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Politik

Martin Schulz erklärt sofortigen Rückzug

13. Februar 2018

SPD-Chef Martin Schulz gibt den Vorsitz der Partei mit sofortiger Wirkung ab. Das erklärte er am Rande einer Krisensitzung im Willy-Brandt-Haus. Präsidium und Vorstand nominierten Andrea Nahles als Nachfolgerin.

Deutschland Schulz erklärt sofortigen Rückzug von der SPD-Spitze
Bild: Reuters/F. Bensch

SPD-Chef Martin Schulz sagte im Willy-Brandt-Haus, er werde den Parteivorsitz mit sofortiger Wirkung abgeben und nicht erst nach Ende des Mitgliederentscheids der Sozialdemokraten. Der scheidende Parteichef gab zudem bekannt, dass das SPD-Präsidium die Bundestags-Fraktionschefin Andrea Nahles nach einer intensiven Debatte einstimmig für den Parteivorsitz nominiert habe. Die Wahl werde am 22. April auf einem Parteitag in Wiesbaden stattfinden, so Schulz nach den Beratungen in Berlin. Damit würde Nahles als erste Frau in der über 150-jährigen Geschichte der Sozialdemokraten den Parteivorsitz übernehmen. 

Unter der schützenden Hand von Willy Brandt: Lars Klingbeil, Andrea Nahles und Olaf Scholz (l.-r.)Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

"Manches geht unter die Haut"

Zu seinem Rückzug aus der Parteiführung sagte Schulz, die SPD brauche eine personelle und programmatische Erneuerung. Mit seiner Amtsaufgabe wolle er der Personaldebatte ein Ende setzen. Mit Hinblick auf die Debatten der vergangenen Tage über das Gerangel um Parteiführung, GroKo-Verhandlungen und Ministerposten sagte er: "Ich scheide ohne Bitterkeit und ohne Groll aus diesem Amt. Ich habe in diesem Amt Höhen und Tiefen erlebt, wie man sie in der Politik in dieser Form selten erlebt. Manches geht unter die Haut." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gab vor Journalisten bekannt, dass Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz als Stellvertreter kommissarisch das Amt des Parteivorsitzenden bis zum Sonderparteitag übernehmen soll. Es sei wichtig gewesen, schnelle politische Handlungsfähigkeit herzustellen, so Klingbeil. Scholz betonte, seine Funktion bis zum Sonderparteitag sei eine "dienende". 

Andrea Nahles bedankte sich für die breite Unterstützung, die sie vom Präsidium und dem Vorstand erhalten habe. "Ich möchte das auch mit einem Dankeschön an Martin Schulz verbinden, der eine schmerzliche Entscheidung treffen musste und mit seinem Rücktritt den Weg freigemacht hat für einen Neubeginn." Als nominierte Parteichefin werde sie zusammen mit Olaf Scholz in den kommenden Wochen für die GroKo werben. "Der Koalitionsvertrag kann sich sehen lassen und enthält Wahlversprechen, die wir umsetzen können." Als Parteichefin werde sie inhaltlich neue Impulse setzen und die SPD modernisieren.

Forderung nach geordnetem Verfahren

Mit diesen Entscheidungen reagierte die Parteispitze auf den Unmut an der Basis. Vor dem Spitzentreffen wurde Kritik aus mehreren SPD-Landesverbänden, von GroKo-Gegnern und Juristen innerhalb und außerhalb der Partei laut. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sprach sich bei seiner Ankunft an der Parteizentrale in Berlin klar gegen eine vorzeitige Übernahme des SPD-Vorsitzes durch Nahles aus. Müller machte allerdings auch klar, dass sich die Forderung nicht gegen Nahles richte. Sein Landesverband unterstütze die Kandidatur der Fraktionschefin im Bundestag, die "eine starke und gute Kandidatin" sei, doch müsse der Vorsitz "in einem geordneten Verfahren von Delegierten auf einem Bundesparteitag gewählt und nicht eher im Jahresrhythmus ernannt werden", sagte Müller. Bis dahin könne jemand aus der Reihe der sechs Parteivize vorübergehend die Leitung der SPD übernehmen, "denn die sind dafür da". 

Rechtliche Bedenken auf dem Weg nach oben

Der Personalentscheid entfachte nicht nur eine rein politische, sondern auch eine juristische Debatte. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (ASJ), Harald Baumann-Hasske, hatte eingewandt, dass Nahles bisher kein gewähltes Mitglied des SPD-Vorstands sei und daher nicht als kommissarische Vorsitzende in Frage komme. Wenn ein Vorsitzender zurücktrete, übernehme in der Regel ein Vizechef die Amtsgeschäfte, sagte der Rechtsanwalt. "Das ist normales Vereinsrecht." 

Baumann-Hasske pocht auf "normales Vereinsrecht"Bild: Julian Hoffmann

Gegenkandidatin bringt sich in Position

Der Appell von Vize Ralf Stegner, über die Inhalte des Koalitionsvertrages mit der Union zu reden statt über Personen, verhallte ungehört. Wie auch der Ordnungsruf von Generalsekretär Lars Klingbeil, es gebe die "rote Karte" für alle, die weitere Personaldebatten anzetteln. Zwischenzeitlich war noch eine Gegenkandidatin aus der dritten Reihe aufgetaucht: die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange.

Der Landesparteirat der SPD in Schleswig-Holstein lehnte am Montagabend eine kommissarische Berufung von Nahles für den Bundesvorsitz ab, wie der Vorsitzende Olaf Schulze mitteilte. Auch er befürwortete "eine Person aus der Reihe der stellvertretenden Vorsitzenden". Ins Spiel brachte sich daraufhin Lange. Die SPD müsse sich ganz neuen Idee öffnen, sagte sie in einem ARD-Interview. Nur so könne sie die Zukunft erfolgreich gestalten. Ihre Kandidatur für den Parteivorsitz verstehe sie als Angebot. Die SPD brauche eine Auswahl beim Personal und keine Spitze, die von den obersten Gremien bestimmt werde. Nach jahrelanger aktiver Parteimitgliedschaft wolle sie eine führende Rolle spielen.

Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange will eine führende Rolle in der SPD spielenBild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Eine weitere Mitgliederbefragung zur Kür der oder des neuen Parteivorsitzenden scloss Ex-SPD-Chef Kurt Beck aus. Das richtige Gremium dafür sei ein Parteitag. "Es steht im deutschen Parteiengesetz und in unserer Satzung, dass der Parteitag dafür zuständig ist", sagt er dem "Mannheimer Morgen". Ein Mitgliederentscheid könne immer nur eine Orientierung sein.

sam/ml (dpa, epd, rtr)

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