Oscar-Preisträger Steven Spielberg - der auf der Berlinale 2023 den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk bekommt - erzählt in dem semi-autobiografischen Film "The Fabelmans", wie er Regisseur wurde.
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Steven Spielbergist einer der erfolgreichsten Filmemacher und Produzenten aller Zeiten. Mit seinem neuesten Film "The Fabelmans" läuft er zum ersten Mal seit Langem im Wettbewerb eines Festivals. In der Regel laufen seine Filme bei Filmfestspielen außer Konkurrenz. Seine Tochter habe ihm Atemübungen gegen Nervosität verraten, so Spielberg. Kurz darauf räumt er den begehrten Publikumspreis des TIFF ab.
Dieser Film, der bei seiner Weltpremiere direkt für Furore sorgt, ist tatsächlich etwas ganz Besonderes für Spielberg. Es stecke zwar in jedem seiner Filme etwas Autobiografisches, sogar in der Figur Indiana Jones, "ob Sie es glauben oder nicht", betont er bei dem Interview in Toronto lächelnd. "The Fabelmans" sei aber anders, denn es sei die erste "sehr fokussierte, bewusste Coming-of-Age-Geschichte", die er je erzählt habe. Die Protagonisten in Spielbergs Filmen sind zwar oft Kinder oder Erwachsene aus zerrütteten Mittelstandsfamilien, doch diesmal geht es um seine eigene Familie.
Märchen, Mythen & Geschichte: Steven Spielbergs Filme
Steven Spielberg erfand das Blockbuster-Kino, machte aus Aliens Freunde, schockierte uns mit blutrünstigen Haien und vermittelte zwischen den Kulturen.
Bild: Imago
Das Debüt: Duell (1971)
Der erste Spielfilm ist nicht für die Leinwand sondern fürs Fernsehen bestimmt. Wegen des großen Erfolgs kommt das "Duell" später auch in die Kinos. Ein billig produzierter, ungemein effektvoller Thriller: In der Einöde Kaliforniens duelliert sich ein aggressiver Tanklastwagen mit einem Auto. Ursprünglich hatte Steven Spielberg vorgehabt, komplett auf Dialoge zu verzichten.
Bild: picture-alliance/United Archiv/IFTN
Erster Blockbuster: Der weiße Hai (1975)
Nach weiteren TV-Filmen und dem Kinodebüt "Sugarland Express" erschüttert Spielberg 1975 die Filmwelt mit einem Hai. Der extrem spannend inszenierte Film setzt Maßstäbe. Kommerziell ist er unfassbar erfolgreich: Bei einem Produktionsbudget von nur sieben Millionen spielt er 470 Millionen Dollar ein. Mit verhältnismäßig wenig Tricktechnik gelingt dem Regisseur ein großartiger Thriller.
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Blick in die Zukunft: Unheimliche Begegnung der dritten Art (1977)
Spielbergs erster Science-Fiction-Film kommt gleichzeitig mit George Lucas "Star Wars" in die Kinos. "Star Wars" läutet gemeinsam mit "Der weiße Hai" die Ära des Blockbuster-Kinos ein. Spielbergs "Unheimliche Begegnung der dritten Art" ist bei weitem nicht so erfolgreich an den Kinokassen, ist aber im Grunde der bessere Film. Mit François Truffaut in einer Hauptrolle!
Bild: picture-alliance/United Archives/IFTN
Neue Mythen: Jäger des verlorenen Schatzes (1981)
Nach dem künstlerischen Flop, der Pearl-Harbor-Kriegskomödie "1941", sorgt der Amerikaner mit seinem "Jäger des verlorenen Schatzes" für ein weiteres Kapitel in der Geschichte des Blockbuster-Kinos. Harrison Ford als Schatzsucher Indiana Jones wird zur Kultfigur. Der Film läutet die Ära der großen Film-Fortsetzungen ein. Bis 2008 entstehen drei ebenso erfolgreiche Sequels.
Bild: Imago/AD
Freundschaften: E.T. - Der Außerirdische (1982)
"E.T." ist der nächste Paukenschlag des Regiewunderkindes. "E.T.", der von der Begegnung eines Jungen mit einem Außerirdischen erzählt, ist Spielberg pur: Märchen- und Science-Fiction, familienfreundlich und bewegend, tricktechnisch perfekt, aber mit menschlichen Charakteren besetzt. "E.T." ist sogar im Spielberg-Kosmos so singulär, dass der Meister sich nicht an eine Fortsetzung setzt.
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Blick in die Vergangenheit: Jurassic Park (1993)
Das war bei "Jurassic Park" anders. Die Dinosaurier aus der Frühzeit der Erdgeschichte, die die Menschen von heute in Angst und Schrecken versetzen, entwickeln sich zu einem Renner. Im Kino - aber auch in der Wirklichkeit. Die Spielzeug-Industrie freut sich über neue Einnahmequellen, Freizeitparks in aller Welt werben mit Dinos, Eltern staunen über das paläontologische Wissen ihrer Kleinen.
