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Sparpaket

21. Juni 2010

Einer der momentan meistverwendeten Begriffe ist: Sparpaket. Kein Wunder, wird doch sehr intensiv darüber nachgedacht, wie man die Staatsverschuldung reduzieren kann.

Der Schriftsteller Burkhard Spinnen (Foto: privat)
Burkhard SpinnenBild: privat

Nun ist dieses Sparpaket eine Metapher, über die man leicht hinwegsieht. Es weiß ja jeder, was gemeint ist: eine Anzahl von Gesetzen, aufeinander abgestimmt und schließlich so verpackt, dass sie eine einheitliche Außenfläche abgeben. Als Absender fungiert beim Sparpaket die Regierung, der Adressat ist das Volk. Kurz, das Sparpaket ist eine nicht besonders auffällige sprachliche Konstruktion, gewissermaßen eine stille und fleißige, keineswegs eine kühne und erst recht keine erschreckende Metapher.

Warum eigentlich Paket?

Und gerade so etwas macht mich neugierig! Ich glaube einfach nicht, dass die Sprachgemeinschaft auch nur eine einzige Metapher hervorbringt, ohne dabei Hintergedanken zu hegen. Nein, immer haben das Unbewusste der Sprechergemeinschaft oder das öffentliche Über-Ich die Hand im Spiel. Zum Beispiel im Falle Paket. Womöglich haben ja bei der Geburt dieser Metapher noch weitere und eher vertrackte Eigenschaften des Pakets eine Rolle gespielt?

Erstens: Im Paket steckt oft eine Überraschung. Es gibt das Weihnachts- oder das Geschenkpaket und, als deren problematische Varianten, das Care-Paket und das West-Paket. All solche Pakete umweht eine Glücksversprechung. Zwar ist leider nur sehr selten das Gewünschte im Geschenkpaket und werden viele Pakete gar nicht zu Ende ausgepackt, um die Umtauschgarantie nicht zu gefährden. Aber wer zur Schere greift, um eine Paketschnur zu durchtrennen, er tut es in der Hoffnung, endlich einmal das Ersehnte auszupacken. Da könnte es doch gut sein, dass die Gesetzgeber sich unbewusst diese ungestillte Sehnsucht der Auspacker zunutze gemacht haben, als sie ihre Gesetze ausgerechnet zu Paketen schnürten.

Gut verpackte Furcht

Sparpaket - Das OriginalBild: picture alliance/dpa

Zweitens: Pakete gibt man auf. Dieser Kalauer soll hier einmal keiner sein. Denn tatsächlich wird nur ins Paket gepackt, was entweder eine weite und gefährliche Reise antreten soll oder was dem Adressaten nicht sofort, also quasi nackt und bloß, unter die Augen treten soll. So könnte sich also im Wort vom Gesetzespaket die ganze Furcht der Absender ausdrücken, dass auf dem Weg zum Adressaten der Inhalt beschädigt werden könnte, bzw. ihr dringender Wunsch, dass dieser Inhalt nicht gleich für alle Augen sichtbar auf dem Wohnzimmertisch liegt.

Und ist diese Furcht nicht sehr berechtigt? So viele Gesetzespakete sind in den letzten Jahren tatsächlich wieder aufgeschnürt, ihr Inhalt auseinandergerissen und in alle Winde verstreut worden. Und viele dieser Pakete konnten gar nicht langsam genug ausgepackt werden, um wenigstens die schlimmsten Enttäuschungen der Adressaten zu vermeiden.

Es steckt also mehr im Paket drin, als man denkt. Mehr Hoffnung, mehr Furcht und Sorge. Genau wie im Leben, und in der Sprache sowieso.

Redaktion: Gabriela Schaaf

Burkhard Spinnen, geboren 1956, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Glossen und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Spinnen ist Vorsitzender der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Zuletzt ist sein Kinderbuch "Müller hoch Drei" erschienen (Schöffling).

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