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Spiegel der Politik: Bollywoods Blick auf Kaschmir

Hridi Kundu
11. August 2025

Die Bergregion Kaschmir in Himalaja galt lange als Kulisse für Liebesfilme. Mit zunehmenden politischen Spannungen wird heute der Landstrich in Bollywood-Filmen als Versteck für Terroristen und Separatisten dargestellt.

Indien Kaschmir 2025 | Indischer Soldat nahe der Line of Control im Einsatz
Ein indischer Soldat in Kaschmir im Mai 2025Bild: Tauseef Mustafa/AFP

In den vom Schnee bedeckten Bergen am Rande des Himalajas liegt ein Gebiet, das Jahrzehnte lang von Konflikten und dem Ruf nach Freiheit geprägt ist: Kaschmir. Die Bergregion wird von drei asiatischen Atommächten beansprucht: Indien, Pakistan und China. Indien verwaltet dort zwei Unionsterritorien Jammu und Kaschmir sowie Ladakh.

Die schwer zugängliche Region, die halb so groß wie Deutschland ist, weckt tiefe Emotionen in Südasien, als Projektion für Romantik und als Schauplatz von Gewalt. Kein Wunder, dass Kaschmir auch eine zwiespältige Rolle in den populären Filmen "Made in Bollywood" spielt.

"Sind wir hier oder nicht?", fragt sich der gleichnamige Protagonist im Film "Haider", den der indische Starregisseur und mehrfach international ausgezeichnete Filmemacher Vishal Bharadwaj 2014 auf die Leinwand brachte. Haider war nach dem Uni-Abschluss auf der Suche nach seinem verschollenen Vater in Kaschmir und nach Orientierung als geborener Kashmiri. "Wo sind wir dann hingegangen? Wenn wir existieren, für wen und wann?"

Der Polit-Thriller zeigte die gesamte Bandbreite dessen, was das Publikum mit der Bergregion verbindet - einer Familientragödie vor dem Hintergrund bewaffneter Konflikte und eben auch die atemberaubende Schönheit und die reiche Kultur in Kaschmir.

Im Bollywood-Film "Haider" aus 2014 ist die Hauptrolle Haider (r.) auf der Suche nach der Orientierung als geborener KashmiriBild: UTV Motion Pictures

Ganz am Anfang nur Romanze

In den ersten Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 stellte Bollywood Kaschmir noch als konfliktfreie romantische Idylle dar: ein Tal inmitten schneebedeckter Berge mit farbenfrohen Tulpenbeeten und üppigen Deodar- und Chinar-Bäumen. So zum Beispiel im Film "Barsaat", übersetzt "Regen", aus dem Jahr 1949: Produziert hat ihn die indische Filmlegende Raj Kapoor, der als Charlie Chaplin von Indien bekannt war. Seine Kindheit hatte er in der heutigen pakistanischen Stadt Peschawar verbracht.

Touristen im indischen Teil von Kaschmir vor den SchneebergenBild: Khalid Khan/DW

Der Produzent Kapoor führte auch Regie und spielte zudem die Hauptrolle. Für ihn war Kaschmir kein politisches Thema, sondern nur malerische Kulisse für Romantik. Dieses Beziehungsdrama handelt von der Flucht junger Menschen aus dem tristen Stadtleben und der Suche nach wahrer Liebe. Zwei Stadtjungen mit gegensätzlichen Charakterzügen verlieben sich während ihres Urlaubs in bodenständige Mädchen aus Kaschmir.

Spätere Filme wie "Kashmir ki Kali" ("Die Blüte von Kaschmir") aus dem Jahr 1964 von Regisseur Shakti Smanta setzten diesen Trend fort. Es ging immer um die großen zwischenmenschlichen Beziehungen in der Berglandschaft. Religion oder Politik waren nie Thema auf der Leinwand.

Kaschmir sei damals eine Spielwiese für indische Filmemacher gewesen, sagt der indische Drehbuchautor Sanjay Kak. "Bei Szenen über Kaschmir dürfen die Zuschauer ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Alle Dispute, die mit dem Ort der Handlung in Verbindung stehen, bleiben unerwähnt."

Der Erfolg im Kino brachte viele Touristen und Kinofans aus dem In- und Ausland dazu, Regionen im indischen Teil von Kaschmir zu besuchen. Für sie erschien Kaschmir wie das Paradies auf Erden. Nach und nach gewann Bollywood an Bedeutung bei der Bildung der öffentlichen Meinung über die schöne Bergregion.

Sicherheitskräfte in Srinagar, der Hauptstadt des Unionsterritoriums Jammu und Kaschmir, im Mai 2025Bild: SAJJAD HUSSAIN/AFP

Wendepunkt nach blutigen Konflikten

Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre wurde es wieder unruhig in der muslimisch geprägte Region Kaschmir. Im indischen Teil brach ein bewaffneter Aufstand aus. Es gab den Vorwurf, dass die Parlamentswahlen 1987 im damaligen indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir von der indischen Zentralregierung manipuliert worden seien. Die "Muslim United Front" (MUF), eine lokale Koalition islamischer politischer Parteien aus Kaschmir, der viele einen guten Wahlerfolg prophezeit hatten, verlor die Wahlen. Sie gewann lediglich vier von 76 Sitzen.

