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KonflikteEuropa

Spionageangriffe auf den Internationalen Strafgerichtshof

3. Juni 2024

Der Internationale Strafgerichtshof ist nicht zum ersten Mal Ziel von Spionage. Aber in letzter Zeit geraten die Institution in Den Haag und seine Angestellten vermehrt unter Druck. Wer will den IStGH einschüchtern?

Außenansicht des Internationalen Strafgerichtshofs
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat seinen Sitz in Den Haag in den NiederlandenBild: Peter Dejong/AP/dpa/picture alliance

Vergangene Woche berichtete die britische Zeitung "The Guardian" von Vorwürfen gegen Yossi Cohen, den früheren Chef des israelischen Geheimdienstes. Cohen habe die ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Fatou Bensouda unter Druck gesetzt, Ermittlungen in den palästinensischen Gebieten einzustellen.

2015 hatte Fatou Bensouda Voruntersuchungen zur Lage in den palästinensischen Gebieten eingeleitet. Im März 2021 leitete die Chefanklägerin dann eine formelle Untersuchung ein. Ihr Nachfolger Karim Khan übernahm wenige Monate später im Juni 2021.

Haftbefehle gegen israelische Top-Politiker und Hamas-Führer

Vor zwei Wochen mündeten die Untersuchungen in den Antrag Khans, Haftbefehl gegen mehrere israelische Politiker und Hamas-Führungsfiguren zu erlassen; betroffen sind der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie drei Führer der militant-islamistischen Gruppe Hamas, die von Israel, Deutschland, den USA und weiteren, vor allem westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird.

Haft­be­fehle gegen Net­anjahu und Hamas-Führer bean­tragt

05:21

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Khan beschuldigt beide Parteien, während des laufenden Konflikts in Gaza Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen verübt zu haben. Israel, die USA und verschiedene EU-Mitgliedsstaaten übten scharfe Kritik an dieser Entscheidung.

Angebliche Drohungen bereits vor offiziellen Untersuchungen

Die Vorwürfe gegen den israelischen Geheimdienst Mossad reichen laut "The Guardian" zurück bis in die Jahre vor der offiziellen Einleitung der Untersuchung im Jahr 2021. Dem Bericht zufolge wurden Bensouda und ihre Familie persönlich bedroht.

Laut "Guardian" wies ein Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten die von der Zeitung erhobenen Vorwürfe als "falsch und unbegründet" zurück. 

"Es handelt sich um ernstzunehmende Anschuldigungen", sagte Tomas Hamilton, ein Experte für internationales Strafrecht bei der Londoner Kanzlei Guernica 37 Chambers, der DW. Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, könne der Gerichtshof sie nicht ignorieren.

IStGH schon mehrfach Ziel nachrichtendienstlicher Aktivitäten

Es wäre allerdings nicht das erste Mal, der IStGH ist schon früher von Nachrichtendiensten ins Visier genommen worden. Auf eine Anfrage der DW antwortete das Büro des Chefanklägers, es sei sich der "proaktiven nachrichtendienstlichen Aktivitäten einiger dem Gericht feindlich gesinnter nationaler Stellen" bewusst und ergreife "kontinuierlich Gegenmaßnahmen". Weiter heißt es, sowohl die Behörde als auch das Gericht seien "mit einer beispiellosen Anzahl solcher Versuche" konfrontiert. Da der Internationale Strafgerichtshof seinen Sitz in Den Haag in den Niederlanden hat, betonte das Büro des Chefanklägers außerdem, arbeite es mit den niederländischen Behörden zusammen, um die Sicherheitsmaßnamen zu erhöhen.

Im September 2023 etwa ereignete sich am IStGH ein "schwerwiegender Cybersicherheitsvorfall". Diesen "Versuch der Spionage" stufte der IStGH in einer Presseerklärung fünf Wochen später als als "ernsthaften Versuch" ein, sein Mandat zu untergraben. Wer für den Angriff verantwortlich sei, könne nicht bestätigt werden, die niederländischen Behörden hätten jedoch eine Untersuchung eingeleitet.

