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SportGlobal

Spielen Frauen zu viel Fußball?

Matt Pearson
1. Dezember 2022

Einige der weltbesten Fußballerinnen laufen Gefahr, die WM im Sommer verletzungsbedingt zu verpassen. Kritik wird laut, die Anzahl der Spiele sei zu hoch. Gleichzeitig wird mehr Wettbewerb gefordert. Was ist richtig?

Pernille Harder sitzt nach ihrer Verletzung am Spielfeldrand auf dem Rasen
Top-Stürmerin Pernille Harder muss wegen einer Knieverletzung pausierenBild: Sven Beyrich/ZUMA/picture alliance

Als Alexia Putellas im Oktober ihren zweiten Ballon d'Or entgegennahm, hatte sie seit ihrer Kreuzbandverletzung am Vorabend der Europameisterschaft im Juli nicht mehr gespielt. Weniger als einen Monat, nachdem die Spanierin, die beim FC Barcelona spielt, zur weltbesten Spielerin gekürt worden war, fiel die von ihr auf den zweiten Platz verwiesene Engländerin Beth Mead vom FC Arsenal der gleichen Verletzung zum Opfer. Die deutsche Nationalspielerin Giulia Gwinn erlitt Anfang Oktober im Training einen Kreuzbandriss und muss darum kämpfen, rechtzeitig zur WM wieder fit zu sein.

In der Länderspielpause Mitte November erlitt ihre Teamkollegin bei den DFB-Frauen Lena Oberdorf während eines Freundschaftsspiels in den USA eine Schulterverletzung. Dabei hätte ihr Vereinstrainer es lieber gesehen, wenn sie gar nicht zur Nationalmannschaft gefahren wäre, sondern in Wolfsburg trainiert und ihre Belastung gesteuert hätte. Nun fällt sie erstmal aus. Und auch Dänemarks Topstar Pernille Harder vom FC Chelsea musste sich einer Operation unterziehen, da sie sich bei einem Länderspielauftritt eine Knieverletzung zugezogen hatte.

Beth Mead ist eine von mehreren Spielerinnen, die wegen einer Knieverletzung die WM im Sommer verpassen könntenBild: Daniela Torres/ZUMA/picture alliance

Die Niederländerin Vivianne Miedema ist zwar nicht verletzt, gespielt hat sie hat in der Länderspielpause aber auch nicht, nachdem ihr Verein, der FC Arsenal, ihr eine Auszeit gewährte, um sich "auszuruhen und neue Kräfte zu sammeln". Solche Auszeiten sind im Männerfußball selten und werden im Frauenfußball demnächst seltener werden, da die UEFA Anfang November ankündigte, dass in Europa nächstes Jahr eine Nations League eingeführt wird.

Mehr Wettbewerb auf hohem Niveau

Unter Spielerinnen und Trainerinnen herrscht noch Zurückhaltung gegenüber dem neuen Wettbewerb, der mit der Qualifikation für die nächste Europameisterschaft verknüpft sein wird. Allerdings sollte es in der Nations League enger zugehen und keine "Erdrutschsiege" geben, wie man sie zuletzt beim 20:0 Englands gegen Lettland und beim 19:0 der Belgierinnen gegen Armenien in der WM-Qualifikation beobachten konnte.

Sarah Gregorius, Direktorin für globale Politik und strategische Beziehungen im Bereich Frauenfußball bei der Spielerinnengewerkschaft FIFPRO, erklärte gegenüber DW, dass es noch weitere Vorteile eines verstärkten Wettbewerbs auf hohem Niveau gibt. "Weltweit ist die Unterforderung eines der größten Probleme für die nachhaltige Entwicklung des Fußballs der Frauen und bremst das Wachstum des Sports", sagte sie. "In vielen Teilen der Welt organisieren die nationalen Verbände und die Organisatoren der nationalen Ligen nicht genügend Spiele für eine ausreichend lange nationale und internationale Saison. Für viele talentierte Spielerinnen und Spieler ist der Fußball daher keine realistische Karriereoption, und sie verlassen den Fußball möglicherweise frühzeitig oder entwickeln sich nicht optimal."

Dem sollen Nations League und die recht neu eingeführte Gruppenphase der Champions League entgegenwirken. Gregorius räumte aber auch ein, dass es "wichtig ist, den Spielplan und die damit verbundene Arbeitsbelastung einiger einzelner Spitzenspieler zu entlasten, um ihre Gesundheit und Leistung zu schützen". Einige Spieler und Trainer befürchten, dass dies zu kurz kommen könnte.