Bild: picture-alliance/United Archiv/IFTN
Wahre Geschichte I: Schindlers Liste (1993)
Noch im gleichen Jahr bringt der Regisseur die Welt erneut zum Staunen. Nach "Jurassic Park" kommt die Holocaust-Erzählung "Schindlers Liste" in die Kinos und präsentiert einen ganz anderen Spielberg. Der Amerikaner entdeckt seine europäisch-jüdischen Wurzeln und zeigt, was er außerdem noch drauf hat: Kino für historisch interessierte Erwachsene jenseits von Hollywood-Klimbim.
Bild: picture-alliance/dpa
Wahre Geschichte II: Der Soldat James Ryan (1998)
Fünf Jahre später folgt Spielbergs zweiter Teil in Sachen filmischer Geschichtslektion. "Der Soldat James Ryan" zeigt in aller Deutlichkeit, wie verlustreich 1944 die Landung der Alliierten an der französischen Küste war. Der schonungslose Film beschert dem Regisseur erneut mehrere Oscars. Steven Spielberg ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen.
Bild: Uip
Charmante Komödie: Catch Me If You Can (2002)
Und wieder eine überraschende Wandlung. Nach zwei interessanten Science-Fiction-Filmen ("A.I. - Künstliche Intelligenz" und "Minority Report") erholt sich Spielberg mit der charmanten Hochstapler-Komödie "Catch Me If You Can" von all den schweren Themen und Sujets. Spielberg inszeniert Superstar Leonardo DiCaprio überzeugend als Schwindler.
Bild: imago/EntertainmentPictures
Digitales Kino: Die Abenteuer von Tim und Struppi (2011)
Mit der Verfilmung einer Episode der "Abenteuer von Tim und Struppi" macht Spielberg nicht alle glücklich. Der computeranimierte Film ist nur eine halb geglückte Mischung aus Real- und Animationskino. Zwar nimmt man Spielberg seine Liebe zum Comic-Klassiker des Belgiers Hergé ab, doch die Verfilmung wirkt künstlich und leblos. Erfolgreich ist sie trotzdem.
Bild: 2011 Sony Pictures Releasing GmbH
Düsteres Theater: Lincoln (2012)
"Lincoln" ist wieder der "historischen Seite" des Regisseurs zuzurechnen. Spielbergs Versuch, die letzten Monate des 16. Präsidenten der USA auf die Leinwand zu bringen, bringt ihm Respekt von allen Seiten ein. Doch das düstere Geschichtsepos reiht sich eher in das schwächere Alterswerk des Regisseurs ein, das nicht mehr von ganz so spektakulär erfolgreichen Filmen geprägt ist.
Bild: picture-alliance/dpa
Deutsche Geschichten: Bridge of Spies - Der Unterhändler (2015)
Das deutsch-deutsche Spionagedrama "Bridge of Spies - Der Unterhändler" drehte Spielberg mit seinem Lieblingsschauspieler Tom Hanks zu großen Teilen in den Babelsberger Filmstudios und stellte ihn persönlich bei der Premiere in Berlin vor. Nach "Munich" widmet sich Spielberg zum zweiten Mal der jüngeren deutschen Geschichte.
Bild: Imago/ZUMA Press
Polit-Skandal auf großer Leinwand: Die Verlegerin (2017)
Die wahre Geschichte von der Veröffentlichung der Pentagon-Papiere durch die "Washington Post" wird von Meryl Streep und Tom Hanks im Film "Die Verlegerin" erstklassig gespielt. In den Rollen von Katharine Graham - der ersten Frau an der Spitze einer großen US-Zeitung - und des Chefredakteurs Ben Bradlee, fangen sie den journalistischen Nervenkitzel ein.
Bild: picture-alliance/20th Century Fox/Everett Collection/N. Tavernise
Musikfilm: West Side Story (2021)
Spielbergs Adaption der "West Side Story" ist sein erster Ausflug in die Welt des Musikfilms und eine Neuinterpretation des Musicals über ein Liebespaar, das 1957 in New York City spielt. Während der Film von einigen Kritikern für einen Oscar gehandelt wird, sind andere in ihren Rezensionen weniger freundlich. Der "New Yorker" erklärt unverblümt, dass das Remake "schlechter als das Original" sei.
Bild: Twentieth Century Fox/Zuma/picture alliance
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Kino als prägendes Erlebnis
Sammy (als Kind gespielt von Mateo Zoryon Francis-DeFord, als Jugendlicher von Gabriel LaBelle) ist der Sohn zweier Eltern, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Papa Burt ist ein praktisch denkender und zurückhaltender Computeringenieur, Mama Mitzi eine flamboyante, kreative und extrovertierte Frau, die eigentlich Konzertpianistin werden wollte und sich nun um den Haushalt und die vier gemeinsamen Kinder kümmert.