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Die MUF hatte die Wahlergebnisse nicht anerkannt und forderte unabhängige Untersuchungen. Die Regierung in Neu-Delhi ließ jedoch bis zu ein Tausend MUF-Aktivisten festnehmen und foltern. Die Sicherheitskräfte konnten dabei gesetzlich legitimierte Maßnahmen ergreifen, die im Normalfall nur gerichtlich verordnet werden konnten. Enttäuschte junge Muslime wandten sich militanten Gruppierungen zu.

Diese Entwicklungen führten dazu, dass Kaschmir in den Kinosälen als ein Ort zunehmenden Extremismus sowie ein Landstrich der Angst und Spaltung dargestellt wurde. Ein Bild, das bis heute vorherrscht.

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"Kaschmir ist durch die Turbulenzen der 1990er-Jahre in den Mittelpunkt des politischen und emotionalen Bewusstseins Indiens gerückt", sagt Meenakshi Bharat, Filmkritikerin und Autorin von "Hindi Cinema and Pakistan". "Die gesamte Branche Bollywood war als ein gesellschaftlicher Spiegel gezwungen, diese Veränderung und Erwartungen des Publikums zu adaptieren."

Infolgedessen veränderten sich die Filmnarrative. Kaschmir wurde zunehmend als Schlachtfeld dargestellt, auf dem indische Soldaten gegen die von Pakistan unterstützten Milizen kämpften. Filme wie "Roja" (1992) verbanden menschliche Geschichten mit Konflikt und Terrorismus.

Filmposter "Roja" 1992Bild: Ultra Media & Entertainment Pvt. Ltd.

"Der Film 'Roja' markierte wirklich den traurigen Wandel Kaschmirs von einem Ort der Romantik zu einem bedrohten verwüsteten 'Paradies'", sagt Filmkritikerin Bharat im DW-Interview. In diesem Film, der in der Tamil-Sprache produziert wurde, geht es um die Entführung eines Verschlüsselungsexperten vom indischen Geheimdienst aus Tamil Nadu. Damit sollte die Freilassung eines islamistischen Topterroristen und Separatisten aus Kaschmir zu erzwingen.

Für den Drehbuchautor Kak habe der Film die Fantasien des indischen Publikums über Nationalismus und Patriotismus "rekonstruiert". Seit "Roja" werden Militante aus Kaschmir häufig als gewalttätige Gegner dargestellt. Filmkritiker sehen die Gefahr, dass die muslimische Identität in der Region Kaschmir lediglich auf Terrorismus reduziert werde.

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Narrativ "Kaschmir"

Anfang der 2000er-Jahre begannen Bollywood-Filme dann, die komplexen sozialen, politischen und emotionalen Realitäten Kaschmirs näher zu beleuchten, einschließlich seiner Konfliktgeschichte und des Traumas, das seine Bevölkerung aufgrund anhaltender Gewalt erlitten hat.

Diese unbewältigte Trauer ist geprägt vom Verschwindenlassen von Personen, Vertreibung und zerrütteten Familien. Daraus entstanden die Narrative für Drehbücher, die persönlichen tragischen Familiengeschichten mit extremistischen Ideologien in Verbindung bringen. Auf der anderen Seite stehen nach wie vor die indischen nationalen Sicherheitsinteressen und der nationalistische Patriotismus im Fokus.

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Drehbuchautor Kak beschreibt die Bollywood-Filme als "staatsorientiert". Der rote Faden eines Bollywood-Films stimme weitgehend mit den politischen Ansichten der indischen Zentralregierung überein. Dieser Trend ist seit August 2019 noch deutlicher geworden, als Neu-Delhi den Sonderstatus von Kaschmir als teilautonome Region durch eine Verfassungsänderung mit dem Artikel 370 aberkannte.

Der damalige Bundesstaat Jammu und Kaschmir ist das einzige mehrheitlich muslimische Gebiet in Indien. Neu-Delhi begründete die Aberkennung der Teilautonomie Kaschmirs damit, dass diese eine "Grundursache" für die anti-indische Militanz gewesen sei. "Mit der politischen Veränderung hat sich auch die zeitgenössischen Filme verändert", sagt Drehbuchautor Kak gegenüber der DW.

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"The Kaschmir Files" (2022) erzählt zum Beispiel eine fiktive Umsiedlungsgeschichte von Hindus in Kaschmir im Jahr 1990. Der Film stellt den Exodus als einen Völkermord dar. Diese Position wird im realen politischen Leben von Hindu-Nationalisten vertreten. Nach Ansichten der Kritiker fördere der Film ein "einseitiges" Storytelling, das das Risiko berge, antimuslimische Stimmungen zu verstärken und die Spaltungen zwischen den Religionen zu beschleunigen.

Schließlich kam im vergangenen Jahr der Film "Artikel 370" in die Kinos, der die Aufhebung des halbautonomen Status Kaschmirs filmisch in Szene setzte. Die Produktion hat umgerechnet zwei Millionen Euro gekostet. Der Agentenfilm hat im Box Office etwa elf Millionen Euro eingespielt. Das zeigt, dass patriotische Motive nicht nur den hindu-nationalistischen Machthabern gefallen, sondern auch von den Kinobesuchern gerne gesehen werden.

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Im Film geht es um eine fiktive Undercover-Operation gegen Terroristen in Kaschmir, die später zu politischen Entscheidungen führte, Paragraf 370 über die Teilautonomie in Kaschmir zu verändern.

Bollywood müsse auch politische Stimmungen im breiten Publikum einfangen, sagt Filmkritikerin Bharat. "Jetzt ist es schwierig, nur die wunderschönen Täler in Kaschmir als makellose romantische Kulisse zu zeigen".

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan

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