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Gesellschaft

Sport mit Kopftuch - seine wahren Pioniere

9. März 2017

Als erster Großkonzern hat Nike angekündigt, eine Produktlinie für sportliche Muslima aufzulegen - "Pro Hijab" wird sie heißen. Die Pionierarbeit für den Sport mit Kopftuch aber haben andere geleistet.

DW Sendung Gast&Story Zeina Nassar
Bild: DW/A. Khassan

Anfang 2018 soll "Pro Hijab" erhältlich sein. Das gab der US-Konzern am diesjährigen Weltfrauentag bekannt. Die Kopftücher sollen Frauen ermöglichen, der in islamischen Kulturen verbreiteten Tradition zu folgen, ohne dadurch im sportlichen Wettbewerb Nachteile zu haben.

Allzu innovativ ist das nicht, weiß Fatima Fakier. Die Unternehmerin war selbst einmal in dem Business tätig. Zwischen 2009 und 2016 verkaufte sie mit ihrem Unternehmen "Friniggi" mit Sitz in der Hauptstadt Botswanas Gaborone ebenfalls Sport-Hijabs: "Wir gehörten wohl zu der ersten Handvoll Marken, die sittsame Sportbekleidung mit westlicher Ästhetik designt und hergestellt haben."

Kampf gegen Hindernisse

Bis heute finden sich nur sehr wenige Anbieter im Internet. Seit 2001 fertigt "Capster" in den Niederlanden Kopftücher, die Hals, Haar und Ohren bedecken, aber aus leichtem Material sind und eng anliegen, damit sie beim Sport nicht allzu sehr stören. Auch in den USA und Kanada gibt es kleine Unternehmen, die diesem Geschäftsmodell folgen.

Fatima Fakier hat in Botswana Sportmode für Frauen produziert.Bild: Privat

Diese Pioniere, fürchtet Fakier, könnten unter dem Markteintritt von Nike leiden. Gleichwohl findet sie es gut, dass sich nun ein großes Sportlabel diesem Markt widmet. Es könnte helfen, das Narrativ über muslimische Frauen zu ändern und  ihr eigenes Selbstbewusstsein zu stärken: "Der menschliche Körper ist auf physische Aktivität ausgerichtet", sagt Fakier. "Und Sport ist gut für das Selbstbewusstsein, er hilft auch Frauen, ihren Körper wertzuschätzen. Doch insbesondere muslimischen Frauen stehen dabei viele Hindernisse im Weg."

Das vielleicht größte sei der im Islam verbreitete Glaube, Frauen sollten in der Öffentlichkeit keinen Sport treiben, weil dies ihre Würde verletze, erklärt Fakier. Aber auch seitens der Nicht-Muslime gebe es Probleme, weil der Hijab vielfach nicht toleriert werde, schon gar nicht beim Sport.

Boxen mit Kopftuch

Genau diese Erfahrung hat die Berlinerin Zeina Nassar (Artikelbild) gemacht. Als sie 14 Jahre alt war, sollte sie ihren ersten Boxkampf bestreiten. Doch das war zunächst nicht möglich. Denn als praktizierende Muslima kleidet sie sich, wie es die Tradition ihrer libanesische Eltern vorsieht: Nur die Hände und das Gesicht lässt sie in der Öffentlichkeit unverdeckt. Doch die Wettkampfbestimmungen des Deutschen Boxsports-Verbandes sehen als Bekleidung ärmellose oder kurzärmlige Oberbekleidung und kurze Hosen vor. Das tragen eines Kopftuchs war ebenfalls nicht vorgesehen.

Interview mit Boxerin Zeina Nassar

01:55

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Doch ihre Trainerin setzte sich für die Änderung des Reglements ein und wurde schließlich erhört. Heute dürfen weibliche Boxer "aus Glaubensgründen auch ein Trikot mit langen Armen und eine lange Beinbekleidung unter den Shorts" tragen, heißt es in der Wettkampfbestimmung. Auch Kopftücher sind ausdrücklich erlaubt. "Jetzt dürfen alle Frauen an Boxwettkämpfen teilnehmen", sagt Nassar im Interview mit DW-TV.

Ihren ersten Boxkampf hat Nassar dann zwar verloren, aber es war ihre bisher letzte Niederlage. Inzwischen ist sie 19 Jahre alt und dreifache Berliner Boxmeisterin. Einen anderen Kampf aber hat sie noch nicht gewonnen: den gegen Diskriminierung und Vorurteile: "Ich versuche dagegen anzukämpfen, um zu zeigen, dass es nicht stimmt, dass wir nicht gebildet sind oder gezwungen worden sind, das Kopftuch zu tragen." Im Berliner Gorki Theater spielt sie in einem Laienstück zum Thema sexuelle Belästigung mit. Widersprüche zu ihrem Glauben, sieht sie daran nicht: "Die Religion ist für mich immer präsent und sehr wichtig", sagt sie bei DW-TV, aber auch: "Ich bin eine ehrgeizige, selbstbewusste Frau."

Sportlerinnen als Vorbilder

Genau darum geht es Fatima Fakier. "Ich sehe Sport als Weg, die Hindernisse für muslimische Frauen in der globalen Gemeinschaft abzubauen, ihre Stimmen hörbar zu machen und jungen Muslimen positive Rollenmodelle vorzuleben", sagt sie im Gespräch mit DW-online.

Die Modeproduktion hat sie inzwischen eingestellt. Botswana sei als Markt zu klein, von Gaborone aus den Weltmarkt zu beliefern, zu schwierig. Friniggi will sie nun als Beratungsunternehmen für muslimische Sportlerinnen fortführen.

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.
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