1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"DFL-Vorschlag ist populistisch"

22. Mai 2020

DFL-Chef Christian Seifert regt Obergrenzen für Profigehälter und Provisionen von Spielerberatern an. Das sei Populismus, sagt Berater Stefan Backs im DW-Interview - und spricht auch über den Alexander-Nübel-Transfer.

Fußball Bundesliga |  Schalke 04 v RB Leipzig | Tor (0:1)
Bild: Getty Images/Bongarts/A. Grimm

Die Corona-Krise wirbelt auch den Spielermarkt durcheinander. Die Verträge von mehr als 60 Bundesliga-Profis laufen Ende Juni aus. Für sie könnte es schwierig werden, einen neuen Arbeitgeber zu finden. Wirtschaftsprüfer verweisen darauf, dass der Marktwert von Fußballern durch die Krise stark gesunken sei. Christian Seifert, Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat angeregt, Profigehälter und auch Provisionen von Spielerberatern zu deckeln. Wir haben bei Stefan Backs nachgefragt. Der Spielerberater hatte in der vergangenen Bundesliga-Winterpause den Wechsel seines Klienten Alexander Nübel vom FC Schalke 04 zum FC Bayern München eingefädelt. Der Torwart wechselt zum Saisonende ablösefrei.

DW: Manuel Neuer hat seinen Vertrag bei den Bayern bis 2023 verlängert. War es vor diesem aktuellen Hintergrund ein Fehler, Alexander Nübel nach München zu vermitteln? 

Stefan Backs: Da es klar war, dass Manuel Neuer seinen Vertrag verlängern würde, war es immer Teil des Ganzen. Alex hat die größtmögliche Herausforderung angenommen. Wenn er sich nicht zutrauen würde, sich durchzusetzen, hätte er es nicht gemacht. Aus meiner Sicht ist es sogar gut für ihn, dass Manuel Neuer verlängert hat. Da kann er noch eine ganze Menge lernen. Er sollte halt so trainieren, dass er irgendwann in der Lage ist, Neuer abzulösen. Sonst würde der Wechsel tatsächlich keinen Sinn machen.

Wie froh sind Sie, dass Sie ihn noch vor der Corona-Krise an den FC Bayern vermittelt haben?

Die Corona-Krise betrifft nicht nur den Fußball, sondern alle Menschen. Da wäre es ein bisschen schadenfroh zu sagen: Gott sei Dank habe ich es vorher eingefädelt. Auf der anderen Seite haben Alex und ich bewusst auf die sonst oft übliche Pokerei verzichtet und sind dafür in gewisser Hinsicht belohnt worden.

Zu Stefan Backs Klienten gehört Alexander Nübel, Noch-Schalker, bald Torwart des FC Bayern MünchenBild: Imago/M. Koch

DW: Wie hat die Corona-Krise Ihre Arbeit als Spielerberater verändert?

Stefan Backs: Das Transfergeschäft ist fast ganz weggefallen, da die Vereine im Augenblick sehen müssen, wie sie die Corona-Krise überstehen. Dadurch haben sich für uns die Themen verlagert. Jetzt fragen die Spieler eher nach: Wie geht es weiter? Wie ist die rechtliche Seite etwa bei einem Gehaltsverzicht? In unserem eigentlichen Geschäft, der Spielervermittlung, herrscht Flaute.

Sind Spieler derzeit schwerer vermittelbar?

Wir haben alle unsere Spieler unter Vertrag und sind daher in einer vergleichsweise guten Position. Aber bei den Trainern, die wir vertreten, sieht es ein bisschen anders aus. Es ist schwerer, weil die Vereine noch gar nicht wissen, wie sie planen können. Deshalb ist vieles in der Warteschleife.

Ist der Marktwert der Spieler wirklich gesunken?

Es wird kurzfristig erst mal so sein, dass die ganz großen Transfers nur noch bei absoluten Topspielern stattfinden. Und dass der "normale" Bundesligaspieler tatsächlich an Wert verliert und die großen Ablösesummen für solche Spieler nicht mehr gezahlt werden.

Müssen die Spieler kleinere Brötchen backen, sprich ihre Gehaltsvorstellungen herunterschrauben?

Kurzfristig auf jeden Fall. Spieler haben ja schon einem Gehaltsverzicht von zehn, 20 Prozent zugestimmt, um ihre Vereine zu unterstützen, damit sie die Corona-Zeit überstehen. Ob das aber mittel- oder langfristig so bleibt, wird man sehen. Ich bin gespannt, wie viele sich noch an die Worte von heute erinnern, wenn die Krise vorbei ist.

Im Augenblick wird auch über eine Gehaltsobergrenze für Profis diskutiert. Was halten Sie als Spielerberater davon?

Eine Gehaltsobergrenze ist aus meiner Sicht undurchführbar. Wir leben in einem freien Markt. Jeder muss selbst entscheiden, wie viel Geld er für einen Spieler ausgibt. Auch international müsste man sich ja an eine solche Obergrenze halten. Das halte ich für schlicht unmöglich. Die Vereine müssten eigentlich erstmal damit anfangen, sich selbst zu beschränken und bestimmte Transfers nicht mehr zu machen, wenn sie zu riskant sind. Von aufoktroyierten Bestimmungen halte ich gar nichts. Ich glaube auch nicht, dass sie rechtlich haltbar sind.

