Spiele für das Volk?
23. Juli 2012Sie dürfen bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 2012 in London dabei sein: Schulkinder und Krankenschwestern, Durchschnittsbriten eben; sie sollen die Vielfalt, Kreativität und den Humor der britischen Inseln darstellen.
Rund 10.000 Teilnehmer muss das Organisationskomitee für die Zeremonie im Olympiastadium koordinieren - eine Show, die nach Angaben der Organisatoren ein Bild "von uns als Nation" zeigen soll. Eigentlich sollten die Details der Veranstaltung bis zur Eröffnungsfeier am 27. Juli geheim bleiben, aber Regisseur Danny Boyle ließ verlauten, dass eine ländliche Idylle zu sehen sein wird - mit 70 Schafen, zwölf Pferden, drei Kühen, jeweils zehn Hühnern und Enten, neun Gänsen und drei Hütehunden.
Die Kosten der opulenten Veranstaltung werden auf mehr als 33 Millionen Euro beziffert. Den Bombast der Eröffnungsfeiern der Chinesen oder Griechen strebt Boyle jedoch nicht an. Die Sommerspiele in London sind nicht für gesellschaftliche Eliten gedacht, sie sollen Spiele für das Volk sein. In einem Interview mit dem Guardian erklärte der Regisseur, ihm schwebe die "Menschlichkeit der Spiele in Sydney 2000" vor - die man damals als "The People's Games" feierte, die Spiele des Volkes.
Tickets: zu wenig, zu teuer
Bisher sind rund sieben Millionen der insgesamt 8,8 Millionen Tickets online verkauft worden. Ein Restkontingent von ungefähr 500.000 Karten, heißt es, werde zu exorbitant hohen Preisen auf dem Schwarzmarkt feilgeboten.
Das klingt schon fast wie Hohn in den Ohren mancher Bewohner Londons. Die Spiele werden zwar vor ihrer Nase stattfinden, aber die Eintrittspreise für die Wettkämpfe können sie sich kaum leisten.
Dabei sei es einfach nur so gewesen, dass mehr Leute Karten haben wollten als zum Verkauf angeboten wurden, betonte Jonathan Edwards, Repräsentant des Organisationskomitees für die Athleten (LOCOG), in einem DW-Interview.
"Das ist natürlich toll für das Organisationskomitee, schließlich kommen 25 Prozent unserer Einnahmen aus Ticketverkäufen. Außerdem haben wir dem internationalen Organisationskomitee und überhaupt allen Athleten dieser Welt versprochen, dass die Sportler in vollen Stadien gegeneinander antreten werden, und genau das werden sie bekommen".
Diese Sommerspiele werden Menschen auch außerhalb der Stadien erreichen und beeinflussen, so Edwards. Er wolle ja nicht die Enttäuschung der Menschen herunterspielen, aber es sei auch ohne Olympiatickets ungeheuer viel los in London. "Es gibt ein gewaltiges Kulturprogramm, das London 2012 Festival, und viele Möglichkeiten, bei den Spielen mitzumachen, auch wenn man die letzen 100 Meter der hochkarätigen Rennen nicht live miterlebt".
Verkehrsprobleme sind vorprogrammiert
Die Verfügbarkeit von Tickets ist die eine Sache, das in der britischen Hauptstadt zu erwartende Verkehrschaos ist eine andere Sorge vieler Londoner. Garrett Emmerson riet Autofahrern, sich um jeden Preis während der Spiele vom Zentrum der Stadt entfernt zu halten. Reportern sagte der Chef der Dachorganisation TfL, die für das Verkehrssystem in der Hauptstadt zuständig ist, es werde schon im Vorfeld massive Staus geben. "London wird überfüllt sein", warnte Emmerson. Es werde während der Spiele etwa drei Millionen mehr Fahrten geben und die Medien, Athleten und Gäste träfen sogar schon früher ein. Daher sei es klar, "dass Verkehrsstaus an den Hotspots in der Innenstadt die Norm sein werden".
Autofahrern wurde insbesondere ans Herz gelegt, eine bestimmte Route, die 175- Kilometer lange "Olympic Route Network" (ORN), zu meiden; diese werde mindestens sechs Wochen lang weite Bereiche der Stadt in eine Art Tabuzone verwandeln. Man plant, Fahrspuren im ORN-Netzwerk für Organisatoren, Athleten und VIPs abzusperren, was den ein oder anderen an Moskau zu Sowjetzeiten erinnert haben mag, wo sogenannte ZIL-Spuren hochrangigen Funktionären vorbehalten waren.
Londoner Taxifahrer sind verärgert, dass man ihnen den Zugang zu den Sonderspuren verwehrt; sie fürchten ums Geschäft. "Die Olympischen Spiele werden uns sehr betreffen. Unsere erste Sorge gilt der vollen Nutzung der ZIL-Spuren und der Olympic Route Network", betont Steve McNamara, Sprecher des Verbands Lizenzierter Taxifahrer in London, gegenüber DW. "Zusätzlich werden Spuren auf fast allen Hauptfahrtstrecken in London gesperrt - das sind 38 Meilen".
Ärger ist wohl unvermeidlich, wenn eine Stadt solch ein globales Mega-Event organisiert - trotz allem ist man zuversichtlich, dass, wenn die Spiele einmal begonnen haben, die Londoner in Stimmung kommen und sich mit ihren "People's Games" identifizieren.