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Sponsoring: Wie die EURO 2024 in Deutschland Geld bewegt

Dirk Kaufmann
14. Juni 2024

Wenn am 14. Juni das erste Spiel der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland beginnt, rollt nicht nur der Ball, sondern auch der Euro. Die Sponsoren kommen meist aus Übersee, vor allem aus China. Warum ist das so?

Maskottchen der UEFA EURO 2024 vor der Allianz Arena München mit einem Auto der Marke BYD als Sponsor des Fußball-Events
Nicht etwa VW, sondern BYD ist ein Hauptsponsor der Fußball-Europameisterschaft 2024Bild: Michael Bihlmayer/CHROMORANGE/picture alliance

Es ist nicht einmal reißerisch formuliert: Es ging ein Aufschrei durchs Land. Was war geschehen? Mehr als 70 Jahre war die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Trikots von Adidas aufgelaufen. Bald nicht mehr, denn wie der Deutsche Fußballbund (DFB) am 22. März mitteilte, soll ab 2027 Nike aus den USA wenigstens sieben Jahre lang alle deutschen Nationalteams ausrüsten. Dieser Deal soll dem DFB dem Vernehmen nach mindestens doppelt so viel Geld einbringen wie die Partnerschaft mit Adidas.

Adidas hatte mit der Einführung des Stollenschuhs zur WM 1954 einen erheblichen Anteil am Triumph der deutschen Mannschaft beim Turnier in der Schweiz gehabt. Mit den damals neuartigen Schuhen hatten die Deutschen deutliche Vorteile gegenüber den favorisierten Ungarn auf dem regennassen Rasen im Berner Stadion. In den folgenden Jahrzehnten war die Partnerschaft DFB-Adidas beinahe symbiotisch geworden.

Viele Fußballfreunde waren sprachlos, in Unternehmerkreisen herrschte Verständnislosigkeit, Mitglieder der Bundesregierung kritisierten den DFB. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) meldete sich auf X (früher: Twitter) zu Wort: "Halte ich für eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet."

Wirtschaftsminister Habeck klagte: "Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht."

Unwillige Marktteilnehmer

Wenige Wochen später der nächste Schock für die Traditionalisten: Der chinesische Autobauer BYD wird einer der Hauptsponsoren der Fußball-EM der Männer und stellt eine Flotte von Elektroautos bereit. BYD - und nicht Mercedes oder VW!

Eigentlich aber keine Sensation: Schon bei der "Heim-WM" 2006 war der koreanische Konzern Hyundai vor den deutschen Autoherstellern zum Zuge gekommen.

EM - Kick-Off im Auswärtigen Amt - Außenministerin Baerbock wird ganz offensichtlich nicht von Adidas ausgerüstetBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Etwas über die Hintergründe einer solchen Entscheidung zu erfahren, war aber nicht ganz einfach. Der DFB lehnte es ab, auf die Fragen der DW zu antworten und verwies uns an den Veranstalter, den Europäischen Fußballverband UEFA im schweizerischen Nyon. Doch auch dort wollte man unsere Fragen nicht beantworten.

Man schickte uns nur eine sehr kurze Liste mit fünf Geschäftspartnern: Adidas stelle "Spielbälle und Ausrüstung für Volunteers und Mitarbeiter", Atos sei für die IT während des Turniers verantwortlich und BYD stelle "eine Flotte von E-Autos bereit". Dazu kämen Coca Cola ("bewahrt Fans, Volunteers und Offizielle vor Dehydration") und die Deutsche Bahn, die Euro-Tickets zu "special prices" anbiete.

Eine im Juni veröffentlichte EM-Studie der Universität Hohenheim unter der Leitung von Professor Markus Voeth bescheinigt Adidas die größte Bekanntheit unter den Sponsoren: Rund 56 Prozent der Deutschen wüssten, dass der Sportartikelhersteller das Turnier unterstützt. Aber: "Weit abgeschlagen sind Unternehmen wie Betano und Atos mit jeweils rund drei Prozent, die zwar als offizielle Sponsoren der Heim-EM auftreten, aber nur wenigen Deutschen als solche präsent sind."

Pokalgewinn für "special prices"? ICE mit dem Fußballpokal auf dem BahnsteigBild: Deutsche Bahn AG

Vorteil China

Um grundsätzlich etwas über die Auswahl von Sponsoren zu erfahren, haben wir Professor Henning Vöpel gefragt. Der Ökonom, Direktor beim Centrum für Europäische Politik, hält den Ruf nach deutschen Firmen als Sponsoren für ein in Deutschland stattfindendes Ereignis wie die Euro für "weltfremd". Der DW sagte er: "Konsumgütermärkte sind weitgehend globale Märkte und der Fußball hat globale Reichweite, gerade bei einem so wichtigen Event wie der EM. Es ist völlig klar, dass der Sponsoringmarkt grundsätzlich auch global funktioniert. Globalisierung der Wirtschaft und Kommerzialisierung des Fußballs gehen Hand in Hand."

