Spekulationen um neues Hilfspaket
28. August 2013Der Athener Finanzminister Jannis Stournaras schätzt den Mehrbedarf seines Landes auf insgesamt zehn Milliarden Euro. Dabei soll es eigentlich nicht um ein weiteres Hilfspaket, sondern lediglich um "Wirtschaftshilfen" gehen, erklärte Stournaras neulich der Athener Wochenzeitung "Proto Thema". Mit anderen Worten: Weitere Finanzspritzen sollen nicht mehr an neue Sparauflagen gebunden werden - so lautet jedenfalls die Wunschvorstellung der Regierenden in Athen.
Für den Wirtschaftspublizisten Makis Andronopoulos steht fest: Griechenland wird nicht um neue Finanzhilfen herumkommen. "Die Zahlen sind doch eindeutig und zeigen, dass im griechischen Haushalt eine Finanzlücke zwischen fünf und zehn Milliarden Euro klaffen wird, je nachdem wie sich die Konjunktur entwickelt", so Andronopoulos im DW-Interview. Und sollte Griechenland 2014 weiter in einer tiefen Rezession verbleiben, dann würden möglicherweise selbst die besagten zehn Milliarden nicht mehr reichen, befürchtet der Finanzexperte.
Streit um den rechten Weg aus der Krise
In Griechenland wird weiter über Ursache und Wirkung der Reformpolitik gestritten. Während die Einen darauf hinweisen, dass gut gemeinte Reformprojekte an politischen Zwängen oder mangelndem Modernisierungswillen vor Ort scheitern, glauben die Anderen, dass die von den internationalen Gläubigern angeordneten Sparauflagen das Land ohnehin zu einem Teufelskreis aus Schulden, Sparen und Rezession verdammen - und dabei nicht einmal das Schuldenproblem lösen.
Diese Auffassung teilt auch Makis Andronopoulos, der große Sympathie für die wachstumsorientierte Wirtschaftsstrategie der USA, aber kaum Verständnis für die konsequente Konsolidierungspolitik deutscher Prägung hat. "Sagen Sie mir doch, welcher Reformansatz dem Wirtschaftswachstum dient in diesem Land, ich sehe nämlich gar keinen", empört sich der Athener Ökonom im Gespräch mit der DW. Das profitable staatliche Glücksspielmonopol OPAP zu verkaufen, sei jedenfalls keine echte Reform gewesen. Die anstehende Sparrunde der griechischen Rentenkassen, die beim letzten Schuldenschnitt für den Privatsektor arg gebeutelt wurden, verheiße auch nichts Gutes. "Die Menschen brauchen eine Perspektive, das muss man in Berlin doch verstehen", mahnt der Ökonom, der gerade an einem Buch über das Deutschland-Bild in Griechenland arbeitet.
Gute und schlechte Nachrichten
In ihrem letzten Prüfbericht sieht die Geldgeber-Troika Fortschritte bei der Konsolidierung der griechischen Staatsfinanzen. Die Erzielung eines sogenannten Primärüberschusses im Haushalt 2014 gilt als wichtige Voraussetzung für weitere Finanzhilfen. Griechenland hätte gute Chancen, dieses Ziel auch zu erreichen, meinen Experten.
Andererseits kritisiert die aus EU, EZB und IWF bestehende Troika auch zahlreiche Versäumnisse und Unsicherheiten, etwa beim Stellenabbau im öffentlichen Dienst, sowie bei den bereits 2010 zugesagten Privatisierungen, die bis heute nur schleppend vorankommen. Allein in diesem Jahr sollten 2,6 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Staatsvermögen in die Staatskasse fließen, doch mittlerweile hat die griechische Regierung ihre Erwartungen deutlich nach unten korrigiert und rechnet nur noch mit insgesamt 1,6 Milliarden bis Ende 2013.
Der Vorsitzende des Handelsverbandes in der Region Attika (Großraum Athen), Dimitris Armenakis, will die Situation nicht ausschließlich pessimistisch sehen. "Die Zeiten waren nun mal nicht günstig für Privatisierungen, da viele Staatsbetriebe rezessionsbedingt einen großen Teil ihres Wertes verloren haben", erläutert er und fügt hinzu: "Doch immerhin wurde der Verkauf des Glücksspielkonzerns OPAP bereits über die Bühne gebracht. Das ist ein guter Anfang, weitere Privatisierungen stehen in nächster Zeit an".
"Ein neuer Schuldenschnitt ist nötig"
Dass Griechenland weitere Finanzhilfen ohne Sparauflagen bekommt, glaubt Armenakis kaum. Mit neuen Steuererhöhungen sei es jedoch nicht getan, mahnt der Vorsitzende des Handelsverbandes von Attika. Die Steuerkraft der Bürger sei erschöpft, es könne nicht sein, dass immer wieder neue Steuern oder Abgaben anfallen, klagt der Athener Geschäftsmann. Jetzt ginge es darum, dass die Opfer gerecht verteilt würden und der öffentliche Sektor seine Kosten deutlich senke. "Das mussten wir schließlich auch tun, um wirtschaftlich zu überleben", meint Armenakis.
Bei allen Reform- und Umverteilungsansätzen sei die heutige Sparpolitik einfach nicht dazu geeignet, Griechenland aus der Krise zu führen, gibt der Ökonom Makis Andronopoulos zu bedenken. Für ihn wäre ein Schuldenschnitt zu Lasten öffentlicher Gläubiger der einzig gangbare Weg. Dass sich in nordeuropäischen Ländern auch Widerstand dagegen regt, ist dem Athener Wirtschaftsexperten nicht verborgen geblieben. Dennoch sieht der Wirtschaftspublizist keine realistische Alternative für Griechenland.
"Die Menschen in Nordeuropa sollten verstehen, dass es keinen Sinn macht, ein europäisches Land in ein Entwicklungsland verwandeln zu wollen", warnt Andronopoulos. Trotz rigider Sparpolitik seien die griechischen Schulden auf über 320 Milliarden Euro gestiegen, sagt der Finanzfachmann. Diese Summe könne das Land nicht einmal in 60 Jahren zurückzahlen.