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Sprachspiele im Kampf gegen Chinas Zensoren

3. Mai 2010

Um die Zensur im chinesischen Internet zu umgehen, lassen sich die User viel einfallen: sie benutzen etwa kreative Sprachspiele oder treffen sich in abgeschotteten virtuellen Räumen.

Freiheit im Netz oder Zensur? Das Internet in China ist umkämpft.Bild: AP

In Chinas Internetforen und sozialen Netzwerken tummelt sich derzeit ein Fabelwesen. "Gu Ge", die "antike Taube". Gu Ge sei eine Vogelart aus Nordamerika, schreibt die Internetseite Hudong. Auf dem chinesischen Festland sei sie jedoch kürzlich ausgestorben.

Hintersinnige Wortspielereien

"Antike Tauben" statt Google - mit Sprachspielen mogeln sich Internetnutzer am Zensor vorbeiBild: AP

"Gu Ge" ist ein Wortspiel mit dem chinesischen Namen von Google. "Gu Ge" und Google werden im Chinesischen gleich ausgesprochen, aber mit unterschiedlichen Zeichen geschrieben. Dass "Gu Ge" nicht mehr in China lebt, sondern nur noch in Hongkong, ist ein politischer Kommentar über den Rückzug von Google aus China aufgrund der Zensur. Weil es heikel ist, sich dazu offen zu äußern, schreiben die Internetnutzer "Gu Ge", wenn sie Google meinen. Und umgehen somit die Zensur. Mittlerweile werden über "Gu Ge" sogar schon Lieder getextet und Geschichten ausgedacht.

Das Spiel mit der Sprache ist die häufigste und subtilste Form, sich gegen die Zensur im chinesischen Internet zu wehren. Beim Lesen solcher Wortkreationen weiß jeder chinesische Leser, was gemeint ist. Nur die Zensurfilter erkennen das Wort nicht. Viele dieser Wortschöpfungen haben inzwischen in China Kultstatus. Die beliebtesten nennt man spöttisch die zehn großen Baidu-Gottheiten – benannt nach der meistgenutzten chinesischen Suchmaschine namens Baidu.

Es ist eine Anti-Zensur-Kunst

"Die Anti-Zensur-Kultur ist manchmal witzig, fast schon eine Art Performance-Kunst", sagt Michael Anti, einer der bekanntesten Blogger Chinas. "Zensur bedeutet Einschüchterung und Angst. Aber wenn man darüber lachen kann, dann verschwindet die Angst. Wenn einen die Geheimpolizei vorlädt, dann sprechen die Beamten gerne vom Tee trinken. Wir, die wir schon einmal mit denen zu tun hatten, nennen uns die Tee-Party-Gäste. Solche Witze zerstören die Angst."

Vielleicht ist dieses psychologische Element sogar die wichtigere Funktion dieser Tarnwörter. Denn natürlich gelangen auch sie irgendwann auf die Liste der Zensoren und funktionieren dann nicht mehr als Blockadebrecher.

Die Große Firewall

Die Homepages von Webseiten wie "amnesty international" sind gesperrt

Die chinesische Internetzensur besteht aus zwei Säulen: Zum einen werden Webseiten, die sich von vornherein mit Themen befassen, die der Regierung nicht gefallen, komplett gesperrt. Dazu gehören etwa die Portale von Menschenrechtsorganisationen, der tibetischen Exilregierung oder auch pornographische Seiten. Auch Soziale Netzwerke werden gelegentlich gesperrt oder ausländische Informationsseiten wie der Auftritt der Deutschen Welle. Alle anderen Seiten und Internetforen werden vor allem über das Filtern von Stichworten kontrolliert. Diese suchen nach sogenannten "sensiblen" Ausdrücken im Text, und sperren dann bestimmte Seiten oder alarmieren die Zensoren, die dann Einträge in Foren löschen. Wer wirklich Zugriff auf zensierte Informationen haben will, muss sich deshalb auf technischem Weg an der Zensur vorbeischmuggeln, sagt Michael Anti: "Freiheit gibt es nicht umsonst. Wenn es Zensur gibt, dann kommen nur die technisch Versierten an die Informationen. Aber wir haben Blogger, die speziell für Chinesen Anwendungen entwickeln, um das freie Internet zu erreichen. Sie bringen den anderen bei, wie man die Zensur umgeht."

Die Methoden sind vielfältig: Da gibt es Umleitungen über mehrere Server, sogenannte Proxies. Die Große Firewall, wie die chinesische Zensurmaschine genannt wird, erkennt dann nicht mehr, von welcher Internetseite die Informationen eigentlich stammen, die automatische Sperre funktioniert nicht. Es gibt Anonymisierungsprogramme, Verschlüsselungstechniken und so genannte virtuelle Privatnetze, die zwischen Rechnern in China und solchen im Ausland aufgebaut werden können. Der Datentransfer in diesen Netzen ist gegen das Mitlesen von außen geschützt. Der Zensurfilter kann also nicht zugreifen. Die Zensur mag die Verbreitung unliebsamer Informationen eindämmen, ganz verhindern kann sie sie nicht. Dass Chinas Internetnutzer trotzdem nicht zu einem Risiko für die Regierung werden, dafür sorgt die Kommunistische Partei am Ende mit ganz traditionellen Mitteln.

"Wenn Du etwas tust, das der Regierung wirklich gefährlich werden kann, dann stecken sie dich ins Gefängnis. Jeder Chinese übt bei dem, was er sagt, Selbstzensur aus", sagt Michael Anti.

Denn wenn die Gefahr real ist, kann auch der beste Witz die Angst nicht besiegen.

Autor: Mathias Bölinger

Redaktion: Silke Ballweg