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Geheimdienste im Showbusiness

Christopher Nehring
14. Oktober 2021

There is no business like Showbusiness? Doch! Auch für Spione gehört Verstellung zum Alltag. Das Buch "Stars & Spies" zeigt die Verbindung beider Welten.

Daniel Craig als James Bond in "No Time To Die"
Einer der berühmtesten fiktiven Geheimagenten: James Bond (Daniel Craig) Bild: MGM/Zuma/imago images

"Alles beginnt mit dem berühmten Dramatiker Christopher Marlowe. 1580 wurde er am Corpus Christi College der Uni Cambridge als Spion rekrutiert und sein Aufstieg zum gefeierten Schriftsteller begann." Marlowe, so führt Professor Christopher Andrew, der Nestor der Spionageforschung, im DW-Gespräch aus, steht wie kein zweiter für die Gemeinsamkeiten zwischen der Welt des Entertainments und der Spionage.

"Der kurzlebige Lifestyle von reisenden Entertainern ist dem von Spionen gar nicht unähnlich, deswegen sind sie sehr gut für Undercover-Arbeit geeignet. Fiktionale Identitäten, das Lernen eines Skriptes und Improvisationsfähigkeit sind zentral für beide Berufe, in denen es darum geht, jemand anders darzustellen. Undercover-Agenten finden sich selbst oft in einer Art Langzeit-Rollenspiel wieder", so Andrew.

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Dass der erste Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, Mansfield Smith-Cumming, seine Verkleidungen bei demselben Theaterausstatter kaufte wie die Theater des Londoner West Ends, war also keine Überraschung. Kuriose und spannende Geschichten wie diese erzählen Christopher Andrew und Theaterproduzent und Zirkusdirektor Julius Green in ihrem neu erschienenen Buch: "Stars and Spies. Intelligence Operations and the Entertainment Business".

Mata Hari und Fälschungen für US-Präsidenten

Nicht fehlen darf dabei die wohl bekannteste Showbiz-Spionin, Margaretha Geertruida Zelle, besser bekannt als Mata Hari. Als exotische Tänzerin spionierte sie während des Ersten Weltkrieges im deutschen Auftrag in Pariser Separées. Für Andrew ist sie "ein Beispiel dafür, wie sehr das populäre Image von Spionage von der Fantasie und weniger von der Realität abhängt." Weder im Showbiz, noch in der Spionage war Mata Hari besonders erfolgreich. Doch die Rolle als glamouröse Spionin spielte sie bis zu ihrer Hinrichtung mit Hingabe.

Tänzerin und Spionin Mata Hari Bild: picture-alliance/dpa/KEYSTONE

Zu den Gemeinsamkeiten von Spionage und Unterhaltung gehört auch die Täuschung. Das zeigt der Fall des Autors Eric Maschwitz, der für die BBC arbeitete und 1939 für sein Drehbuch zu "Goodbye, Mr. Chips" für einen Oscar nominiert war. Während des Zweiten Weltkrieges war er Fälscher für den britischen Geheimdienst. Sein Meisterwerk: Eine gefälschte Karte, die Pläne Nazi-Deutschlands in Südamerika enthüllten und US-Präsident Franklin D. Roosevelt zugeschickt wurden, der sie prompt der Öffentlichkeit präsentierte.

Kommunistenjagd mit Ronald Reagan und Charlie Chaplin

Von dem großen Einfluss der Stars und Berühmtheiten sind Geheimdienste allerdings nicht nur begeistert. Der berüchtigte FBI-Präsident J. Edgar Hoover hielt den Stummfilmstar Charlie Chaplin beispielsweise für einen "Salon-Kommunisten" mit gefälschter Identität, weswegen er den britischen MI5 dazu brachte, Chaplin hinterher zu schnüffeln.

Noch mehr Kommunisten witterte Hoover in Hollywood. Dort warb das FBI, so Andrew, rund 20 Agenten an. Einer davon: Quelle T-10, der spätere US-Präsident Ronald Reagan und damals Vorsitzender der Schauspielervereinigung.

Buchcover von "Stars & Spies"Bild: Penguin Verlag

Noch weiter ging der sowjetische Geheimdienst KGB: Anfang der 1960er-Jahre war der Balletttänzer Rudolf Nurejew in den Westen geflohenen. Bei seiner Bühnenpremiere in Paris streute der KGB erst Glassplitter auf die Bühne und plante dann, ihm die Beine zu brechen.

Sind Spione die besseren Autoren?

"Stars leben im Rampenlicht und Spione im Schatten, das schließt eine Symbiose zwischen beiden eigentlich aus. Ein berühmter Entertainer ist ein erfolgreicher Entertainer, aber ein berühmter Spion ist entweder ein gescheiterter oder Ex-Spion." Das, so Andrew, ist der größte Widerspruch in der Liaison zwischen Spionage und Showbusiness.

Und doch gibt es viele berühmte Ex-Spione. Allen voran Autoren von Spionageromanen wie Bond-Vater Ian Fleming oder John le Carré. Graham Greene hingegen, Autor des Spionageklassikers "Der Dritte Mann", spionierte nicht nur vor, sondern auch während seiner Karriere als Romancier. Das hielt den kubanischen Kommunistenführer Fidel Castro allerdings nicht davon ab, 1959 persönlich ans Filmset von "Unser Mann in Havana" zu kommen, während Greene gleichzeitig von der CIA überwacht wurde.

Und auch der kommerziell erfolgreichste Autor von Spionageromanen, der Chinese Jiang Benhu alias Mai Jia, arbeitete, so Andrew, lange Jahre für den chinesischen Geheimdienst. Anders als viele Vorgänger schreibt Mai Jia allerdings mehr über technische Spionage, über Abhören, Codeknacker und Hacker. Seine Bücher mussten deshalb, wie Andrew beschreibt, durch die strenge Kontrolle des chinesischen Geheimdienstes.

Der Geheimdienst als Marke 

Als 1990 der Kommunismus zusammenbrach, organisierte der um sein Image besorgte KGB einen Schönheitswettbewerb und wählte Katja Majorowa zur ersten "Miss KGB". Mit Stars, Sternchen und Publicity-Maßnahmen das eigene Image aufzupolieren, ist für viele Geheimdienste heute Normalität: James Bond alias Daniel Craig eröffnete 2012 in London zusammen mit der Queen die Olympiade und weilte auf Einladung der CIA 2018 zum Plausch mit echten CIA-Mitarbeitern in Langley. Und während Unternehmen wie "Spycraft Entertainment" die Unterhaltungsbranche und Ex-Agenten zusammenbringen, arbeiten Geheimdienste daran, mit Social Media-, Werbe- und Öffentlichkeitsarbeit ihre eigene Marke zu erschaffen.

Im digitalen Zeitalter wird die Verbindung zwischen Entertainment und Geheimdiensten immer öffentlicher. Dafür ist Christopher Andrew selbst ein Beispiel: Seit den 1980er-Jahren unterhält er enge Verbindungen zu den britischen Geheimdiensten, schrieb mit ihrer Billigung Memoiren russischer Überläufer und ließ sich 2003 vom MI5 anwerben, die "Offizielle Geschichte des MI5" zu schreiben.

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