sei eine "sehr zweckoptimistische Schätzung" und selbst wenn sie stimme, bewegten sich die Zuwächse "im homöopathischen Bereich".
So sieht es auch Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler. Die Einnahmen der nächsten Jahre würden nicht ausreichen, um das hohe Ausgabenniveau des Staates finanzieren zu können. "Das Kernproblem sind weniger die sich langsam erholenden Steuereinnahmen, sondern die hohen Staatsausgaben. Deutschland hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem!" Eine "kluge Sparpolitik" sei unumgänglich und die hohen Corona-Schulden müssten zügig wieder abgebaut werden.