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Politik

"Sri Lanka war ein leichtes Ziel"

23. April 2019

Nach den Anschlägen von Sri Lanka fragen viele, wieso ausgerechnet das südasiatische Land Ziel wurde und welche Verbindungen es zum islamistischen Terrorismus gibt. Expertin Susanne Schröter antwortete der DW.

A crime scene official inspects the site of a bomb blast inside a church in Negombo
Bild: Reuters/Stringer

DW: Inzwischen hat der "Islamische Staat" die Anschlagsserie für sich reklamiert. Ist das glaubwürdig?

Das ist es. Die Regierung in Colombo hatte ja verlautbaren lassen, dass eine kleine islamistische Gruppe namens "National Thowheeth Jama'ath" dahinter stehe. Aber jedem Experten war klar, dass das im Prinzip Unfug ist. Eine solche partikulare Gruppe wäre kaum in der Lage gewesen, einen Anschlag dieser Größenordnung durchzuführen. So etwas erfordert eine exakte Planung, Ausrüstung, Organisation, Kenntnisse und vieles mehr. Das erinnerte sofort an großen choreografierten Anschläge, die wir aus Mumbai oder auch aus Paris kennen. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Regierung versuchte, irgendetwas zu sagen, weil sie offensichtlich wenig Ahnung hat.

Susanne Schröter: Dschihad-Kämpfer ziehen aus dem Nahen Osten nach Asien weiterBild: Privat

Die Anschläge wurden in Hotels und Kirchen am Ostersonntag verübt. Warum gerade in Sri Lanka?

In Sri Lanka waren die Christen eigentlich niemals eine Gruppe, die politisch im Zentrum gestanden hat. An eine Konfliktgeschichte zwischen Muslimen und Christen in Sri Lanka können die Attentäter auch nicht andocken. Die gibt es in Sri Lanka nicht. Von daher ist das sehr ungewöhnlich, was da jetzt passiert ist.

Ich denke, der eigentliche Grund ist der, dass es ein leichtes Ziel war. Die Behörden waren offensichtlich nicht sonderlich gut ausgestattet oder wachsam, obwohl es ja Warnungen gegeben haben soll.

Der Ansatz der Terroristen war es, mit ungeheurer Brutalität an symbolträchtigen Orten zu einer symbolträchtigen Zeit die größtmögliche internationale Wirkung zu entfalten. Und das ist ja auch gelungen. Die Nachricht war: Ihr könnt uns mit internationalen Truppen aus Syrien und dem Irak rausschmeißen, aber wir sind nicht erledigt. Wir sind schlagkräftig! Ich glaube das war die eigentliche Botschaft.

In den letzten Jahren gab es immer mehr Anschläge und gewalttätige Konflikte mit dschihadistischem Hintergrund in Süd- und Südostasien. Findet hier eine Verschiebung vom Nahen Osten in andere Regionen statt?

Das findet auf jeden Fall statt. Das ist ja die große Gefahr, auf die jetzt alle Länder – nicht nur in Asien - in irgendeiner Weise vorbereitet sein müssen. Dass der IS in Syrien und im Irak weitgehend geschlagen ist, bedeutet, dass sehr viele, die sich dem IS angeschlossen haben, jetzt zurückgehen. Diese Leute versuchen, in ihren Heimatländern oder woanders Anschläge durchzuführen. Auch hier wollen sie zeigen: Wir sind noch da. Der IS oder Al-Kaida, das sind internationale, transnational agierende Großorganisationen, die problemlos Grenzen überschreiten, die Waffen, Gelder, Menschen über die halbe Welt transportieren können. Das sind Leute, die den Terror sozusagen als Geschäftsmodell haben und die damit auch ihren Lebensunterhalt verdienen.

Man muss damit rechnen, dass sie Anschläge durchführen und zwar hauptsächlich dort, wo die Sicherheitsorgane nicht darauf vorbereitet sind.

Premierminister Ranil Wickremasinghe (2.v.r.) war nicht über Warnhinweise informiert Bild: AFP/I. S. Kodikara

Wie gut vernetzt ist die Szene in Asien?

Es gibt im gesamten dschihadistischen Milieu einerseits immer wieder Konkurrenz und Abspaltungen. Das liegt einfach daran, dass unterschiedliche Führer unterschiedliche Ansichten haben und dann ihre Gefolgschaft jeweils mobilisieren. Es gibt aber auch immer wieder Fusionierung. Diese gesamte Szene ist außerordentlich beweglich. Das größte Problem ist: Wir haben überall in Süd- und Südostasien dschihadistische Strukturen, die internationale Erfahrungen haben. 

Alle, die in Syrien zusammen gekämpft haben, haben gute Verbindungen und sie halten die Verbindungen, auch wenn sie zurück in ihre Heimatländer gehen, und sie sind hochmotiviert.

Je nachdem, wo Anschläge ausgeführt werden, sucht man nach irgendeiner speziellen Begründung, aber es geht letztlich nicht um den Einzelfall. Sondern es geht diesen Gruppen darum, sich zu vergewissern, dass sie noch schlagkräftig sind, trotz der internationalen Operationen gegen den IS in Syrien und im Irak.

Wie gut ist Süd- und Südostasien auf die Herausforderung vorbereitet? Gibt es transnationale Anti-Terror-Kooperationen?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt transnationale Kooperationen im Anti-Terror-Kampf, aber vor allem dort, wo die Gefahr am größten ist und wo sich die Regierungen darauf einlassen. Das hängt ja auch davon ab, ob die Behörden bereit sind, mit ausländischen Regierungen oder Geheimdiensten zusammenzuarbeiten. Da ist Sri Lanka sicherlich nicht sehr gut aufgestellt. Bisher gab es diesen Bedarf ja auch nicht. Von daher ist das tatsächlich eine Lücke gewesen, in die die Terroristen jetzt hineingestoßen sind.

Susanne Schröter ist Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI).

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.

 

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