Spielerinnen in den Vordergrund

"Ich halte es für inakzeptabel, dass Spieler, die an Welt- und Europameisterschaften teilnehmen, zwischen den Spielzeiten nur zwei Wochen Pause bekommen", sagte Emma Hayes, Pernilla Harder Trainerin bei Chelsea, nach der Verletzung ihrer Top-Stürmerin. "Wir müssen anfangen, die Spielerinnen in den Vordergrund zu stellen. Ich spreche hier für die gesamte Mannschaft. Schauen Sie sich die Verletzungen im Frauenfußball an."

Harders Teamkollegin und Partnerin Magdalena Eriksson gehört zu den Spielerinnen, die aufgrund ihrer internationalen und vereinsinternen Verpflichtungen in Schweden und beim FC Chelsea fast das ganze Jahr über unterwegs sind und sehr viele Spiele absolvieren. Insbesondere zurzeit, da die Europameisterschaft von 2021 wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben wurde und im kommenden Sommer gleich die Weltmeisterschaft stattfindet.

Ist mehr immer besser?

"Ich hoffe, dass alle Beteiligten die Interessen der Spielerinnen im Auge behalten", sagte Eriksson der DW nach dem Sieg des FC Chelsea gegen Real Madrid, ergänzte aber gleichzeitig. "Wie bei all diesen neuen Turnieren hoffe ich, dass die Einführung einer Nations League nicht nur mehr Spiele, sondern auch mehr harte Spiele mit sich bringen wird.

Auch deshalb müsse der Kader in Chelsea entsprechend groß sein. "Man muss alle Spielerinnen einsetzen, damit sich jede auch mal ausruhen und erholen kann. Ich denke, es liegt an allen, das Beste für die Spieler im Auge zu behalten."

Selbst im Zwiespalt: Magdalena Eriksson möchte mehr Pausen, aber auch Spiele auf hohem NiveauBild: Katie Chan/Action Plus/picture alliance

Wie beim Ticketing, den Auswärtsfanblöcken, den TV-Verträgen und den Transfers muss der Fußball der Frauen auch hier eine Entscheidung treffen: dem Beispiel der Männer zu folgen - nach dem Motto "mehr ist immer besser" - oder sorgfältig über Folgen nachzudenken.

Ein Bereich, bei dem sich mehr und mehr die Überzeugung durchsetzt, dass es grundlegende Unterschiede zwischen fußballspielenden Frauen von Männern gibt, ist das richtige Schuhwerk. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift "Sports Engineering" veröffentlichte Studie ergab, dass das Tragen von Männerschuhen, wie es die meisten Spielerinnen tun, zu Blasen und Stressfrakturen führen kann, da die Füße, Fersen und Fußgewölbe von Frauen anders geformt sind als die der Männer. Auch die Stollen sind nicht hilfreich. Sie sind für männliches Laufverhalten konzipiert und könnten bei Frauen das Risiko erhöhen, dass sich die Stollen im Rasen verfangen.

Hohe Reisebelastung im Spitzenbereich

Und auch lange Reisen zu Auswärtsspielen oder internationalen Partien können einen erheblichen Belastungsfaktor darstellen. "Es ist der Grad der Ermüdung, der einsetzt", sagte Joanne Parsons von der Abteilung für Physiotherapie der Universität Manitoba in Kanada gegenüber DW. "Es wird vermutet, dass es einen Zusammenhang zwischen den Signalen des Gehirns an die Muskeln, der Bein- und Raumkontrolle und dem Risiko einer Verletzung des Kreuzbandes gibt. Ich könnte mir vorstellen, dass Ermüdung - geistige und körperliche - die geistige Fähigkeit, den Körper und seine Bewegungen zu kontrollieren, beeinträchtigen könnten", so Parsons.

Es gibt keine einfachen Antworten, aber es ist klar, dass der zunehmende Stellenwert des Frauenfußballs mit einem besseren Verständnis der Verletzungsprävention und des Belastungsmanagements einhergehen muss, insbesondere bei den Spitzenfußballerinnen, die am meisten reisen und spielen. Aber auch außerhalb der Elite sind mehr Wettkämpfe auf hohem Niveau erforderlich, um das Spiel zu fördern. Es gilt daher, ein schwieriges, aber wichtiges Gleichgewicht zu finden.

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.