Liverpools Coach Jürgen Klopp auf dem Weg zur Arbeit: In der Premier League wird immerhin wieder trainiertBild: picture-alliance/empics/P. Byrne

Würden Sie den Spielern erst einmal kürzere Vertragslaufzeiten empfehlen?

Dafür muss man sich die Situation jedes einzelnen Spielers anschauen. Ist er nur ausgeliehen? Ist er schon über 30 oder erst am Anfang seiner Karriere? Welche Qualität hat er? Reden wir von der zweiten oder der ersten Liga? Eine pauschale Antwort kann es also nicht geben. Man kann aber sagen, dass sich jeder Spieler, der aktuell einen Vertrag hat, der über diesen Sommer hinaus gilt, glücklich schätzen kann.

In allen Staaten Europas sind die Finanzen der Klubs durch die Corona-Krise eher klamm. Macht es für Fußballer aktuell überhaupt Sinn, sich im Ausland nach neuen Jobs umzusehen?

Das einzig Positive an der Corona-Krise im Fußball ist, dass es alle gleichermaßen betrifft. Das Ausland ist ja teilweise sogar noch schlimmer betroffen. Die englische Liga, mit der ich sehr viel zu tun habe, hat derzeit weder einen Termin für einen Neustart noch ein Gesundheitskonzept für den Fall, dass die Spiele wieder stattfinden können. Sie schauen neidisch zu uns herüber. Für die Bundesliga bedeutet das einen riesigen Schub nach vorne. Deshalb glaube ich, dass die deutschen Spieler im Augenblick gut beraten wären, in Deutschland zu bleiben.

Gehen Sie davon aus, dass die Zahl der Profis ohne Vertrag nach diesem Sommer höher liegen wird als normal?

Ja.

DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hat im Zuge der Corona-Krise auch die Spielerberater scharf kritisiert. Hat Sie das getroffen?

Stefan Backs kann "Schnellschüssen nichts abgewinnen"Bild: Stefan Backs

Persönlich getroffen hat es mich nicht. Aber ich wundere mich, dass inmitten einer Krise, wenn man noch gar nicht weiß, wohin die Reise geht, schon Konzepte erstellt werden. Eigentlich müsste man jetzt alle Betroffenen und Fachleute an einen Tisch holen und gemeinsam ein ausgegorenes Konzept entwickeln. Wenn ich Vorschläge höre wie jenen, die Provisionen oder Spielergehälter zu deckeln, ist das mit geltendem Recht gar nicht durchsetzbar. Man schlägt also etwas vor, das gar nicht geht. Das halte ich für populistisch und unwürdig. Das sind Schnellschüsse, denen ich nichts abgewinnen kann.

Der offizielle Fußball beteuert derzeit regelmäßig, sich auch selbst hinterfragen und Fehlentwicklungen entgegenwirken zu wollen. Gilt das auch für die Spielerberater?

Man macht es sich zu leicht, alle Schuld auf die Spielerberater zu schieben. Auch Vereine werden mal besser oder mal schlechter geführt. Viele Klubs müssen sich auch hinterfragen, was sie in den vergangenen Jahren gemacht haben. Man müsste in Ruhe in die Tiefe gehen und schonungslos alles auf den Tisch legen, was falsch gelaufen ist. Natürlich sitzen wir Spielerberater mit im Boot, wenn es Regelungen gibt, die umsetzbar sind und die dabei helfen, den Profifußball dauerhaft zu stärken. Davon hätten ja auch wir etwas. Aber einfach einen Sündenbock zu suchen und zu sagen, die verdienen zu viel und deshalb geht es den Vereinen so schlecht, das ist zu billig.

Das klingt, als mache Ihnen das Image der Spielerberater, das in der Öffentlichkeit vorherrscht, zu schaffen.

Ich bin als Spielerberater jemand, der dafür sorgt, dass Spieler und Verein zusammenkommen. Ein Dienstleister vergleichbar etwa mit einem Versicherungsmakler. Es wird immer so getan, als wären die Spielerberater die, die Millionen abzocken. Wir verdienen prozentual am Gehalt des Spielers. Wenn alle Beteiligten sagen, das ist okay, der hat das verdient, dann wüsste ich nicht, wo die Schuld der Spielerberater liegt. Ich habe noch niemanden mit der Waffe gezwungen, mir eine Summe auszuzahlen. Außerdem vertrete ich ja nicht nur Alexander Nübel, sondern auch Regionalligaspieler, an denen ich nichts verdiene, oder junge Trainer, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Wir investieren ja auch viel.

Stefan Backs, 55 Jahre alt, ist Geschäftsführer von "Siebert & Backs Fußballmanagement" in Dortmund. Das Unternehmen vertritt unter anderen die Bundesliga-Torhüter Alexander Nübel und Ralf Fährmann vom FC Schalke 04 sowie den Spieler Marco Höger vom 1. FC Köln. Backs arbeitete als Sportjournalist, bevor er 2002 Spielerberater wurde. 

Das Interview führte Stefan Nestler.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen