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"Der Schwarze Peter liegt beim IOC"

Roman Goncharenko 21. Juli 2016

Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat den Ausschluss russischer Leichtathleten von den Olympischen Spielen bestätigt. Sportjurist Rainer Cherkeh erklärt, welche Möglichkeiten sie jetzt noch haben.

Der Sportjurist Rainer Cherkeh (Foto: privat)
Bild: KERN CHERKE

DW: Der Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne hat am Donnerstag den Ausschluss von 68 russischen Leichtathleten durch den Weltleichtathletikverband IAAF wegen Dopingvorwürfen bestätigt. Deren Klage wurde abgelehnt. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Rainer Cherkeh: Die Entscheidung ist aus rechtlicher Sicht eher unspektakulär. Der CAS hat, soweit man das der Pressemitteilung des CAS entnehmen kann, nur eine Sache entschieden: Er hat bewertet, ob die IAAF-Norm, die herangezogen worden war, um die Leichtathletikmannschaft Russlands nicht zuzulassen, rechtswirksam ist. Es ging nur um die Rule [Regel] 22 der IAAF Competition Rules. Hiernach gilt, dass dann, wenn ein nationaler Verband durch die IAAF gesperrt ist, auch keine Athleten aus dieser Nation für Wettkämpfe zugelassen werden dürfen. Und daraus folgt, dass dann auch das zuständige Nationale Olympische Komitee, in diesem Fall das russische, daran gehindert wird, Leichtathleten für die Olympischen Spiele zu nominieren. Der CAS hatte im Ergebnis also nicht die materielle Rechtmäßigkeit der Sperre durch die IAAF zu bewerten, sondern es ging offenkundig nur um die Frage, ob das Russische Olympische Komitee (ROK) Leichtathleten aus Russland noch nominieren darf, wenn der nationale russische Leichtathletikverband zuvor vom Weltverband ausgeschlossen worden war. Und da haben die CAS-Richter nun gesagt, das funktioniert nicht: Wenn ein nationaler Verband vom Weltverband suspendiert worden ist, dann können, so der CAS, einzelne Athleten aus dieser Mannschaft nicht vom ROK für die Olympischen Spiele nominiert werden.

Bild: picture-alliance/dpa/H. Hanschke

In Russland wirft man der IAAF vor, zu pauschal entschieden zu haben. Die IAAF habe nicht zwischen "sauberen" Athleten und Dopingsündern differenziert. Was bedeutet die CAS-Entscheidung für diese Kernfrage aus russischer Sicht?

Der CAS hat nur formal auf die IAAF-Bestimmungen verwiesen, und diese sehen faktisch eine Kollektivsanktion vor. Der Punkt ist, ob der CAS eine solche Differenzierung hätte vornehmen müssen. Das kann man zumindest hinterfragen. Vielleicht sagen die Urteilsgründe noch etwas dazu, die ja noch nicht veröffentlicht und offenbar noch in Arbeit sind. Der Schwarze Peter liegt jetzt beim IOC, das eine Entscheidung zu treffen hat, die viel weitreichender sein wird und in der dann nicht auf bloße Formalia verwiesen werden kann. Jetzt wird das IOC die Entscheidung treffen, ob die russische Olympiamannschaft teilnehmen oder ausgeschlossen werden kann, ob also auch konkrete Verstöße gegen die IOC-Charta und somit den WADA-Code vorliegen, die einen Gesamtausschluss rechtfertigen oder eben nicht.

Welche Konsequenzen hat die CAS-Entscheidung für die Entscheidung des IOC?

Ich sehe da kein Präjudiz. Das IOC muss anhand eigener Bestimmungen und Bewertungen entscheiden.

Welche Rechtsmöglichkeiten haben russische Athleten noch? Weitere Instanzen?

Gegen die Entscheidung des CAS können russische Athleten und das ROK das Schweizer Bundesgericht anrufen. Auch verbunden mit einem Eilantrag. Der Überprüfungsmaßstab ist dabei sehr eng, es müssen rechtliche Kapitalfehler erfolgt sein. Das ist beim CAS nicht auszuschließen, aber das kann man erst dann bewerten, wenn man die Urteilsgründe studiert hat. Ich glaube, dass sich das ROK und die russischen Athleten nun eher auf die Auseinandersetzung mit dem IOC konzentrieren werden.

Rainer Cherkeh ist Rechtsanwalt für Sportrecht in Hannover und Honorarprofessor für Sportrecht.

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