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"Das Leben der Menschen besser machen"

Matthias von Hein/Thomas Spahn14. Juni 2016

Gerechtigkeit ist ein Schlüsselbegriff im Politikverständnis von Andrea Nahles. Beim Global Media Forum sprach die Arbeits- und Sozialministerin mit der DW über Rente, Vermögenssteuer und die Glaubwürdigkeit der SPD.

Andrea Nahles im DW-Interview beim Global Media Forum (Foto: DW/M. von Hein)
Bild: DW/M. von Heine

"Wir haben ein Glaubwürdigkeitsdefizit"

01:57

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DW: Sie sind sehr früh in die Politik gegangen und geblieben. Was ist ihr Leitmotiv für Ihr Handeln in der Politik?

Andrea Nahles: Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.

Gutes tun - gehört dazu für Sie auch, dass Sie in der Koalition die Ministerin sind, die für die SPD wichtige Gesetze durchgebracht hat? Den Mindestlohn und auch die Rente mit 63?

Ich bin eigentlich immer Sozialpolitikerin gewesen. Schon früh, auch als ich Juso-Vorsitzende war, habe ich mich für mehr Ausbildungsplätze eingesetzt. Als ich 1998 in den Bundestag kam, bin ich in den Ausschaus für Arbeit und Soziales gegangen. Ich sehe es als Privileg, dass ich dann den Mindestlohn durchkämpfen konnte.

Mein Ziel ist, das Leben der Menschen leichter und besser zu machen. Das gelingt nicht immer. Manchmal entwickeln sich Sachen anders, als man denkt. Aber öfter gelingt es und deswegen bin ich immer noch sehr zufrieden.

Mit "leichter und besser" meinen Sie vor allem gerechter, wenn ich das richtig verstanden habe?

Ja, ich verstehe das im Sinne von gerechter. Das heißt: Man bekommt den Lohn, den man sich auch selbst erarbeitet hat und wird nicht darum betrogen. Das meine ich mit "das Leben der Menschen leichter machen". Wir haben es geschafft, dass vier Millionen Menschen jetzt einen Lohn haben, mit dem sie wesentlich besser leben können. Das heißt nicht, dass Sie dadurch reich geworden sind. Aber sie können damit wesentlich besser zurecht kommen. Das ist für mich das "Leben der Menschen leichter machen".

Millionen profitieren vom Mindestlohn. Andrea Nahles hat ihn "durchgekämpft"Bild: picture-alliance/dpa

Lassen Sie uns über diesen Ansatz reden. Ist es gerecht für Menschen, die in Deutschland irgendwann Rente beziehen, dass diejenigen, die nur wenig verdienen, im Alter auf soziale Unterstützung angewiesen sind? Das werden sehr viele sein.

Das ist eine Gerechtigkeitslücke! Wir haben eine Grundsicherung eingeführt für Leute, die sehr wenig oder gar nicht gearbeitet haben. Aber denjenigen, die 30, 35 oder 40 Jahre gearbeitet und dabei wenig verdient haben, denen haben wir noch kein Angebot gemacht. Die kommen nicht auf eine vernünftige Rente. Deswegen reden wir ja auch darüber, wie wir diesen Leuten eine sogenannte Lebensleistungsrente gewähren könnten. Da werde ich noch dieses Jahr im Herbst einen Vorschlag machen.

Dass es so gekommen ist und so kommen wird, war aber lange absehbar und die SPD hat eigentlich immer mitregiert. Hätten Sie das nicht früher entdecken und auch ändern können?

Wir haben mit dieser Grundsicherungsrente eine wichtige Gerechtigkeitslücke geschlossen. Wir haben darüber hinaus versucht, eine Generationen-gerechte Rente zu machen. Jetzt geht ja die Baby-Boomer Generation mit einer riesigen Zahl von Leuten gleichzeitig in Rente. Der steht eine geringere Zahl von Leuten gegenüber, die das finanzieren müssen. Das sind wir angegangen.

Dieses Problem ist gelöst worden - aber so, dass viele damit nicht zufrieden sind: Das Rentenniveau sinkt, die Beiträge steigen. Rein rententechnisch ist das Problem gelöst. Aber ob es gerecht genug ist? Da darf man sagen: Es ist berechtigt, über das Rentenniveau zu reden. Auch dazu werde ich einen Vorschlag machen, dass wir das Rentenniveau noch einmal kritisch betrachten und stabilisieren müssen.

