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Politik

SPD: Besser als Netflix

13. Februar 2018

Ist das noch Politik oder schon seriell erzählte Unterhaltung? Die SPD macht es jedenfalls spannend: Es wird auf offener Bühne gekämpft um GroKo, Parteivorsitz und Ministerämter. Untergehen muss die Partei deshalb nicht.

SPD Parteitag Berlin Andrea Nahles
Bild: Imago/photothek/X. Heinl

Wie weit bist Du mit "Game of Thrones"? Was bringt wohl die neue Staffel "Stranger Things"? Und was hältst Du von "Babylon Berlin"? Fragen, die man beim Feierabendbier unter Freunden ausführlich diskutiert. Normalerweise. Denn im Moment scheinen Martin Schulz, Sigmar Gabriel und Andrea Nahles den Serienhelden Jon Schnee, Elfi und Gereon Rath den Rang abzulaufen. Man spricht über die Sozialdemokraten statt über seine Serienlieblinge.

Kein Wunder, schließlich hat die SPD-Spitze eine fulminante letzte Staffel hingelegt. Aufstieg, Intrige, Fall - und das alles im Verlauf weniger Monate. Allein die Episode von vergangener Woche, in der Schulz alles verliert: den Parteivorsitz und dann auch noch den gewünschten Posten als Außenminister.

Kalter Wind statt warmer Worte

Schulz, im Januar 2017 als neuer Held an die Spitze der Partei gerückt, dann den Wahlkampf gegen Angela Merkel krachend verloren, schien zunächst wieder zurückzukommen. Er hatte gut verhandelt über eine Neuauflage der Großen Koalition mit CDU und CSU. Wollte dann allerdings seinem einstigen Freund Sigmar Gabriel den beliebten Posten des Außenministers abnehmen. Der wehrte sich, sprach von Wortbruch. Schulz wehte plötzlich kalter Wind aus der eigenen Partei um den Bart. Ausgerechnet sein eigener Landesverband Nordrhein-Westfalen habe sich gegen Schulz gestellt, heißt es. Er gab nach.

Freunde? Feinde? Genossen! Martin Schulz (links) und Sigmar GabrielBild: picture-alliance/dpa/B.v.Jutrczenka

Jetzt sucht die SPD also einen neuen Chef. Das dürfte sich über einige Folgen hinziehen. Denn Schulz' Vorschlag für seine Nachfolge, die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Andrea Nahles, stößt nicht überall auf Begeisterung. Präsidium und Vorstand haben sie als Nachfolgerin nominiert, doch einige SPD-Landesverbände haben gefordert, die Parteimitglieder müssten über den oder die Neue abstimmen. Man sei zerstritten wie nie, sagen selbst einige Genossen im Bundestag.

Ratschlag, der ins Messer führt

"Keine Strategie und keine Solidarität" - so fasst der Kommunikationsberater Dietrich Boelter die Probleme der Partei zusammen. Boelter, heute Chef der Agentur "Best Friends" in Berlin, hat im Wahlkampf 2002 für Gerhard Schröder die Internetkampagne konzipiert. Damals kam die SPD auf 38,5 Prozent der Wählerstimmen, Schröder blieb Kanzler. Heute landet sie in Umfragen bei weniger als der Hälfte an Prozentpunkten.

Dietrich Boelter leitet die Agentur "Best Friend" in BerlinBild: Best Friend

Damals sei der Parteivorstand in der Lage gewesen, Absprachen zu treffen, an die sich alle hielten, sagt Boelter im Gespräch mit der DW: "Es wurde so vorbereitet, dass nicht einer alleine seine Ambition öffentlich dargelegt hat. Und es wurde auch keiner falsch beraten, um dann ins Messer zu laufen. All das spielt ja im Moment eine Rolle. Damals ging es strategischer zu. Und das hat sich ausgezahlt."

Traditionspartei im Trend

Immerhin: Man spricht wieder über die SPD und das nicht nur beim Feierabendbier. Bei Google werden die drei Buchstaben so häufig gesucht wie seit der Bundestagswahl im September nicht mehr. Bei Twitter führt #spd immer wieder die deutsche Hashtag-Rangliste an.

Eine Chance in der Krise, meint Kommunikationsberater Boelter. "Wenn die Führungsebene untereinander solidarischer ist, dann ist die Situation ja inhaltlich gar nicht so schlecht." Schließlich habe die SPD einen guten Koalitionsvertrag für sich ausgehandelt. "Sie können diese Erfolge nur nicht gut verkaufen. Sie schauen zu viel nach innen, zu viel zurück. Die größte Chance wäre jetzt, einfach mal nach vorne zu schauen, neue Gesichter zu etablieren, sich neu aufzustellen und weniger Bestandsaufnahme und Rückschau zu betreiben."

Cliffhanger: Mitgliederentscheid!

SPD-Serienfans jedenfalls dürfen gespannt darauf warten, was die nächste Folge bringt. Wird Andrea Nahles Vorsitzende? Oder gibt es eine echte Neubesetzung, vielleicht mit einem wenig bekannten Gesicht wie dem von Simone Lange, Oberbürgermeisterin in Flensburg? Und was bringt die nächste Staffel? Stürzt die SPD ab wie die französischen Sozialisten oder die Partij van de Arbeid in den Niederlanden? Oder schafft die älteste Partei Deutschlands es, wieder eine sozialdemokratische Politik anzubieten, von der die Menschen im Land überzeugt sind? Und dann wäre da ja noch der Mitgliederentscheid. Erst am 4. März wissen wir, ob die Genossen einer neuen Regierung unter Angela Merkel angehören wollen oder nicht. 

Oder sie? Simone Lange will neue SPD-Vorsitzende werdenBild: picture-alliance/dpa/Michael Staudt/Stadt Flensburg

Es ist wie bei "Stranger Things": man kann manchmal nicht glauben, was man sieht. Ein bisschen auch wie bei "Game of Thrones", wo Protagonisten schneller von der Bühne treten, als man sich umschauen kann. In jedem Fall geht es in Berlin so spannend wie lange nicht zu. Viel weiter sollte man den Vergleich allerdings nicht treiben. Beim Serienschauen geht es schließlich darum, Sorgen und Nöte des Alltags zu vergessen. Und das ist das genaue Gegenteil von Politik.

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