Eines Tages nehmen die beiden ihren Sohn mit ins Kino. Auf dem Spielplan steht Cecil B. DeMilles "The Greatest Show on Earth". Der Film hinterlässt einen bleibenden Eindruck beim jungen Sammy Fabelman – genau wie er es beim jungen Steven Spielberg getan hat. Es ist die Szene eines Zugunglücks, die sich Sammy förmlich ins Gehirn brennt und ihn gleichermaßen ängstigt und fasziniert. Er rekonstruiert sie zu Hause mit seiner Modelleisenbahn und filmt sie mit der Super-8-Kamera seines Vaters ab – teils um zu verstehen, wie die Szene technisch zustande kam, teils um weniger Angst davor zu haben.
Filmemachen als Notwendigkeit
Ermutigt vor allem durch seine Mutter und später seinen Onkel Boris, wird Film zu Sammys Leidenschaft und zur Konstanten in seinem Leben, während die Ehe seiner Eltern langsam zerbricht. Er castet seine eigenen Schwestern und Freunde für immer größere und ausgefeiltere Szenen. Die Arbeit mit der Kamera ist für Sammy von Anfang an nicht nur ein "Hobby", wie sein Vater es dem Jungen immer wieder einzureden versucht, sondern schiere Notwendigkeit. Eines Tages dreht Sammy seine Familie bei einem Campingausflug und entdeckt dabei – allein dadurch, dass er das Geschehen mit seiner Kamera beobachtet hat – das Geheimnis seiner Mutter, die zu einem Freund der Familie mehr als nur eine platonische Beziehung pflegt.
Steven Spielberg, der am 18. Dezember 1946 in Cincinnati, Ohio, geboren wurde, hat als Filmemacher eine beispiellose Karriere hingelegt. Laut "Hollywood Reporter" ist er der kommerziell erfolgreichste Regisseur aller Zeiten. Mit Filmen wie "Der weiße Hai", "E.T.", der "Indiana Jones"-Reihe, "Schindlers Liste", "Der Soldat James Ryan" oder "Jurassic Park" hat Spielberg im Laufe seines Lebens bewiesen, dass er von Suspense über Mystery bis hin zu Historischem und Dramatischem die gesamte Klaviatur des Kinos beherrscht.
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Antisemitismus-Erfahrungen in Kindheit und Jugend
Wie Sammy Fabelman im Film stammt auch Steven Spielberg aus einer ukrainisch-jüdischen Familie, von der einige Mitglieder im Holocaust ums Leben kamen. In der Schule wurde er häufig dafür gemobbt, dass er Jude war. Später wandte er sich vom Glauben ab. Mit dem Holocaust-Drama "Schindlers Liste" verarbeitete er erst Jahrzehnte später sein Jugendtrauma. Für den Film bekam er seinen ersten Regie-Oscar. Insgesamt gewann er bereits drei der begehrten Trophäen, 19-mal war er nominiert, dazu kommen zahlreiche Golden Globes und Emmys.
In Interviews hat er in der Vergangenheit immer wieder von seinen Eltern erzählt: dass die Familie oft aufgrund des Jobs seines Vaters umziehen musste, und wie er als junger Pfadfinder in Arizona ein Abzeichen für Fotografie gewinnen wollte, sich dafür die 8-mm-Filmkamera seines Vaters auslieh und den neunminütigen Film mit dem Titel "The Last Gunfight" produzierte. Und auch, wie er unter der Scheidung seiner Eltern litt und wie sehr sie ihn geprägt hat.
Kritikerliebling - und vielleicht Oscarkandidat?
Mit "The Fabelmans" hat sich Steven Spielberg nun auch an die Aufarbeitung dieser für ihn und seine Familie sehr turbulente Zeit gewagt. Dafür hat er sich mit Tony Kushner zusammengetan, mit dem er auch schon die Filme "Lincoln" und "West Side Story" geschrieben hat. Eine gute Wahl, wie es scheint, denn die US-amerikanische und britische Presse ist weitgehend voll des Lobes. So schreibt die BBC auf ihrer Website, "The Fabelmans" erlaube es den Zuschauern, "die Charaktere kennenzulernen ohne uns zu sagen, was wir zu denken haben" und lobt die "lebhaft realistischen Familienszenen".
Auch Kritiker von "The Guardian" über "CNN" und "The Atlantic" bis zum "New Yorker" sind sich darin einig, dass "The Fabelmans", der sicherlich ein sogenannter "crowd pleaser" ist, die Schwächen seiner Protagonistinnen und Protagonisten jedoch nicht herunterzuspielen versuche, sondern – ganz im Gegenteil – ein sehr realistisches Bild der verschiedenen Charaktere liefere.
Spielbergs Nervosität bei der Weltpremiere von so einem persönlichen Projekt ist mehr als verständlich, doch sie hat sich gelohnt: "The Fabelmans" wird bereits als Kandidat für den Oscar gehandelt. Bei den 73. Internationalen Filmfestspielen Berlin im kommenden Jahr soll Spielberg den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk erhalten. Im Rahmen der Preisverleihung soll "The Fabelmans" gezeigt werden.
"The Fabelmans" startet am 23.11.2022 in den USA und erscheint im März 2023 in Deutschland. Leider lag uns der Film zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels noch nicht als Sichtungskopie vor.
In einer früheren Version dieses Artikels haben wir das Alter des Regisseurs falsch angegeben. Die Zahl ist nun korrigiert.