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SPD will höher hinaus

Sabine Kinkartz9. Februar 2015

Auf einer Klausurtagung wollte der SPD-Vorstand zu sich selbst finden und nach Wegen aus dem Umfragetief suchen. Doch dafür blieb kaum Zeit. Die Ukraine-Krise und die Debatte über Griechenland sind zu erdrückend.

SPD-Wahlkampf
Bild: picture-alliance/dpa

Die Umgebung stimmte. Ins brandenburgische Nauen, genauer gesagt, nach Groß Behnitz, auf das Landgut A. Borsig, hatte sich der Parteivorstand der SPD für zwei Tage zurückgezogen. Ruhig und beschaulich geht es hier zu, das historische Landgut mit bio-zertifizierter Hotel- und Tagungsanlage liegt rund 30 Kilometer entfernt vom alltäglichen Berliner Politik- und Medienrummel an einem malerischen See.

Mehr Geld für Rentner, die Einführung eines Mindestlohns und einer Mietpreisbremse – die SPD hat nach der Bundestagswahl 2013 ihre zentralen Wahlversprechen umgesetzt. Trotzdem kommt sie nicht aus ihrem Umfragetief heraus. Nur 25 Prozent aller Wahlberechtigten würden die Sozialdemokraten derzeit wählen. Damit ist die Partei weit davon entfernt, mehrheitsfähig zu sein. Doch woran liegt das und was kann die SPD dagegen tun?

Die Partei verkauft sich und ihre Politik schlecht, so lautet eine der vielen Analysen. Derzeit erntet allein die christdemokratische Bundeskanzlerin Angela Merkel die Früchte der von der großen Koalition umgesetzten Politik. Nicht wenige in der SPD finden das ungerecht, doch SPD-Chef Sigmar Gabriel warnt davor, sich von den mäßigen Umfragewerten "kirre machen" zu lassen.

Idyllisches Fleckchen: Das Landgut BorsigBild: picture-alliance/dpa

Es gehe darum, mit verlässlicher Politik Vertrauen zurückzugewinnen. "Die SPD muss raus aus ihrer Schmollecke", empfiehlt auch Bodo Hombach, der 1998 Gerhard Schröder als Wahlkampfberater zum Sieg verhalf. Erfolge der Koalition müssten die SPD "hör- und sichtbar freuen", nur so würde sie ihren gerechten Anteil am Erfolg bekommen.

Von Obama lernen

Der SPD-Vorstand setzt auf ein besseres Marketing. Im Gespräch ist, für die nächste Bundestagswahl einen Wahlkampfmanager aus den USA zu engagieren. Jim Messina hat schon US-Präsident Barack Obama ins Amt verholfen und kennt sich aus mit knallharten Kampagnen. Für Obama hat er Wählerschichten erschlossen, an die man ohne ihn wohl kaum herangekommen wäre.

Doch mehr Werbung ist das eine, das Image einer Regierungspartei lebt aber auch von ihren politischen Taten. Als besonders dringlich und herausfordernd macht die Partei die Themen Fachkräftebedarf, eine berechenbare und stabile Energiepolitik, die Notwendigkeit höherer Investitionen in der öffentlichen Infrastruktur, aber auch in privaten Unternehmen aus. Einen innenpolitischen Schwerpunkt will die SPD auch auf die Entlastung von Familien legen.

Gewichtige Gäste

Viel wird im Moment allerdings durch die Außenpolitik überlagert. Deswegen hatte sich die SPD mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, politische Schwergewichte nach Nauen eingeladen. Der Krieg in der Ukraine und die Zukunft Griechenlands standen damit auf der Themenliste automatisch ganz oben.

Der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz (l-r), der Präsident der Europäischen Kommision, Jean-Claude Juncker und der SPD-Vorsitzende Sigmar GabrielBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Es müsse in den kommenden Tagen darum gehen, konkrete Fortschritte für eine dauerhafte und verlässliche Waffenruhe zu erreichen, um so die Grundlage für weitere politische Friedensverhandlungen in der Ost-Ukraine zu legen, heißt es in einem SPD-Beschluss für "eine neue Ost- und Entspannungspolitik". Insbesondere die russische Führung sei aufgefordert, in ernsthafte und konstruktive Verhandlungen einzusteigen und ihre Möglichkeiten zu einer Beruhigung der Lage vollständig zu nutzen.

Hoffen auf Minsk

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mahnt allerdings zu Geduld. Wenn eine diplomatische Initiative innerhalb von drei Tagen keinen Erfolg habe, müsse man ihr mehr Zeit geben: "Sonst landen wir irgendwann im Krieg." Das für Mittwoch vereinbarte Treffen in Minsk sei ein Fortschritt. "Allein die Tatsache, dass verhandelt wird, zeigt: Wer miteinander redet, ist auch bereit, nicht aufeinander zu schießen", so Schulz.

