1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

SPD, Grüne und FDP für Koalitionsgespräche

15. Oktober 2021

Steht die Ampel auf grün? Diese Frage bewegte seit Wochen die Republik. Jetzt gibt es Antworten - nach den Sondierungsgesprächen der drei Parteien.

Pressekonferenz nach Ampel-Sondierungsgesprächen
Die Grünen-Vorsitzenden Habeck und Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Scholz und FDP-Chef Lindner (v. l. n. r.)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Nach ihren Sondierungsrunden über eine mögliche Koalition auf Bundesebene wollen Sozialdemokraten, Grüne und Liberale als nächsten Schritt formale Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Das teilten die Spitzen der drei Verhandlungsdelegationen in Berlin mit. Die Parteien legten ein zwölfseitiges Konsenspapier vor, das als Grundlage für die nächsten Schritte dienen soll.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sprach von einem "sehr guten Ergebnis". Als zentrale Punkte nannte er die "Modernisierung unseres Gemeinwesens" und den Kampf gegen den Klimawandel. Verwaltungsabläufe müssten schneller und digitaler werden. Die Industrie müsse umgestaltet werden. Dazu sei ein "massiver Ausbau" der erneuerbaren Energien notwendig. "Es wird das größte industrielle Modernisierungsprojekt, das Deutschland wahrscheinlich seit über 100 Jahren durchgeführt hat", sagte Scholz, "und es wird unserer Wirtschaft sehr nutzen."

"Hier ist ein Aufbruch möglich"

Auch mit Blick auf den sozialen Zusammenhalt nannte Scholz gemeinsame Zielsetzungen: die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern zu verbessern, den Wohnungsbau anzukurbeln, die Renten zu sichern, den gesetzlichen Mindestlohn auf zwölf Euro zu erhöhen und eine bessere tarifliche Bezahlung in vielen Bereichen der Gesellschaft zu unterstützen. Insgesamt könne man spüren: "Hier ist ein Aufbruch möglich." Der noch amtierende SPD-Finanzminister lobte die konstruktive Atmosphäre der Gespräche als "sehr, sehr wohltuend".

Im Moment ist die mögliche Ampelkoalition noch eine Baustelle (Symbolbild)Bild: Christian Ohde/Chromorange/picture alliance

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock betonte ebenfalls den "vertrauensvollen" Austausch. Offen sei über Unterschiede geredet worden, "um dann gemeinsame Wege und Brücken zu finden". Dies sei gelungen, so Baerbock. Das kommende Jahrzehnt solle ein "Jahrzehnt der Erneuerung werden". Die Co-Parteichefin unterstrich das Kernthema der Grünen, "die große Frage der klimagerechten Gesellschaft, des klimagerechten Wohlstands, und eine Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft hin zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft in Deutschland und in Europa".

"Zäsur in der politischen Kultur Deutschlands"

FDP-Chef Christian Lindner sagte: "Die letzten Tage waren geprägt von einem besonderen Stil." In einem diskreten Rahmen seien die Beteiligten sehr ernsthaft und mit Neugier auf die politischen Positionen des Gegenübers zusammengekommen. Allein dies markiere schon "eine Zäsur in der politischen Kultur Deutschlands". Daraus schöpften viele Menschen die Hoffnung, "dass ein neuer Aufbruch für unser Land möglich ist".

Inhaltlich hob Lindner "klare finanzielle Leitplanken" hervor, "die die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen mit dem Respekt vor den Grenzen der Belastungsfähigkeit der Menschen verbinden". Als Schwerpunktthema der Liberalen nannte er das Stichwort "Entbürokratisierung" mit dem Ziel einer "Entfesselung unseres Landes". Zudem gelte es, den sozialen Aufstieg zu erleichtern. Insgesamt müsse die Freiheit der Individuen gestärkt werden.

Aktivisten von Fridays for Future erinnern die Unterhändler an Klimaschutz und sozialen AusgleichBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Das Positionspapier nennt als Leitplanken für einen noch auszuhandelnden Koalitionsvertrag 

  • den rascheren Ausstieg aus der Kohleverstromung, "idealerweise" bis 2030,
  • den Verzicht auf eine Erhöhung der Einkommen-, Mehrwert- oder Unternehmenssteuer,
  • die Beibehaltung des Rentenniveaus und des gesetzlichen Renteneintrittsalters,
  • die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz und
  • die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Die Ampel-Partner bezeichnen das transatlantische Bündnis als zentralen Pfeiler und die NATO als unverzichtbaren Teil der Sicherheit Deutschlands. Ebenso unterstreichen sie die Kontinuität im Verständnis der Sicherheit Israels als Teil der Staatsräson.

Erst zwei, dann drei

Nach der Bundestagswahl hatten erst die Grünen mit der FDP Vorgespräche geführt. Im Anschluss trafen sich SPD und Union jeweils zu bilateralen Gesprächen mit der Umweltpartei und den Liberalen. Schließlich kamen SPD, FDP und Grüne zusammen, um die Chancen für eine sogenannte Ampelkoalition - benannt nach den Parteifarben Rot, Gelb und Grün - auszuloten.

Sondierungsgespräche sollen zunächst Vertrauen aufbauen. Gemeinsamkeiten wie auch Hürden einer möglichen Zusammenarbeit werden dabei klarer. Erst dann folgen die Koalitionsverhandlungen, die im Idealfall in einen Koalitionsvertrag münden - ein verbindliches Papier, das die Beteiligten für die Dauer ihres Regierungsbündnisses als Fahrplan entwerfen.

Parteigremien reden mit

Der Parteivorstand der SPD stimmte der Aufnahme von Koalitionsgesprächen laut Medien einstimmig zu. Grüne und FDP wollen ihre Entscheidungen am Sonntag und Montag treffen. Bei den Grünen muss ein kleiner Parteitag - genannt "Länderrat" - der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zustimmen, auch bei der FDP werden Parteigremien befragt. Die Grünen hatten im Vorfeld für Sonntagmittag schon eine Halle in Berlin reserviert.

Die Generalsekretäre Wissing (FDP) und Klingbeil (SPD) sowie Grünen-Geschäftsführer Kellner (v. l. n. r.) am DienstagBild: Omer Messinger/Getty Images

Aus der Wahl am 26. September war die SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen als Siegerin hervorgegangen. Auf die Union entfielen 24,1 Prozent, die Grünen erzielten 14,8 Prozent, die FDP 11,5 Prozent, die AfD 10,3 Prozent und die Linke 4,9 Prozent der Stimmen. Rechnerisch möglich wären eine Fortsetzung der großen Koalition aus Union und SPD unter Führung der Sozialdemokraten - natürlich auch unter Einschluss der Grünen oder der FDP als eines dritten Partners -, ebenso eine Jamaika-Koalition - benannt nach den Farben der Flagge - aus CDU, Grünen und FDP sowie eine Ampelkoalition. Eine ebenfalls mögliche Koalition unter der Beteiligung der AfD hatten die anderen Parteien ausgeschlossen.

jj/pg/uh (dpa, afp, phoenix)