Sprint statt Marathon
9. Januar 2003Warum haben die beiden Athener Olympia-Maskottchen so dicke Füße? Weil sie so viel laufen müssen! Noch weiß niemand, ob der Spott zur peinlichen Realität wird und im August 2004 Athens Gäste schon am Flughafen auf Schuster Rappen umsteigen müssen. Zwischen hämischen Unkenrufen und amtlichen "Alles wird gut"-Beteuerungen ist im letzten Jahr vor dem großen Ereignis fast alles zu hören.
Jetzt braucht die Stadt vor allem mehr Geld. Die zum 1. Januar angetretene neue Bürgermeisterin von Athen, Dora Bakojanni, stellte als Erstes ihre finanzielle Handlungsunfähigkeit fest. Der Staat müsse seiner Hauptstadt mehr Mittel zur Verfügung stellen, sonst sei die Olympiade nicht mehr zu organisieren.
Flughafen ohne Anschluss
Immerhin hat Athen seit einem Jahr einen neuen internationalen Flughafen. Der ehemalige IOC-Präsident Julian-Antonio Samaranch soll den Griechen vor Jahren barsch erklärt haben: "No airport, no games." Doch eine Zugverbindung in die Innenstadt oder gar zu den olympischen Wettkampfstätten ist noch lange nicht gebaut. Selbst wenn die Schienen doch noch rechtzeitig verlegt werden, wird es mit ziemlicher Sicherheit nur provisorische, nicht-elektrisch betriebenen Züge geben. Man hat die passenden Triebwagen einfach zu spät bestellt.
Mit dem Um- und Neubau der Wettkampfstätten ließ man sich in Athen so viel Zeit, dass im Jahr 2000 Samaranch die gelbe Karte zog. Er drohte offen mit der Rücknahme des Austragungsrechts und Sydney freute sich schon auf seine zweite Olympiade in Folge. Dieser in der Geschichte der neuzeitlichen Spiele einmalige Vorgang zeigte Wirkung: Die griechische Regierung berief eine Frau an die Spitze des nationalen Vorbereitungskomitees ATHOC. Gianna Angelopoulos-Daskalaki (47) krempelte gleich den ganzen Laden um und holte Leute ihres Vertrauens mit ins Boot.
Hauptsache schnell
Das IOC bleibt den Griechen auf den Fersen: Ein Kontrollgremium der Olympia-Zentrale in Lausanne ermahnt die Kollegen nicht nur intern. Gremiumsleiter Denis Oswald beklagt öffentlich die griechische Bürokratie und mahnt zur Eile. Notfalls solle man auf baukünstlerische Aspekte ganz verzichten, etwa auf ein geplantes, verschiedene Olympiastätten überspannendes Dach des katalanischen Architekten Calatrava. Hauptsache fertig und bespielbar, für Ästhetik ist keine Zeit mehr.
Unter der Leitung von Frau Angelopoulos-Daskalaki scheint sich das Verhältnis zwischen dem IOC und Athen zu verbessern. In Lausanne zeigt man sich nun "beeindruckt" von den Leistungen des ATHOC. Dennoch habe man nun wirklich "keinen Tag mehr zu verlieren", wie Emanuelle Moreau vom IOC in Lausanne gegenüber DW-WORLD erklärte. Wenn man die fehlenden Projekte nicht sofort und mit voller Kraft angehe, dann würde man wirklich nicht mehr bis zum August 2004 damit fertig. Offen ist aber noch, welche Projekte man sich überhaupt noch vornimmt, oder wie kreativ man mit deren Definition umgeht.
Hockey auf dem Rollfeld
Wie spannend es noch werden kann, wird besonders am Olympia-Standort Helleniko deutlich: Auf dem Gelände des alten Athener Flughafens sollen in 18 Monaten die olympischen Basketball, Kanu- und Hockey-Turniere stattfinden. Das IOC mahnte, dass unter allen Umständen noch 2001 mit den Bauarbeiten begonnen werden müsse, es sei denn man wolle vor aller Welt Hockey auf der Rollbahn mit Flugzeugwracks als Kulisse anbieten. Bis Anfang Januar 2003 ist noch nichts sichtbares passiert.