SPD beschließt Vorbereitung eines AfD-Parteiverbots
29. Juni 2025
Die SPD will ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD vorbereiten. Auf dem Bundesparteitag in Berlin beschlossen die Delegierten am Sonntag einstimmig einen entsprechenden Antrag des Parteivorstands. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll nun systematisch Belege für eine mögliche Verfassungswidrigkeit der AfD sammeln. Sobald das Material ausreicht, soll "unverzüglich" ein Antrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt werden.
Der Leitantrag mit dem Titel "Wehrhafte Demokratie heißt handeln: Jetzt AfD-Verbotsverfahren vorbereiten - und die Menschen zurückgewinnen" bezeichnet die AfD als "klar rechtsextremistisch". Die Beweislage sei "erdrückend", heißt es. Die SPD werde sich daher "auf allen Ebenen" für ein Verbot einsetzen.
Klingbeil: "Kein Taktieren mehr"
SPD-Co-Parteichef Lars Klingbeil forderte ein entschlossenes Vorgehen: "Wenn der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextreme Partei einstufe, dann darf es kein Taktieren mehr geben." Es sei eine demokratische Pflicht, die Instrumente des Verfassungsstaates zu nutzen, um diesen zu schützen.
Noch deutlicher wurde Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier, der den Antrag einbrachte. Die AfD sei eine "völkische, menschenverachtende Partei", deren Ziel es sei, "unsere Demokratie zu beseitigen". Zwar sei ein Verbot juristisch riskant, doch das größere Risiko bestehe inzwischen im Nicht-Handeln. "Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?", rief Maier den Delegierten zu.
Auch die Grünen unterstützen das Vorhaben. Parteichef Felix Banaszak sprach sich gegenüber der Funke Mediengruppe für ein schnelles Handeln aus: "Wir müssen frühzeitig handeln, bevor diese Partei weiter systematisch unsere Demokratie untergräbt."
SPD und Union wollen AfD-Wähler zurückgewinnen
Zurückhaltender äußerte sich die Union. CDU-Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger sagte der Funke Mediengruppe, die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot seien derzeit nicht erfüllt. "Die bisherigen Erkenntnisse jedenfalls reichen dafür nicht." Auch CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz beurteile die Verbotsdebatte "sehr skeptisch".
Bilger warb stattdessen für politische Lösungen: "Frust lässt sich nicht verbieten." Man müsse konkrete Probleme lösen, um AfD-Wählerinnen und -Wähler zurückzugewinnen. Dieses Ziel verfolgt auch die SPD. Eine parteiinterne Arbeitsgruppe soll Konzepte zur Auseinandersetzung mit der AfD und zur Rückgewinnung enttäuschter Wählerinnen und Wähler erarbeiten.
SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede betonte, es dürfe "kein Entweder-oder geben". Neben einem möglichen Verbotsverfahren müsse die SPD aktiv auf Menschen zugehen, um Vertrauen in die Demokratie zu stärken.
AfD im Visier der Verfassungsschützer
Anlass für den Vorstoß der SPD ist die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextrem" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz im Mai. Die Partei klagt derzeit vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen diese Bewertung. Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die Einstufung offiziell nur eingeschränkt. In vier Bundesländern - Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg - wird die AfD hingegen bereits rechtskräftig als gesichert rechtsextremistisch geführt.
Bei der Bundestagswahl im Februar wurde die AfD zweitstärkste Kraft hinter der Union. In 14 von 16 Landesparlamenten ist sie vertreten, in Teilen Ostdeutschlands ist sie sogar stärkste politische Kraft.
Hohe Hürden für Parteiverbot
Ob ein Verbot der AfD juristisch Bestand hätte, ist offen. In der Geschichte der Bundesrepublik hat das Bundesverfassungsgericht bislang nur zwei Parteien verboten: 1952 die Sozialistische Reichspartei (SRP), 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Beide Urteile gelten bis heute als Maßstab für Parteiverbotsverfahren. Ein weiteres Verfahren gegen die rechtsextreme NPD scheiterte 2017 - nicht wegen mangelnder Verfassungsfeindlichkeit, sondern weil der Partei keine reale Gefährdung der Demokratie mehr zugetraut wurde.
Die Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind in Artikel 21 des Grundgesetzes geregelt. Demnach muss eine Partei nicht nur verfassungsfeindliche Ziele verfolgen - etwa gegen Menschenwürde, Demokratie oder Rechtsstaat -, sondern auch aktiv und aggressiv gegen die demokratische Ordnung vorgehen. Entscheidend ist außerdem, ob sie realistische Chancen hat, diese Ziele umzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht betont: Nicht die Gesinnung allein, sondern konkretes Handeln und Wirkungspotenzial sind maßgeblich.
pgr/fab (dpa, afp, kna)