Wegen des Haftbefehls des IStGHs konnte Wladimir Putin am BRICS-Gipfel 2023 nur online teilnehmenBild: Sergei Bobylev/dpa/picture alliance

Im Juni 2022 erklärte der niederländische Geheimdienst, er habe einen russischen Militäragenten enttarnt, der versucht habe, als Praktikant Zugang zum Gerichtshof zu erhalten. Der Ankläger des IStGH hatte wenige Monate zuvor, im März 2022, Ermittlungen zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Ukraine seit 2013 eingeleitet. Ein Jahr danach, im März 2023, stellte der IStGH dann einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Entführung von Kindern aus. Gegen drei weitere russische Staatsangehörige wurde ebenfalls Haftbefehl erlassen.

In einer schriftlichen Erklärung betonte ein Sprecher des niederländischen Außenministeriums, es sei von entscheidender Bedeutung, dass der Gerichtshof sein Mandat sicher und unabhängig ausüben könne. Als Gastgeberstaat des IStGH seien sich die Niederlande ihrer durch das Sitzabkommen geregelten "besonderen Verantwortung" bewusst, hieß es weiter in der Erklärung.

Beeinflussungsversuche und ihre rechtliche Konsequenzen

Anfang Mai 2024 wurden in den Medien Gerüchte laut, dass Haftbefehle gegen führende israelische Politiker erlassen werden könnten. Daraufhin veröffentlichte das Büro des Chefanklägers Karim Khan eine Erklärung mit der Aufforderung, "alle Versuche der Behinderung, Einschüchterung und unangemessenen Einflussnahme" auf seine Mitarbeiter unverzüglich einzustellen. Als Khan zwei Wochen später seinen Antrag auf Haftbefehl bei der Vorverfahrenskammer einreichte, wiederholte er diesen Aufruf. In seiner Erklärung machte er deutlich, dass sein Büro nicht "zögern" würde, gemäß Artikel 70 des Römischen Statuts zu handeln, sollte "ein solches Verhalten fortgesetzt" werden.

Während ihrer Amtszeit wurde Fatou Bensouda, Vorgängerin von Karim Khan, mutmaßlich bedroht

Der Artikel untersagt die "Behinderung oder Einschüchterung eines Bediensteten des Gerichtshofs oder Beeinflussung desselben durch Vorteilsgewährung mit dem Ziel, ihn zu zwingen oder zu veranlassen, seine Pflichten gar nicht oder nicht ordnungsgemäß wahrzunehmen" sowie Vergeltungsmaßnahmen gegen oder die Bestechung von Bediensteten.

Auch früher schon gab es Verstöße gegen Artikel 70, betont Tomas Hamilton. Dabei handelte es sich allerdings in der Regel um die Beeinflussung von Zeugen. Die Vorwürfe in "The Guardian" deuteten jedoch auf eine "langfristige, von staatlicher Seite orchestrierte nachrichtendienstliche Operation". Sollten sie sich als wahr erweisen, überträfen sie alle früheren Verstöße gegen Artikel 70. Der Rechtsexperte hält es für "sehr wahrscheinlich", dass der IStGH angesichts der Schwere der Vorwürfe die Eröffnung eines Verfahrens in Betracht zieht.

Sanktionen gegen den Chefankläger?

In Washington haben republikanische Senatoren mit Sanktionen gegen Beamte des IStGHs gedroht, nachdem der Chefankläger den Haftbefehlt gegen Netanjahu und Gallant beantragt hatte. Kurz darauf erklärte auch US-Außenminister Antony Blinken in einer Rede vor dem Senat, er sei bereit, an einer angemessenen Reaktion zu arbeiten. Wie genau diese aussehen könnte, erklärte er jedoch nicht.

Gegen die damalige Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte die US-Regierung unter Donald Trump im September 2020 Sanktionen verhängt, weil sie Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen in Afghanistan aufgenommen hatte. Diese Sanktionen wurden jedoch im Jahr 2021, drei Monate nachdem Joe Biden sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten antrat, wieder aufgehoben.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

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