Aber nicht alle UEFA-Partner kämen aus Übersee, so Vöpel. Und zwar aus gutem Grund: "Immerhin gibt es neben den weltweiten auch nationale Sponsoren. Die UEFA kann durch diese Differenzierung ihre Sponsoringerlöse maximieren und gleichzeitig das 'Gefühl' einer nationalen Ausrichtung aufrechterhalten."

Und wie fällt eine Entscheidung des Veranstalters für oder gegen einen Sponsor? "Im Grunde entscheidet die UEFA nach zwei Kriterien", so Vöpel: "Wer bietet am meisten? Und wer ist strategisch interessant?" Daher sei es nicht verwunderlich, dass gleich fünf globale Sponsoren des Turniers aus China kommen: "Die haben das größte Interesse und folglich die höchste Zahlungsbereitschaft für ein solches Sponsoring."

Henning Vöpel hält "Standortpatriotismus" bei einer Fußballeuropameisterschaft für "weltfremd"Bild: Tim Flavor

Bewegung im Markt

Sportsponsoring ist kein Tagesgeschäft, sondern eine strategische Investition. Henning Vöpel: "Sponsoring bedeutet keinesfalls, dass es sich im Cash Flow sofort buchstäblich auszahlt. Es geht um strategische Positionierung, Markenbekanntheit und mediale Aufmerksamkeit." Und Getränkekonzerne oder Sportausrüster kämen "oft aus Oligopolmärkten. Dort besteht ein besonders großer Anreiz, nicht hinter den wenigen globalen Konkurrenzen zurückzustehen. Man muss also geradezu dabei sein. Das Ziel ist es, die Konkurrenz auszustechen."

Dabei kommt Vöpel noch einmal auf das Beispiel Adidas zu sprechen, die Firma, die jahrzehntelang ein Aushängeschild des DFB war - und umgekehrt auch. Eine gewisse strategische Bindung könne sinnvoll sein, "weil Vertrauen und Markenwert so am besten entwickelt werden. Irgendwann werden diese Effekte aber geringer. Und dann kommt wieder Bewegung in den Markt."

Gerade mit dem Trikotverkauf lassen sich riesige Merchandising-Einnahmen erzielenBild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Über Geld redet man lieber nicht

Eine Frage bleibt: Warum wollen sich die Beteiligten, wie eingangs gelesen, nicht gerne äußern? Eine Erklärung dafür ist, dass zu viel Reden über Geld die Geschäftsgrundlage der Fußballfunktionäre erodieren könnte. Zum einen sind Sportverbände oft gemeinnützig organisiert und müssen daher nur wenig Steuern bezahlen. Bei großen Turnieren - wie auch jetzt wieder in Deutschland - handeln sie oft aus, ihre Einkünfte beim Turnier im Land des Veranstalters nicht versteuern zu müssen.

Zum anderen könnten sich viele Fans von den Summen, die auf die Konten der Verbände fließen, abgestoßen fühlen. Sollten sie sich darüber hinaus bewusst machen, wie viel Geld sie für ein Spiel und vor allem für das Drumherum tatsächlich ausgeben, könnten sie auf den Gedanken kommen, ausgenommen zu werden. Beides wäre der Kundenbindung nicht zuträglich.

Der Marketing-Experte Dr. Peter Rohlmann hat dem deutschen WDR-Fernsehen die hohen Preise für Fan-Devotionalien so erklärt: "Die Emotionalität lässt die Rationalität des Preises in den Hintergrund treten". Das wüssten Vereine und Verbände und die Firmen, die mit ihnen zusammenarbeiten. Die verlangten so viel Geld für ihre Produkte, wie der Fan noch zu zahlen bereit ist. Doch Rohlmann sieht hier das Ende der Fahnenstange erreicht, teurer werde es wohl nicht mehr werden: "Man will es nicht überziehen. Man weiß, dass langsam die Grenze da ist."

Lohnt sich Sponsoring überhaupt?

50 Prozent des Geldes, das er für Werbung ausgebe, soll der Industrielle Henry Ford einmal gesagt haben, sei zum Fenster hinausgeworfen. Er wisse halt nur nicht, welche Hälfte das sei. Ähnlich sieht das auch die Studie der Universität Hohenheim. Dort stellen die Wissenschaftler fest: "Ob sich das Sponsoring für die Unternehmen allerdings wirklich lohnt, ist mehr denn je fraglich".

Markus Voeth, der die in einer Online-Umfrage unter 1000 Befragten erhobenen Daten analysiert hat, kommt zu dem Schluss: "Direkte Kaufwirkungen werden so kaum ausgelöst. Nur rund zwölf Prozent der Befragten schauen vor allem nach Marken, die die EM sponsern, wenn sie Produkte oder Dienstleistungen einkaufen.“

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