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Politik

Kompromiss zum Familiennachzug in Reichweite

29. Januar 2018

In den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD deutet sich beim zentralen Streitthema Flüchtlingspolitik eine Kompromissmöglichkeit an. Auch im Bundestag wird um eine Regelung des Familiennachzugs gerungen.

Syrische Familie im Grenzdurchgangslager Friedland
Syrische Familie im Grenzdurchgangslager Friedland (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/S.Pförtner

Es ist einer der Hauptstreitpunkte in den Koalitionsverhandlungen: Der Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus. Doch nun könnte ein Kompromiss gefunden sein, meldet die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Verhandlungskreise. Demnach soll der Nachzug von Familien der sogenannten subsidiär Geschützten wie vereinbart auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt, aber um eine schon existierende Härtefallregelung ergänzt werden.

Nach der Spitzenrunde von Union und SPD am Sonntagabend werde an einem entsprechenden Kompromissvorschlag gearbeitet, hieß es. Endgültige Entscheidungen zu dem zentralen Streitpunkt standen aber zunächst weiter aus. Die SPD will bei den Koalitionsverhandlungen eine weitergehende Härtefallregelung erreichen - was CDU und CSU bisher ablehnten. Sollte der jetzige Kompromissvorschlag Realität werden, würde aber zumindest die im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Härtefallregelung weiter greifen.

Die Parteichefs von CSU, CDU und SPD Horst Seehofer, Angela Merkel und Martin Schulz (v. l.)Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Allerdings teilte der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil über soziale Netzwerke mit: "Bei den großen inhaltlichen Knackpunkten können wir noch keinen Durchbruch vermelden. Es gibt Einigungswillen, aber noch nichts Handfestes."

Nach nächtlichen Beratungen hatte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer gesagt, die Verhandlungen befänden sich in der "Endabstimmungsphase". "Es gibt den Willen, dass man da heute zu einer Einigung kommt", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer. Auch CDU-Vize Volker Bouffier zeigte sich optimistisch. "Ich habe den Eindruck, dass alle bemüht sind, zu einem Ergebnis zu kommen", sagte der hessische Ministerpräsident im Fernsehsender ZDF. "Aber wir haben noch keinen Konsens".

Union und SPD hatten sich bei ihren Koalitionsverhandlungen beim Thema Flüchtlinge verhakt. Die Gespräche wurden in der Nacht nach knapp neun Stunden vorerst vertagt. Am Montag wollten die Fachpolitiker von Union und SPD zunächst auf Arbeitsgruppenebene nach einer Lösung suchen.

Während Union und SPD um den Familiennachzug ringen, befasst sich der Bundestag mit einer Übergangsregelung. Dort gehen die Meinungen weit auseinander: Grüne und Linke wollen die Zusammenführung ohne Bedingungen wieder ermöglichen. Die FDP plädiert für eine Härtefall-Regelung, die auch Integrationsleistungen berücksichtigt. Die AfD will die Möglichkeit, engste Angehörige nachzuholen, komplett abschaffen. 

Anhörung des Bundestags

In einer Anhörung des Bundestags äußerten sich Rechtsexperten skeptisch zu dem Vorhaben, den Familiennachzug auf 1000 Menschen im Monat zu begrenzen. Mehrere Juristen verwiesen darauf, dass durch die Begrenzung lange Wartezeiten entstünden. Dadurch würden viele Kinder vom Nachzug ausgeschlossen, weil sie während der Wartezeit volljährig werden, sagte Hendrik Cremer vom Institut für Menschenrechte. 

Als Problem nannten die Experten auch, dass den subsidiär Geschützten in Aussicht gestellt worden sei, dass sie ihre Familien nach Auslaufen der Aussetzung nachholen könnten. Wenn dies jetzt nicht geschehe, entstehe "ein Problem beim Vertrauensschutz", sagte Roland Bank vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Deutschland.

Der Vertreter der katholischen Bischofskonferenz in Berlin, Prälat Karl Jüsten, warb um eine Wiederzulassung des Nachzugs. Dies sei bei der Aussetzung 2016 zugesagt worden. Eine andere Regelung stärke nicht das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Rechtsstaats Deutschland, mahnte auch der Theologe. Jeder könne die Nöte der Betroffenen nachvollziehen, wenn er an seine eigene Familie denke. Die Aussicht auf eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs stürze die Betroffenen "in tiefe Verzweiflung", sagte der Leiter des katholischen Büros in Berlin: "Ich finde, hier könnte der Bundestag mehr Herz zeigen." 

Der Familiennachzug für subsidiär Geschützte wurde 2016 von der großen Koalition für zwei Jahre ausgesetzt. Betroffen sind vor allem Syrer, die als Bürgerkriegsflüchtlinge oft nur den untergeordneten und nicht den vollen Flüchtlingsschutz erhalten. Die Neuregelung soll nach dem Willen der CDU/CSU am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden, damit sie vor Auslaufen der Aussetzung Mitte März auch noch den Bundesrat passieren kann. 

Derzeit ist der Familiennachzug für die subsidiär Geschützten noch bis Mitte März ausgesetzt. Union und SPD wollen dies bis Ende Juli verlängern, danach soll die geplante Regelung zum Nachzug von 1000 Menschen pro Monat greifen. Von der Härtefallregelung profitierten bisher nur wenige Menschen aus der betroffenen Gruppe: 2017 wurde nur einigen Dutzend subsidiär Geschützten auf dieser Basis der Familiennachzug erlaubt. 

stu/uh (afp, dpa, edp, rtr)

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