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Politik

SPD will sich nicht antreiben lassen

Nina Werkhäuser
1. Dezember 2017

Gibt es zu Weihnachten eine "Große Koalition"? Auch nach dem Gespräch der Parteivorsitzenden im Schloss Bellevue sieht es nicht danach aus. Die SPD hat noch Diskussionsbedarf. Solange hält sie sich alle Optionen offen.

Berlin Statement SPD-Vorsitzender Schulz zu GroKo
Bild: Getty Images/S. Gallup

Kurz hintereinander traten sie am Freitag vor die Presse, die Spitzenvertreter von SPD und CDU, und kommentierten ihr Treffen mit dem Bundespräsidenten am Vorabend. Aber was für ein Unterschied im Auftritt: Seelenruhig und sehr sortiert referierte der Bundesgeschäftsführer der CDU, Klaus Schüler, die Haltung des Parteivorstands: Die CDU sei zu "ernsthaften Gesprächen" mit der SPD über die Bildung einer "stabilen Bundesregierung" bereit. Mehr noch: Sie habe die Absicht, diese Gespräche "zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen". Darin seien sich die Mitglieder des Bundesvorstands einig. Schlaflose Nächte, das wurde deutlich, bereitet dem Mann die Vorstellung von einer Neuauflage der Großen Koalition nicht. Vorbedingungen, fügte er großzügig hinzu, stelle seine Partei nicht. Dann verabschiedete er sich ins Wochenende. 

Es brodelt in der Parteizentrale

Ganz anders die SPD: Sie ist in Aufruhr, es brodelt im Willy-Brandt-Haus. Dass die einst so stolze Volkspartei von einer klaren Linie derzeit nur träumen kann, liegt auf der Hand: Sie hat gerade eine abrupte Kehrtwende vollzogen. Seit dem Wahldesaster vor zwei Monaten hatte die SPD zufrieden in dem Glauben gelebt, sie werde in die Opposition gehen. Das war ihr erklärter Wille, verkündet am Wahlabend und bekräftigt nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen vor knapp zwei Wochen.

Doch ein dringlicher Appell des Bundespräsidenten, selbst Sozialdemokrat, wenn auch mit ruhender Mitgliedschaft, änderte alles: Die SPD fühlt sich seither verpflichtet, zumindest mit der Union zu reden. SPD-Chef Martin Schulz streitet aber vehement ab, dass damit bereits eine Vorentscheidung für eine Große Koalition gefallen sei, dass also praktisch nur noch auszuhandeln sei, unter welchen Bedingungen diese neue Große Koalition zustande kommt.

Es gebe "keinen Automatismus", wiederholte er am Freitag im Willy-Brandt-Haus. Dass in Berlin eine Meldung mit dem Text "Grünes Licht für GroKo-Verhandlungen" zirkuliert, macht ihn wütend. Das sei "schlicht falsch", empörte er sich in einer kurzen Pressekonferenz. Da die Meldung "aus Unionskreisen" zu stammen scheine, habe er die Bundeskanzlerin angerufen und ihr gesagt, dass das inakzeptabel sei. "Wer Falschmeldungen in Umlauf setzt, zerstört Vertrauen."

Sein Appell änderte alles: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, hier mit SPD-Chef Martin Schulz (r.)Bild: picture-alliance/Bundesregierung/G. Bergmann

Der Vertrauensvorrat aus vier Jahren gemeinsamer Regierung wurde erst Anfang der Woche stark strapaziert, als der geschäftsführende Agrarminister Christian Schmidt (CSU) in Brüssel für die Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat stimmte, obwohl die SPD dagegen war. Eigentlich hätte Schmidt sich enthalten müssen, aber er tat es nicht - und fing sich eine öffentliche Rüge der Kanzlerin ein. Viele Sozialdemokraten sehen in diesem Vorfall einen Beleg dafür, dass der Union schlicht nicht mehr zu trauen sei.

Jusos laufen Sturm gegen die "GroKo"

Ohnehin sind die Sozialdemokraten tief gespalten in der Frage, ob eine neuerliche Große Koalition eher ein Risiko oder doch vielleicht eine Chance für die SPD ist, wenn sie nur einen guten Vertrag aushandelt. Am heftigsten agiert die 70.000 Mitglieder starke Jugendorganisation der Partei gegen eine Neuauflage der Großen Koalition. Unter dem Motto "#NoGroko - Für eine klare und glaubwürdige SPD" rufen die Jusos in einer Online-Petition alle SPD-Mitglieder auf, sich gegen ein erneutes Bündnis mit CDU und CSU auszusprechen. Ein solches sei erst am 24. September abgewählt worden. "Mit einem gemeinsamen Minus von 13,7 Prozentpunkten ist deutlich: Die Große Koalition der kleinen Kompromisse trifft nicht mehr auf Zustimmung!", heißt es in der Petition, auf die Martin Schulz auf Nachfrage nicht näher eingehen wollte. Die Position der Jusos sei ihm bekannt, wich er aus.

"Wir haben viele Optionen"

Aber welche Alternative zur "GroKo" schwebt der SPD überhaupt vor, nachdem der Bundespräsident sich unmissverständlich gegen Neuwahlen ausgesprochen hat? Die fallweise Unterstützung einer Minderheitsregierung, an der sie selbst nicht beteiligt ist? Dazu kein Wort von Martin Schulz, für den diese Phase der Unsicherheit ein Ritt auf einer Rasierklinge ist. Wenn er seine Partei nicht überzeugt, dann könnte er die längste Zeit SPD-Vorsitzender gewesen sein.  

Wartet auf die Entscheidung der SPD: Angela Merkel, CDU-Chefin und geschäftsführende BundeskanzlerinBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Über das Gespräch, das er am Vorabend im Schloss Bellevue mit dem Bundespräsidenten, Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer geführt hat, bewahrt Schulz wie verabredet Stillschweigen. Er sagt nur soviel: "Wir haben viele Optionen für eine Regierungsbildung, wir sollten über jede dieser Optionen reden." Und zwar in dieser Reihenfolge: Zunächst mit dem SPD-Parteivorstand am Montag, dann mit der Basis auf einem Parteitag am kommenden Donnerstag und Freitag - und dann vielleicht mit CDU und CSU.

Vom SPD-Parteitag hängt vieles ab

Eines ist klar: Die SPD will sich nicht im Eiltempo in ein große Koalition "hineinquatschen" lassen, muss aber dennoch bald eine Entscheidung treffen. "Wir haben Zeit", betont Schulz, was aber höchstens bis zum SPD-Parteitag gilt, auf dem er sich zur Wiederwahl stellen will. Von diesem Parteitag hängt nicht nur viel für seine politische Zukunft ab, sondern auch für den weiteren Verlauf der Regierungsbildung, die noch nie so kompliziert war wie nach dieser Wahl. Klar ist, dass Schulz sich seinen weiteren Kurs von der Basis absichern lassen will. Unmittelbar nach dem SPD-Parteitag, am 10. und 11. Dezember, trifft sich die CDU zu einer Vorstandssitzung. Erst danach dürfte klar sein, ob Union und SPD Verhandlungen über eine Große Koalition aufnehmen oder nicht. 

Nina Werkhäuser Reporterin