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Politik

Spielte BKA Hinweise zu Terrorist herunter?

13. Dezember 2019

Die Vorwürfe wiegen schwer: Das Bundeskriminalamt soll Anzeichen dafür, dass von dem späteren Attentäter Anis Amri große Gefahr ausgehen könnte, abgetan haben. Die Behörde widerspricht erneut im Untersuchungsausschuss.

Berlin Terroranschlag am Breitscheidplatz
Polizisten und Rettungskräfte stehen nach dem Lastwagen-Attentat im Dezember 2016 nahe der Gedächtniskirche in BerlinBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Das Bundeskriminalamt (BKA) gerät bei der Aufklärung der Behördenfehler rund um den Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt in Erklärungsnot. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet unter Berufung auf einen internen E-Mail-Wechsel, das BKA habe zehn Monate vor dem Anschlag von 2016 Hinweise zur Gefährlichkeit des späteren Attentäters Anis Amri heruntergespielt.

Die Hinweise, die das BKA im Februar 2016 anzweifelte, stammten von einem Informanten des Landeskriminalamtes (LKA) aus Nordrhein-Westfalen. Dieser V-Mann lieferte dem LKA über Monate Informationen zu Amris Wunsch, einen Anschlag zu begehen, sowie zu Aktivitäten weiterer radikaler Islamisten aus der Gruppe um den Hassprediger Abu Walaa aus Hildesheim.

"Eine Frechheit und hochgradig unprofessionell"

"Es ist wirklich insgesamt eine Frechheit und hochgradig unprofessionell, wie NRW hier agiert", schrieb ein BKA-Beamter am 24. Februar 2016 an vier Kollegen. Der Grund für seine Verärgerung: Ermittler aus NRW hatten Amri als "Gefährder" eingestuft - also als jemanden, dem ein Anschlag zuzutrauen ist - und drangen auf eine intensive Überwachung des Tunesiers.

Am Vortag hatte es beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe eine Besprechung gegeben. Dabei ging es nach Angaben mehrerer Teilnehmer hoch her. Streitpunkt war die unterschiedliche Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Aussagen des Informanten - vom LKA in NRW wurde sie als hoch, vom BKA aber als niedrig bewertet.

Öffentliche Sitzung des Amri-Untersuchungsausschusses vor einem Jahr (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Ein Ermittler aus NRW hatte als Zeuge im Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestages im November erklärt, der Verfasser der E-Mail habe ihm damals am Rande der Besprechung in einem Vier-Augen-Gespräch gesagt, ein Vorgesetzter und das Bundesinnenministerium wollten, dass der V-Mann "aus dem Spiel genommen" wird. Begründung: Er mache "zu viel Arbeit".

"Ich kann mich nicht daran erinnern"

Diese Darstellung hat das Ministerium einen Tag später bestritten. Der Beamte selbst führte schriftlich aus: "Das von dem Zeugen 'KHK M.' laut Presse berichtete Vier-Augen-Gespräch fand nicht statt." Er habe "keine Aussagen getätigt, die den Schluss zulassen könnten, dass das Ergebnis der Bewertung von einem vorgesetzten Beamten oder einer vorgesetzten Dienststelle festgelegt oder vorgegeben worden sei".

Doch nun, in seiner Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss, relativierte der BKA-Beamte sein früheres Dementi. Er könne nicht ausschließen, dass es ein kurzes, beiläufiges Gespräch etwa auf der Treppe, auf dem Parkplatz oder auf der Toilette am 23. Februar 2016 in Karlsruhe gegeben habe, sagte er. Und: "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein Vier-Augen-Gespräch stattgefunden hat, ich kann es aber natürlich nicht mehr ausschließen."

"Kein Zweifel, dass es Vier-Augen-Gespräch gab"

Ein Oberstaatsanwalt, der damals an der Besprechung in Karlsruhe teilgenommen hatte, sagte dem Ausschuss, der Ermittler aus NRW habe ihm kurz nach der Besprechung von einem Vier-Augen-Gespräch mit dem BKA-Beamten berichtet und sei sehr "aufgebracht" gewesen. Der Jurist erinnerte sich nicht mehr an den Wortlaut seiner damaligen Unterhaltung.

Er sei sich aber sicher, dass der Polizist aus Düsseldorf damals zornig gewesen sei, dass es neben sachlichen Argumenten, die von BKA-Mitarbeitern in der Besprechung vorgetragen worden seien, wohl "weitere dahinter stehende" Gründe für die Bewertung der Hinweise des Informanten als eher unglaubhaft gegeben habe.

Berlins Regierender Bürgermeister Müller (links) legt einen Kranz vor der Gedächtniskirche nieder (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa/C. Koall

"Ich persönlich habe keinen Zweifel daran, dass es dieses Vier-Augen-Gespräch gegeben hat", sagte der Oberstaatsanwalt. Schließlich habe der Ermittler nicht nur ihm, sondern auch Kollegen davon berichtet. Außerdem hätte er damals - als noch nicht bekannt war, dass Amri den schwersten islamistischen Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik begehen würde - wohl keinen Anlass gehabt, dieses vertrauliche Gespräch zu erfinden.

"Natürlich überhaupt nicht machbar"

Auch eine Gegenüberstellung von drei Zeugen im Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestages am Donnerstagabend brachte allerdings keine Klarheit. Der BKA-Beamte sagte in der Befragung, in der Gefährdungsbewertungsstelle des BKA seien im Jahr 2016 mehr als 460 Hinweise eingegangen. In einer idealen Welt hätte man allen Hinweisen im Detail nachgehen können. In der Praxis sei dies aber "natürlich überhaupt nicht machbar gewesen".

Außerdem habe man es damals für sehr unwahrscheinlich gehalten, dass ein Informant wie der von NRW geführte V-Mann von verschiedenen Anschlagsszenarien Kenntnis erhalten habe, ohne selbst daran beteiligt zu sein. Das sei so wahrscheinlich "wie ein Sechser im Lotto".

Kopfschütteln während der Aussage

Später wurden der BKA-Ermittler, der Staatsanwalt und der Polizist aus NRW gemeinsam vom Ausschuss befragt. Diese Methode kommt im Bundestag nur selten zum Einsatz. Die beiden Polizisten, die sich duzten, widersprachen einander. Während der Mann aus Düsseldorf ruhig vortrug, schüttelte der BKA-Beamte immer wieder den Kopf.

Der Tunesier Anis Amri erschoss am 19. Dezember 2016 einen Lastwagenfahrer und raste mit dessen Fahrzeug über den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz. Insgesamt tötete er zwölf Menschen. Nach seiner Flucht wurde er in Italien von der Polizei erschossen.

jj/ml (dpa)

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