Auch SPD-Chef Gabriel hofft auf einen Erfolg in Minsk. Die Ukraine-Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Staatspräsidenten Francois Hollande sei sehr zu begrüßen. "Ich persönlich finde das mutig, dass die beiden das ohne Netz und doppelten Boden versucht haben und obwohl es nicht klar ist, dass das zum Erfolg führt", so Gabriel in Nauen. Für den Konflikt könne es keine militärische Lösung geben, und für die SPD sei klar, dass Deutschland keine Waffen in die Ukraine liefern werde. "Ich persönlich müsste so etwas unterschreiben, und das werde ich gewiss nicht tun."

Zerstörtes Land: Nach einem Bombenangriff in Donezk steht ein Haus in FlammenBild: Reuters/Maxim Shemetov

Langfristig setzt die SPD auf eine bessere Zusammenarbeit mit Russland. "Die Europäische Union und Deutschland dürfen das europäische Russland nicht aufgeben", heißt es im SPD-Beschluss. "Unser Ziel bleibt die Einbindung Russlands in gesamteuropäische politische, wirtschaftliche und Sicherheitsstrukturen." Die Sozialdemokraten würden an der Ost- und Entspannungspolitik, die unter dem früheren Bundeskanzler und SPD-Vorsitzenden Willy Brandt begonnen worden sei, festhalten.

Europäische Krisen

Wie geht es weiter in Europa? Über diese Frage sprach der Partei-Vorstand am Montag mit Kommissionspräsident Juncker und Parlamentspräsident Schulz. "Wir sind längst nicht aus der Krise heraus", so Gabriel mit Verweis auf 26 Millionen arbeitslose Europäer. "Solange Hunderttausende junge Leute nicht mal eine Ausbildungsstelle bekommen, kann man nicht sagen, die Krise sei beseitigt." Die SPD finde "es gut, dass die neue EU-Kommission endlich einen Paradigmenwechsel eingeleitet" habe, betonte Sigmar Gabriel. "Wir haben als Sozialdemokraten immer dafür geworben und auch gesorgt, dass wir keinen Widerspruch entstehen lassen zwischen Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsinvestitionen."

Doch genau um diese Investitionen ist es nach wie vor schlecht bestellt. "Wir haben seit dem Ausbruch der Krise 15 bis 20, in manchen europäischen Ländern sogar mehr als 50 Prozent an öffentlichem und privatem Investitionsvolumen eingebüßt", so Jean-Claude Juncker. Der von der Kommission auf den Weg gebrachte Investitionsplan für mehr Wachstum und die Beschaffung von Arbeitsplätzen mache den EU-Stabilitätspakt aber nicht zu einem Flexibilitätspakt. "Nicht bei jedem stößt das auf spontane Gegenliebe", bemerkte Juncker. "Der Stabilitätspakt bekommt nur eine konjunkturkonformere Lesart, die wir jetzt umsetzen, wenn wir die Haushaltspläne der einzelnen Mitgliedstaaten begutachten."

Unmut über Griechenland

Besonders genau wird die Kommission auf die griechische Vorlage blicken. Er habe dem neuen griechischen Regierungschef Alexis Tsipras bei dessen Besuch in Brüssel im Detail dargelegt, "wie ich mir die kurzfristige Zukunft vorstelle", so Juncker. "Er hat dem in seiner Regierungserklärung aber nur in Maßen entsprochen." Juncker betonte, er habe Verständnis dafür, dass Tsipras Übergänge innenpolitischer Natur bauen müsse. Griechenland dürfe aber nicht davon ausgehen, dass die Eurozone das Regierungsprogramm von Tsipras ohne Abstriche übernehmen werde oder könne.

SPD-Chef Gabriel sagte, seine Partei finde es "schade", dass sich der Ton nach den ersten Zeichen der Entspannung zwischen der griechischen Regierung und den europäischen Mitgliedstaaten wieder verschärft habe. "Wir glauben nicht, dass das gegenseitige Bashing und die Debatte über Ideologien weiterhilft."

Deutsche Konten von Griechen einfrieren

Stattdessen müsse Griechenland zu seinen Zusagen stehen und gleichzeitig die Möglichkeit erhalten, seine Reform im Inneren vor allem mit Blick auf die Bekämpfung der Korruption und die Errichtung eines fairen Steuersystems anzugehen. "Wenn sie Unterstützung brauchen, um die vielen Milliardäre zu finden, die seit Jahren ihr Geld aus dem Land tragen, um sich der Steuerzahlung zu entziehen, helfen wir ihnen, die dingfest zu machen", so Gabriel. Mit den entsprechenden Informationen aus Griechenland über Steuersäumige mit deutschen Konten sei das möglich. "Ich fände das angemessen, wenn wir von dem Recht Gebrauch machen würden, diese Konten einzufrieren, bis die Steuern gezahlt sind."

Eine klare Absage erteilte der SPD-Chef und Vizekanzler allerdings an die griechische Forderung nach deutschen Reparationszahlungen. Die seien spätestens mit den Ergebnissen der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen über die deutsche Einheit rechtlich beendet. "Und ich glaube, dass es keinen Sinn macht, auf dem Weg weiterzureden."

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