Sport im Nationalsozialismus: Ideologie und Propaganda
30. April 2025
Sport spielte bei den Nationalsozialisten eine wichtige Rolle, allerdings sprachen sie nicht von Sport, sondern von Leibeserziehung. Oberstes Ziel war für sie die Förderung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit - für eine produktive Volkswirtschaft und letztlich auch, um kriegstüchtig zu sein. Individualsport rückte dabei in den Hintergrund.
Es ging um das Kollektiv, die Masse, den sogenannten "Volkskörper", zu dem jeder Deutsche als Einzelner bestmöglich beitragen sollte. Dabei ging es getreu der Nazi-Ideologie immer um Stärke und Wehrhaftigkeit.
"Das Schwache muss weggehämmert werden", beginnt ein Zitat, das Adolf Hitler zugeschrieben wird. "In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. (…) Ich werde sie in allen Leibesübungen ausbilden lassen."
Diese Leibesübungen waren daher in vielen der NS-Massenorganisationen wie dem Deutschen Jungvolk (DJ), der Hitlerjugend (HJ), dem Bund deutscher Mädel (BdM) oder Kraft durch Freude (KdF) Pflicht. Zudem wurde empfohlen, Mitglied in einem Sportverein zu werden.
In der Hitlerjugend, aber auch im Schulsport dienten die Leibesübungen vor allem bei den Jungen dazu, soldatisches und militärisches Verhalten zu vermitteln und solche Jugendlichen herauszufiltern, die später auch in der Wehrmacht für eine Führungsposition infrage kommen könnten.
Den international geprägten Wettkampfsport sahen die Nazis dagegen kritisch - besonders in ihrer frühen Phase, noch während der Weimarer Republik. "Das war Internationalität, die olympische Bewegung, Miteinander, Völkerverständigung", sagt Historiker Ansgar Molzberger von der Deutschen Sporthochschule Köln der DW. "Das hat man ideologisch abgelehnt."
Warum richteten die Nazis 1936 dennoch die Olympischen Spiele aus?
Die Olympischen Spiele waren vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) 1931 noch an das Berlin der Weimarer Republik vergeben worden. Die Nazis waren klare Gegner der olympischen Bewegung, was sie auch offen zugaben.
Die kosmopolitische Idee der Olympischen Spiele war mit ihrer Weltanschauung unvereinbar, sportliche Wettkämpfe mit Angehörigen der "Feindvölker" aus dem Ersten Weltkrieg gingen gegen ihr Ehrgefühl und das IOC-Reglement, nach dem Juden und "Neger" gleichwertig mit anderen Rassen waren, lehnten sie aus rassischen Gründen ab.
Allerdings erkannten die Machthaber schnell - allen voran Hitler - welche Chance die Spiele boten, sich der Welt als friedliebender, offener, junger Staat zu präsentieren. "Man hat eine atemberaubende Kehrtwende hingelegt", sagt Historiker Molzberger. "So wie man bis zum Ende der Weimarer Zeit die olympische Bewegung mit ihren Idealen der Völkerverständigung, der Internationalität noch strikt abgelehnt hat, hat man sich nun als die großen Förderer der olympischen Bewegung geriert."
Zudem wollte man die Spiele zur Demonstration der eigenen Stärke nutzen - was die gute Organisation anging und sportliche Erfolge.
Gab es Sportarten, die unter den Nazis besonders gefördert wurden?
"Eine Sportart, die man im Kontext Schule explizit hervorheben kann, war das Boxen, das die Nationalsozialisten verpflichtend für die älteren Jungen eingeführt haben", sagt Molzberger. "Alle mussten im Schulsport boxen lernen."
Mannschaftssportarten wie Fußball und Handball habe es zwar weiterhin gegeben, allerdings sei auch dabei immer der Kampfgedanke betont worden. "Es ging um die Wehrhaftigkeit, zusammen etwas zu wagen", so Molzberger. "Das sollte auch über die Mannschaftssportarten immer wieder betont werden."
Wie sahen Leibesübungen für Frauen und Mädchen aus?
Auch die sportlichen Aktivitäten für das weibliche Geschlecht waren stark von der Ideologie geprägt. Frauen waren in erster Linie auf ihre Rolle als Mutter und Hausfrau beschränkt. Um diese gut erfüllen zu können, sollten auch sie ihren Körper trainieren, ihre Gesundheit und Fitness verbessern und ihre Disziplin stärken.
Auch beim Bund Deutscher Mädel (BDM), in dem Mädchen im Alter von zehn bis 18 Jahren organisiert waren, gab es daher Leibesübungen, die die Mädchen nicht nur körperlich, sondern gleichzeitig auch ideologisch schulen und auf ihre zukünftige Rolle in der Gesellschaft vorbereiten sollten.
Durften Jüdinnen und Juden weiterhin Sport treiben?
Kurz nach der Machtergreifung wurde am 7. April 1933 ein Gesetz verabschiedet, nach dem Beamte und öffentliche Angestellte keine Juden, politische Gegner oder Nicht-Arier sein durften, um weiterhin im Staatsdienst arbeiten zu dürfen.
Dieser sogenannte "Arierparagraph" wurde nach und nach ausgeweitet, um Jüdinnen und Juden aus dem beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu verdrängen: auf Ärztinnen und Ärzte, Studierende, Rundfunkanstalten, Presse, Theater, weitere Kulturbetriebe und Vereine.
Für Sportvereine galt der Paragraph im Grunde auch, die Umsetzung wurde aber mit Rücksicht auf die anstehenden Olympischen Spiele von der Reichsführung zunächst nicht konsequent eingefordert. Man wollte vor Berlin 1936 nicht für negative Schlagzeilen sorgen und Gründe für einen möglichen Olympiaentzug oder Boykotte liefern. Kritik und Boykott-Aufrufe gab es trotzdem. Sie verstärkten sich noch einmal, nachdem 1935 die Nürnberger Rassengesetze verabschiedet wurden, die später die juristische Basis für die Verfolgung und Vernichtung der Juden bildeten.
Trotzdem setzten viele Sportvereine und -verbände, deren Führungspersonal besonders überzeugt von den Ideen des Nationalsozialismus war, den Arierparagraphen aus eigenem Antrieb und in vorauseilendem Gehorsam bereits früh um. So schloss die Deutsche Turnerschaft, damals mit 1,5 Millionen Mitgliedern größter deutscher Sportverband, Jüdinnen und Juden bereits einen Tag nach der Verabschiedung des Gesetzes aus.
Andere Verbände, wie Schwimm-, Ruder- oder Ski-Verband folgten dem Beispiel. Der Deutsche Fußballbund (DFB) reagierte weniger radikal und ließ Juden weiterhin spielen. Sie durften aber keine Führungspositionen in den Fußballvereinen mehr ausführen. Ein prominentes Beispiel ist Kurt Landauer, der in der Weimarer Zeit lange Jahre Vereinspräsident des FC Bayern München war und sein Amt 1933 aufgeben musste.
Als Folge der Ausschlüsse erlebten rein jüdische Sportvereine in den Jahren 1933 bis 1936 eine regelrechte Blüte mit einem großen Zuwachs an Mitgliedern. Als die Olympischen Spiele von 1936 vorüber waren, verschärfte sich die Situation der Jüdinnen und Juden in Deutschland allerdings.
"Nach den Spielen konnte man die Maske fallen lassen", sagt Historiker Ansgar Molzberger. "Mit dem Einsetzen der eigentlichen Judenverfolgung ab 1938 hat man auch den jüdischen Sport konsequent zerschlagen."