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Politik

SPD-Neumitglieder - die große Unbekannte

5. Februar 2018

Entscheiden sie am Ende, ob die "GroKo" kommt? Tausende sind in den vergangenen Wochen in die SPD eingetreten. Denn deren Mitglieder dürfen über einen Koalitionsvertrag mit CDU und CSU abstimmen. Was wollen die Neuen?

Deutschland SPD | Charlotte Jahnz, SPD-Neumitglied in Bad Godesberg
Charlotte Jahnz, SPD-Neumitglied in Bad GodesbergBild: DW/P. Hille

Matt und weich fällt das Licht durch die weißen Vorhänge in den Saal. Die Augen müssen sich erst daran gewöhnen. Charlotte Jahnz blickt nach oben. Von der Decke hängen kreisrunde Kronleuchter, jeder groß wie ein Planschbecken. Ansonsten: gerade Linien, hohe Fenster, viel Beton. Die Stadthalle im Bonner Stadtteil Bad Godesberg ist ein 50er-Jahre-Bau wie aus einem Architektur-Bildband.

"Die Leuchter an der Decke könnten nachträglich eingebaut sein", überlegt Jahnz laut. Sie ist 29 Jahre alt, Historikerin - und gerade in die SPD eingetreten. Der Ort, den sie eben betreten hat, ist eng verbunden mit der Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der auch Jahnz nun angehört. 1959 trafen sich die Genossen hier zum Parteitag und erneuerten die SPD von Grund auf. Aus der sozialistischen Arbeiterpartei, knapp 100 Jahre zuvor gegründet, wurde eine moderne Volkspartei links der Mitte. So modern wie das Gebäude, in dem man sich traf.

Die Faust in der Tasche

Genau das brauche die SPD nun wieder, meint Jahnz: einen echten Neuaufbau. "Während der letzten Jahre habe ich kein richtiges Profil der SPD in der Großen Koalition gesehen", sagt sie. "Da hat sie sich kaum von der CDU unterschieden. Sie sollte jetzt weiter nach links rücken."

Sollte die SPD nach links rücken?

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Erst vor zwei Wochen hat Jahnz ihren Mitgliedsantrag abgeschickt. Da hatte sich die SPD gerade zum Parteitag getroffen. Die Delegierten stimmten dafür, mit den Konservativen von Angela Merkels CDU und der CSU über eine Neuauflage der Großen Koalition (GroKo) zu verhandeln. "Da habe ich gedacht: jetzt reicht's, jetzt trete ich ein", so Jahnz. "Ich hatte mit dem Gedanken immer mal gespielt, hatte auch vor der Wahl überlegt, ob ich eintreten soll, falls es wieder zu GroKo-Verhandlungen kommt. Und nach der Parteitagsentscheidung war bei mir das Maß voll."

Heraus zum 6. Februar!

Jahnz war nicht die Einzige, der es so ging. Allein den größten SPD-Landesverband in Nordrhein-Westfalen haben seit dem Parteitag fast 4000 Online-Anträge auf Mitgliedschaft erreicht - ein Rekordwert. Am 6. Februar um 18 Uhr will die Bundespartei bekannt geben, wie viele Mitglieder sie nun insgesamt hat. Und: nur wer bis dahin Mitglied ist, darf darüber abstimmen, ob die SPD in die GroKo geht oder nicht.

Wie fühlt es sich an, SPD-Mitglied zu sein?

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Die meisten Neumitglieder dürften wohl GroKo-Skeptiker sein wie Charlotte Jahnz. "Da bin ich mir nicht so sicher", hält Matthias Großgarten im Gespräch mit der DW dagegen. "In den städtischen Regionen sind viele vielleicht gegen die GroKo, aber auf dem Land nicht unbedingt." So wie im SPD-Ortsverband im Städtchen Niederkassel am Rhein, dessen Vorsitzender Großgarten ist. Hier will die Sozialdemokratie noch so sein, wie der Claim auf alten Wahlplakaten verspricht: "nah bei den Menschen". Die Genossen betreiben ein "Kleiderlädchen", verkaufen dort Kleiderspenden für den guten Zweck.

Oma will GroKo

Zehn neue Mitglieder konnte sein Ortsverein seit dem Parteitag begrüßen, sagt Großgarten. "So viele wie sonst maximal in einem Jahr." Manche der Neumitglieder melden sich per Telefon und wollen sicher gehen, dass sie wirklich mit abstimmen dürfen. Darunter auch eine Frau im Rentenalter, erzählt er, die unbedingt die GroKo will.

"Kleiderlädchen" der SPD in NiederkasselBild: SPD Niederkassel

"Natürlich merkt man eine Spaltung in Befürworter und Gegner", sagt Großgarten. Aber man freue sich auch darüber, dass in Sitzungen und Whatsapp-Gruppen intensiv diskutiert werde, " weil es wirklich jedem auf der Seele brennt".

Geschichte wird gemacht

Zurück zur Stadthalle Bad Godesberg. Charlotte Jahnz hat das Gebäude einmal umrundet. Eine Plakette, die an den legendären SPD-Parteitag von 1959 erinnert, ist nirgends zu finden. Jahnz ist fasziniert von der langen Geschichte ihrer politischen Wahlheimat. "Allein, dass sie die einzige Partei war, der es 1933 noch möglich war, im Reichstag gegen das "Ermächtigungsgesetz" zu stimmen, mit dem die Nazis die Macht an sich gerissen haben", sagt sie. "Die SPD hat eindeutig große Verdienste."

1959: die SPD verabschiedet ihr "Godesberger Programm"Bild: AdsD der Friedrich-Ebert-Stiftung

Und wie gestaltet sie die Zukunft? Als Partei, die mit Merkel zusammen dafür sorgt, dass Deutschland wieder eine Regierung hat? Oder als Partei, die in der Opposition wieder zu sich selbst finden will - auf die Gefahr hin, bei Neuwahlen weiter abzustürzen? Jahnz ist sich "noch nicht einhundertprozentig sicher", dass sie gegen die GroKo stimmt.

Nimmt man den Zustand der Godesberger Stadthalle als Sinnbild für den der SPD, dann müsste man wohl feststellen: viel Geschichte, aber im Hier und Jetzt blättert sichtbar Farbe ab. Ab 2020 soll das historische Gebäude übrigens von Grund auf saniert werden. Vielleicht sorgen ja Neumitglieder wie Charlotte Jahnz dafür, dass auch die SPD etwas frische Farbe abbekommt.

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