Lassen Sie uns bei Gerechtigkeit bleiben. Ist es gerecht, dass in Deutschland Menschen, die von ihrem Vermögen leben können, nur 25 Prozent Steuern auf den Kapitalertrag zahlen?

Nein. Ich bin der Meinung, dass das eine absolut missliche Lage ist. Wir müssen Arbeit und Kapital gleich besteuern. Deswegen war ich auch, als das damals eingeführt wurde, skeptisch und habe daraus auch keinen Hehl gemacht.

Ihr Parteichef Sigmar Gabriel wird nicht mit dem Vorschlag einer Vermögenssteuer in den nächsten Wahlkampf ziehen. Findet das ihre Zustimmung?

Das ist noch nicht abschließend entschieden. Aber Sigmar Gabriel hat klar gesagt, dass er die Kapitalertragssteuer anheben will und dass wir tatsächlich Arbeit und Kapital gleich besteuern. Die Vermögenssteuer ist schon sehr oft gefordert worden, seitdem sie abgeschafft wurde. Sie wurde aber nie umgesetzt bisher. Irgendwann fangen die Leute auch an zu fragen: "Können wir euch das überhaupt glauben?"

Entweder wir machen es irgendwann oder wir lassen es. Das sollten wir dann aber auch ehrlich entscheiden! Nur immer wieder ankündigen und dann nicht machen, wirkt am Ende unglaubwürdig. Von daher ist es noch eine Diskussion, die wir in der SPD führen. Es gibt leider verfassungsrechtliche Vorgaben, die nicht leicht umzusetzen sind. Deshalb muss man ehrlich darüber reden, ob wir das überhaupt hinkriegen.

Kommt die "Lebensleistungsrente"? Nahles will im Herbst einen Vorschlag unterbreitenBild: DAMIEN MEYER/AFP/Getty Images

Sie kämpfen auch für flexiblere Arbeitszeiten in Deutschland. Wie flexibel können Sie selbst denn ihre Arbeitszeit gestalten, um möglichst oft bei ihrer kleinen Tochter zu sein?

Als Chef vom Ganzen hat man es natürlich leichter. Es muss aber auch für die Angestellten und die Beamten bei mir im Ministerium funktionieren. Es muss für alle mehr Arbeitszeit-Souveränität geben. Nicht nur Flexibilität zum Nutzen des Unternehmens, sondern auch mehr Flexibilität für den Einzelnen.

Da müssen wir ´ran und da müssen wir uns noch miteinander verständigen, mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das ist aber möglich. Gerade durch die Digitalisierung gibt es ja neue Möglichkeiten, auch von zuhause zu arbeiten, selbst Anlagen von Zuhause zu steuern, ist absolut möglich mittlerweile.

In ihrer Abiturzeit haben Sie bei Berufswunsch angegeben: "Hausfrau oder Bundeskanzlerin". Jetzt sind Sie am Berufswunsch Bundeskanzlerin schon ziemlich nah dran, aber in der falschen Partei. Mit 19 Prozent wird man keinen Kanzler stellen können. Was ist falsch gelaufen in der SPD?

Warten Sie mal ab! Das ist nicht auf Knopfdruck zu ändern. Wir brauchen offensichtlich eine langfristige Strategie. Wir haben darüber gestern beraten. Wir ziehen aus unserer Regierungszeit Mitte der 2000er Jahre immer noch ein großes Glaubwürdigkeitsdefizit mit. Die Leute bescheinigen uns zwar, dass wir gute Maßnahmen machen. Die wissen auch, dass wir das gemacht haben in dieser Regierung.

Aber sie halten das für Taktik. Deswegen haben wir Vertrauensarbeit zu leisten. Das geht meiner Meinung nach nur, indem wir Politik machen, die wirklich Probleme löst. Wir müssen in der Lage sein, das glaubwürdig über eine längere Zeit zu machen. Und wir müssen uns auch anlegen - in der Steuerpolitik zum Beispiel mit denen, die ihrer Verantwortung in dieser Gesellschaft nicht nachkommen.

Andrea Nahles ist seit 2013 Arbeits- und Sozialministerin in der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD. Von 2009 bis 2013 war die Politikerin aus Rheinland-Pfalz Generalsekretärin der SPD.

Die Fragen stellte Thomas Spahn.

Sie können das Interview in voller Länge am Sonntag (19.06.2016) auf DW-TV in der Reihe "Interview" sehen.

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