Kommt bald künstliches Blut aus dem Labor?
15. Juni 2025
Blutkonserven sind weltweit Mangelware. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen die Blutspendedienste in vielen Ländern vor der Herausforderung, ausreichend sicheres Blut zur Verfügung zu stellen. Weltweit werden nach Angaben vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) etwa 112 Millionen Blutspenden pro Jahr benötigt.Mit einer Blutspende können laut DRK bis zu drei Verletzte oder Schwerkranke versorgt werden.
Allerdings sind die Blutspender ungleich verteilt: 40 Prozent werden in Ländern mit hohem Einkommen gesammelt, in denen nur 16 Prozent der Weltbevölkerung leben. Und aus Europa zum Beispiel werden gewöhnlich keine Blutkonserven etwa nach Afrika oder Asien exportiert.
Und selbst in Ländern mit hohem Einkommen gibt es einen steten Bedarf an Blutkonserven. Oftmals können selbst Geldzahlungen, attraktive Geschenke oder Gutscheine nicht genug Menschen zur Blutspende bewegen. Allein in Deutschland werden täglich rund 15.000 Blutkonserven benötigt.
Tierisches Blut ist (noch) keine Alternative
Die Idee, tierisches Blut mittels Gentechnik so zu verändern, dass es Menschen als Blutspende verabreicht werden kann, ist zwar theoretisch möglich, aber mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Denn die roten Blutkörperchen von Tieren unterscheiden sich stark von menschlichen, insbesondere in der Oberflächenstruktur.
Das menschliche Immunsystem würde tierisches Blut in der Regel als fremd erkennen und abstoßen. Deshalb müssten alle immunologisch relevanten Antigene entfernt oder menschliche Antigene eingefügt werden, was sehr kompliziert ist. Darum ist die Nutzung von tierischem Blut als Blutspende für Menschen derzeit noch nicht realistisch.
Die Suche nach dem universellen Kunstblut
Auf der Suche nach Alternativen verfolgen Forschende in aller Welt sehr unterschiedliche Ansätze, um künstliches Blut herzustellen. So verändern Forschende zum Beispiel Blutstammzellen, damit die roten Blutkörperchen mehr Sauerstoff transportieren. Oder sie entwickeln Enzyme, die Blutgruppen neutral machen können, damit Blut universeller passt. Zudem werden künstliche rote Blutkörperchen entwickelt, die länger haltbar sind.
Aber die Entwicklung von künstlichem Blut ist nicht ohne Risiken. Es kann zu Immunreaktionen kommen, wenn der Körper auf fremde Enzyme oder Bestandteile des künstlichen Blutes mit anaphylaktischen und damit lebensbedrohlichen Reaktionen reagiert. Künstliches Blut muss also alle Funktionen des natürlichen Blutes erfüllen und universell einsetzbar sein.
Die aussichtsreichsten Forschungsansätze
Einige Methoden zur Herstellung von künstlichem Blut sind schon fast einsatzbereit, andere brauchen noch mehr Tests auch an Menschen, damit diese neuen Blutprodukte sicher sind.
1. Gen-Modifikationen bei roten Blutkörperchen
Forschende der Stanford University und der University of California, San Francisco (UCSF) haben mittels CRISPR-Genschere eine neue Methode entwickelt, um bestimmte Stammzellen im Knochenmark so zu verändern, dass sie mehr roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) produzieren. Dadurch können die roten Blutkörperchen mehr Sauerstoff transportieren. Allerdings können so bislang nur sehr geringe Mengen hergestellt werden, die etwa 1 Prozent einer regulären Blutspende ausmachen. Da es aber keine Komplikationen oder Nebenwirkungen gab, werden diese Ergebnisse als medizinischer Durchbruch gefeiert.
2. Blutgruppenneutralisierung mit Enzymen aus Darmbakterien
Wissenschaftler aus Dänemark und Schweden haben Enzyme aus einem Darmbakterium gefunden, die bestimmte Stoffe auf roten Blutkörperchen entfernen können. Diese ABO-Blutgruppenantigene bestimmen die Blutgruppe, zum Beispiel A oder B. Wenn man sie entfernt, werden die Blutkörperchen zur Gruppe 0, die man fast jedem geben kann. Allerdings verbleiben bislang noch kleine Reste im Blut, die bei manchen Menschen starke allergische Reaktionen auslösen können. Die große Herausforderung besteht darin, zusätzlich auch den sogenannten Rhesusfaktor zu entfernen.
3. Nano-RBCs: Kleine künstliche rote Blutkörperchen
Forschende der Penn State University in den USA bauen winzige, künstliche rote Blutkörperchen (RBC), die genauso funktionieren wie echte. Obwohl diese Nano-RBCs nur etwa ein Zehntel der Größe der echten roten Blutkörperchen besitzen, können sie trotzdem genauso viel Sauerstoff transportieren. Diese kleinen Blutkörperchen sind sehr flexibel und können auch durch enge Blutgefäße fließen. Da sie zudem lange bei Raumtemperatur halten, sind sie ideal bei Notfällen oder Katastrophen einsetzbar.
Allerdings dürfen künstliche Blutzellen auf keinen Fall zu Verklumpungen oder Thrombosen führen oder Immunreaktionen auslösen. Zudem können bislang nicht ausreichende Mengen an künstlichen Blutzellen im Labor nachgebildet werden. Die Sicherheit und Wirksamkeit in großem Maßstab kann deshalb noch nicht ausreichend belegt werden.
4. Militärische Anwendungen zur Leistungssteigerung
Das US-Militär unterstützt Forschungen, bei denen ebenfalls natürliche rote Blutkörperchen mit speziellen Nanopartikeln beladen werden. Das Forschungsprogramm der US-Behörde DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) namens "Red Blood Cell Factory" soll Soldaten helfen, besser mit wenig Sauerstoff klarzukommen, zum Beispiel in großer Höhe, bei extremer Hitze oder Kälte, bei großen Anstrengungen, bei Krankheitserreger oder endemische Krankheiten wie Malaria. Ähnliche Forschungen werden offenbar auch in China betrieben.
5. Aus alten Konserven wird Universalblut
In Japan testen Forschende der Nara Medical University seit März 2025 künstliche Hämoglobin-Bläschen bereits an Menschen. Gewonnen werden die Hämoglobin-Bläschen aus alten, nicht genutzten Blutkonserven. Diese Bläschen können Sauerstoff gut transportieren und passen zu jeder Blutgruppe. Die ersten Daten wurden gerade erst im Juni 2025 im "Journal of Artificial Organs" veröffentlicht. Manche Testpersonen hatten leichtes Fieber, aber die Ergebnisse sind so vielversprechend, dass die Forscher die Methode ab 2030 für den Einsatz erlauben lassen wollen.
All diese vielversprechenden Ansätze werden mit Hochdruck weiterverfolgt. Aber es wird wohl noch Jahre dauern, bis künstliches Blut in ausreichenden Mengen und mit der nötigen Sicherheit für den breiten Einsatz zur Verfügung steht.
Bis dahin bleiben Blutspenden unverzichtbar für die Transfusionsmedizin.