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Politik

SPD-Wahlprogramm: Raus aus der Defensive?

Richard A. Fuchs
22. Mai 2017

Erst sorgte SPD-Kanzlerkandidat Schulz für einen Hype, und nach drei verlorenen Landtagswahlen für Ernüchterung. Mit einem neuen Programm will die Partei aus dem Umfrage-Loch. Noch holpert es, berichtet Richard Fuchs.

Deutschland Evakuierung der SPD-Parteizentrale in Berlin
Im Willy-Brandt-Haus wurde das SPD-Wahlprogramm vorgestellt. Vorher gab es noch eine Bombendrohung. Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Nach der Wahlschlappe bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wollte die SPD jetzt eigentlich auf Angriff schalten. Doch der Turbostart in den Bundestagswahlkampf will den Sozialdemokraten nicht so recht gelingen. Erst stürzen die Umfragewerte des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz ab. Nach drei verlorenen Landtagswahlen in Folge unken Beobachter und Gegner bereits, der viel beschworene Schulz-Hype sei verflogen. Und dann auch noch das: Die Vorstellung des mit Spannung erwarteten Wahlprogramms der Partei gerät am Montag in Berlin zur Zitterpartie.

Im Schlingerkurs zur Programm-Vorstellung

Anfänglich kursieren Gerüchte, die Vorstellung müsste kurzfristig verschoben werden. Ist die Sozialdemokratische Partei nach den Wahlschlappen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen etwa so zerstritten, dass ein gemeinsames Wahlprogramm platzt?, fragen sich manche. Dann die Entwarnung: Der Termin steht, das Programm wird vorgestellt. Allerdings erst, nachdem ein vermeintlicher Bombenfund in der Parteizentrale sich als harmloses Paket entpuppt hat. Alle atmen auf und konzentrieren sich auf das, was eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte: den Inhalt des SPD-Wahlprogramms.

Er war Hoffnungsträger, jetzt Buhmann - und schon bald wieder Zugpferd? SPD-Kanzlerkandidat Martin SchulzBild: picture-alliance/dpa/Revierfoto

Mit "breitem Gerechtigkeitsbegriff" beim Wähler punkten  

"Zeit für mehr Gerechtigkeit", heißt der Titel des Programms, das der Parteivorstand am Montag einstimmig angenommen hat. Darin will die Partei auf 71 Seiten und in 13 Kapiteln darstellen, wie anders eine SPD-geführte Regierung Deutschlands die politische Macht nach der Bundestagswahl nutzen würde. "Was wir präsentieren, das ist ein klares Kontrastprogramm zur Union", sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte das Wahl-Programm im Vorfeld vollmundig als "den großen Wurf" angepriesen.

Die Sozialdemokraten planen vor allen Investitionen in Bildung, sowie Entlastungen für mittlere und kleine Einkommen. Statt umfangreicher Steuersenkungen - wie von den Unionsparteien anvisiert - will die SPD in Dienstleistungen investieren, die Familien Geld sparen helfen. Dazu würde beispielsweise der beitragsfreie Kita-Platz gehören, ebenso wie die Einführung eines Familiengeldes, wodurch Eltern Lohnersatzleistungen bekommen, wenn sie für ihre Familie die Arbeitszeit reduzieren. SPD-Vizechefin Manuela Schwesig gab den Leitsatz aus: Bildung soll gebührenfrei sein, "von der Kita über die Ausbildung und das Erststudium bis hin zur Meisterprüfung".

Die Partei will sich auch des Themas "Lohndumping" annehmen, plant einen "Pakt für anständige Löhne". Zudem sollen die heute zur Regel gewordenen befristeten Arbeitsverhältnisse unter einer SPD-geführten Regierung zu unbefristeten Jobs umgewandelt werden. Arbeitnehmer sollen sich besser auf die digitalisierte Jobwelt vorbereiten können, durch einen gesetzlich garantierten Weiterbildungsanspruch.

Über das Parteiprogramm beraten? Fehlanzeige. Während der Bombendrohung vertraten sich SPD-Mitarbeiter die Füße.Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Renten- und Steuerpolitik bleibt weiter vage

In Sachen Rentenpolitik bleibt die Partei bislang bei einer groben Kursbestimmung, bleibt somit wichtige Details des "großen Wurfs" schuldig. Das Ziel sei es, das Rentenniveau auch in Zukunft stabil zu halten, liest man. Wie dies erreicht werden soll, wird in dem Papier nicht näher ausgeführt. Ähnliches auch beim Steuerkonzept, was in den kommenden Wochen präzisiert werden soll. Nur soviel: "Für mehr soziale Stabilität werden wir die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verringern. Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen sollen dazu einen angemessenen Beitrag leisten." Was das bedeutet, auch hier bleibt weiter Interpretationsspielraum für mögliche Wähler. "Pauschale Steuersenkungen", von denen auch "Spitzenverdiener" profitieren könnten, sollen mit einer möglichen SPD-Regierung aber der Vergangenheit angehören. So soll der Unterschied zur Union deutlich werden. 

Zwei-Prozent-NATO-Ziel lehnt eine SPD-Regierung ab

Auch beim Thema Sicherheit will die Partei punkten, ein Thema, bei dem bislang vor allem den Unionsparteien gute Noten zugeschrieben werden. So schlägt die SPD vor, 15.000 neue Stellen für Polizisten zu schaffen, um dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Bürger gerecht zu werden. Zudem schlägt die Partei vor, besonders intensiv in die Strafverfolgung zu investieren. Also mehr Staatsanwälte und mehr Richter einzustellen, um langwierige Verfahren durch mehr Personal abzukürzen. 

Auch die SPD spricht sich für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen aus, will dadurch aber keine Abstriche bei der EU-Integration hinnehmen. Auch ein starkes Europa sei eine Frage der Gerechtigkeit.  Am Recht auf Asyl will die Partei nicht rütteln. Geplant ist aber, durch ein Einwanderungsgesetz legale und mit Höchstgrenzen versehene Wege für Arbeitsmigranten zu schaffen. "Wer illegale Migration eindämmen will, muss legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen", so Oppermann.

Haben zusammen am Wahlprogramm geschrieben: Manuela Schwesig (links), Thomas Oppermann und Katarina BarleyBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Besonders klare Kante will die Partei in Sachen Rüstung zeigen. Der Verteidigungsetat solle mit der SPD nicht auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesteigert werden. Genau das ist aber das NATO-Ziel, dessen Umsetzung der amerikanische Präsident Donald Trump in jüngster Zeit mehrfach angemahnt hat. "Eine Aufrüstungsspirale, mit einem Rüstungs- und Verteidigungsetat von über 70 Milliarden Euro, das wird es mit uns nicht geben", sagte Oppermann. Stattdessen will die SPD mehr in Entwicklung und Krisenprävention investieren.

Wahlprogramm wird am 25. Juni beschlossen

In der Gesamtschau nennt SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann das auf Gerechtigkeitsüberschriften getrimmte Wahlprogramm das "wahrscheinlich beste Wahlprogramm seit Willy Brandt". Zur Vollständigkeit gehört aber dazu: Im aktuellen Entwurf wird über die Gegenfinanzierung der Vorschläge und Ideen noch nicht gesprochen. Zudem will die Partei erst in den kommenden Wochen die Details zu ihrem Renten- und Steuerkonzept vorstellen. Ob damit am Bundesparteitag der SPD am 25. Juni alles auf dem Tisch liegt, ist weiter offen.

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