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Spielerische Kunst

Johanna Veh22. August 2013

Im vergangenen Jahr hat das Museum of Modern Art in New York Videospiele zur Kunst erklärt. Im Mainstream ist elektronische Kunst aber noch nicht angekommen - das zeigt das Platine Festival in Köln.

Installation 'Black and White' von Jonathan Giroux auf der Platine 2013 (Foto: Platine)
Bild: Platine

Im Kölner Club und Kulturzentrum "artheater" ist ein Kickertisch aufgebaut. Eigentlich sieht er ganz normal aus, aber nur bis das Spiel beginnt: In diesem Moment ertönt Musik - passend zum Spielverlauf - und auf der Kickeroberfläche erscheinen Animationen. Der Spieler wird zum Musiker, der Kickertisch zum Kunstwerk.

Kunst oder Spiel?

Diese Frage steht im Mittelpunkt des Platine-Festivals in Köln, wo der Tisch zu sehen ist. Vom 19. bis 22. August werden Installationen elektronischer Kunst und alternativer Spielformen ausgestellt. Eine Grauzone, wie Kurator Lukas Höh erläutert: "Wie konzeptionell muss ein Spiel sein, um schon wieder ein Kunstwerk zu sein? Wie spielerisch kann eine Installation sein, die eigentlich in einem Kunstkontext steht?" Neben der Gamescom, Europas größter Computerspielmesse in Köln, will "die Platine" diese andere Perspektive zum Thema Gaming aufzeigen.

Das Festival findet bereits zum vierten Mal statt. An verschiedenen Orten im Kölner Stadtteil Ehrenfeld können die Besucher die Werke der mehr als 20 nationalen wie internationalen Aussteller begutachten. Was dabei Kunst ist und was Spiel, will Höh nicht beantworten: "Das überlassen wir dem Besucher."

Der Kurator des Platine Festivals: Lukas HöhBild: Lukas Höh

Experimentierfreudigkeit mit neuen Technologien

Kunst und Technologie sind sich nicht fremd. Schon in den 60er Jahren entwarfen Künstler mit Hilfe des Computers Bilder. Heutzutage ist das Spektrum digitaler Kunst groß: von Video, über digitale Fotografie bis hin zu computerbasierten Installationen oder Arbeiten im Internet. "Die Avantgarde der Medienkunst begreift ihre Kunst als ein Hinterfragen der neuen Technologien und, damit verbunden, der neuen Produktionsformen", erklärt Monika Fleischmann. Sie ist selbst Medienkünstlerin und forscht zu dem Thema am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik in St. Augustin.

Mit einer neuen Technologie experimentiert auch Joelle Aeschlimman. Ihr Werk "Little Boxes", das sie auf der Platine ausstellt, verbindet Musikbox und Tablet-PC. "Ich mag es, Alltagsgegenstände mit Projektionen oder digitalen Geräten zu verändern“, erklärt die Schweizerin. Wenn der Besucher die kleine Box auf das Tablet setzt und an der Kurbel dreht, erklingt Musik. Dazu erscheint eine Animation auf dem Display des Geräts.

Der Weg zum Publikum

Wie "Little Boxes“ laden auch die meisten anderen Installationen der Platine zum Anfassen ein - ein Trend, den es seit den 90er Jahren in der Szene gebe. "Die digitale Kunst produziert installative Kunst, in der es um die Teilhabe des Publikums geht", erklärt Monika Fleischmann. Und genau dieses Publikum ist natürlich auch für die Platine entscheidend. "Die meisten Arbeiten funktionieren ohne den eigentlichen Besucher gar nicht“, sagt Kurator Lukas Höh. "Das unterscheidet elektronische Kunst deutlich von traditioneller."

Bei den "Little Boxes" von Joelle Aeschlimman gibt es nicht nur etwas zu hören, sondern auch zu sehenBild: Platine

Für Till Maria Jürgens - auch er stellt seine Arbeiten aus - ist das ein entscheidender Vorteil: "Die Leute finden einen Zugang zur Kunst durch das Mitmachen. Man kann ein breiteres Publikum ansprechen.“ Das zeigt sich auch bei den Besuchern der Platine. Von jung bis alt ist alles vertreten. Kunstinteressierte wie Spieler kämen vorbei, berichtet Lukas Höh. Die Ausstellungen richteten sich schließlich auch an beide Lager.

Nischenkunst

Die elektronische Kunst friste nichtsdestotrotz weiterhin ein Nischendasein, bedauert der Kurator. Und Monika Fleischmann pflichtet bei: "Medienkunst ist noch immer nicht in der Kunstgeschichte angekommen. Sie ist zu nah an der technologischen Entwicklung und für traditionelle Kuratoren zu weit entfernt von der Kunst, die sie kennen." Das weiß auch der Aussteller Miguel Espada aus Madrid: "Es ist schwierig, in der traditionellen Kunstwelt Fuß zu fassen, zum Beispiel in Galerien. Sie sind sehr auf den Markt konzentriert.“ Projekte wie sein "The Invaders“ seien kommerziell nicht machbar.

Angelehnt ist "The Invaders“ an das Videospiel "Space Invaders“ aus den 70er Jahren. Spieloberfläche ist ein Wandgemälde, auf das Espada eine Projektion wirft. Die virtuellen Eindringlinge, die die Besucher abschießen müssen, interagieren so mit dem realen Bild. Für den Künstler geht es darum, den Raum zu transformieren und zu zeigen, wie manipulierbar die menschliche Wahrnehmung ist. Damit unterliegen elektronische Arbeiten selbst ständig einem Wandel: "Jedes Mal, wenn ich die Installation aufbaue, ändere ich etwas. Du beendest nie ein Werk“, erzählt Espada.

Wer schießt am meisten Eindringle ab? Besucher der Platine spielen "The Invaders"Bild: Platine

Vernetzte Kunst

Auch die Szene selbst entwickelt sich immer weiter. Früher war die Wahl des Mediums von der Verfügbarkeit in den einzelnen Ländern abhängig. In New York etwa konnten Künstler schon früh mit neuen Technologien arbeiten, da die 1967 gegründete Organisation "Experiments in Art and Technology" ihnen Computer zugänglich machte. Heute ist unangefochten das Internet Dreh- und Angelpunkt: "Natürlich gibt es Unterschiede zwischen einzelnen Ländern, auch in den Arbeiten. Aber da wahnsinnig viel in dem Bereich über das Internet läuft, verschwimmen die Grenzen völlig“, meint Lukas Höh.

Das Netz dient den Künstlern vor allem dazu, ihr Werk bekannt zu machen. Ohne ein Video, das die Installation präsentiere, werde man gar nicht zu Festivals eingeladen, erzählt Miguel Espada. Gerade weil sich die digitale Kunstwelt vor allem im Internet abspielt, sind Festivals wie die Platine von großer Bedeutung. "Ich finde es sehr wichtig, die Sachen auf der Platine einmal erlebbar zu machen“, sagt Lukas Höh - und versucht damit, die elektronische Kunst etwas aus ihrer Nische herauszuholen.

Miguel Espada (l.) arbeitet mit seinem Team vom espadaysantacruz Studio in MadridBild: espadaysantacruz
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