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Verkehrsexperten fordern Elektroquote

23. November 2017

Der Verkehr stößt immer mehr klimaschädliche Gase aus. Regierungsberater fordern ein schnelles Umsteuern: Eine Quote für Elektroautos, ein Ende der Diesel-Subvention, Verkehrsvermeidung und mehr Güter auf die Schiene.

COP23, E-Auto, Elektromobilität
Polizei mit Elektrofahrzeug auf der Weltklimakonferenz in BonnBild: DW/Gero Rueter

Der Verkehr ist für etwa ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich, hat aber bisher keinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Im Vergleich zu 1990 stiegen die CO2-Emissionen sogar leicht an. 

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen hatte die Bundesregierung im letzten Jahr beschlossen, bis 2030 die Emissionen im Verkehr im Vergleich zu heute um über 40 Prozent zu reduzieren. Dies bedeutet eine Emissionsreduktion im Verkehr von etwa 3,3 Prozent pro Jahr.

Damit dieses Ziel auch gelingt, ist laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) ein "unverzügliches und konsequentes Umsteuern erforderlich". In seinem heute veröffentlichten Sondergutachten schlägt das Beratungsgremium der Bundesregierung unter anderem eine Quote für Elektrofahrzeuge vor. 

Im Jahr 2025 sollten mindestens 25 Prozent aller neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit einem elektrischen Antrieb ausgestattet sein. "Die Elektromobilität ist hocheffizient und marktreif. Wir müssen jetzt zügig umsteigen", sagt die Energieökonomin Prof. Claudia Kemfert vom Sachverständigenrat.

Notwendig dafür sei Ausbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur in Deutschland. Darüber hinaus müsse der staatliche Zuschuss beim Kauf von Elektrofahrzeugen erweitert und über 2020 hinaus verlängert werden. 

Parkhaus mit 100 Ladesäulen in Beijing. China treibt die Elektromobilität massiv voran und setzt auf Zulassungsquoten.Bild: picture-alliance/dpa/Photoshot

Elektromobilität mit Batterie und Stromleitung sind effizienter

Die Wissenschaftler empfehlen beim Individualverkehr und leichtem Transport die Elektromobilität mit Batterietechnik, dies sei besonders effizient.

Mit rund 15 Kilowattstunden Strom schafft heute ein Batteriefahrzeug rund 100 Kilometer, eins mit Brennstoffzelle und Wasserstoff etwa 48 und eine konventionelles mit Verbrennungsmotor (Gas, Diesel und Benzin) nur etwa 15 bis 16 Kilometer.

Der Grund liegt vor allem in der hohen Effizienz von Elektromotoren und Batterien. Hier geht vom Strom, der heute klimafreundlich und günstig erzeugt werden kann, bei der Umsetzung in Fortbewegung nur wenig Energie verloren.

Bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen aus Strom mit Hilfe der Elektrolyse (Power-to-Gas) zu Wasserstoff und anschließend Gas, Diesel oder Benzin, gibt es jedoch Energieverluste. Zudem geht in Verbrennungsmotoren der größte Teil der Energie in Form von Wärme verloren, nur etwa ein Drittel der Energie wird in Bewegung umgesetzt.

Lösungen für Schwertransport und Luftverkehr

Im Güterfernverkehr auf der Straße sind Oberleitungen auf Autobahnen technisch umsetzbar und eine gute Option, sagen die Wissenschaftler. Studien zufolge könnte durch die Elektrifizierung eines Drittels des deutschen Autobahnnetzes (ca. 4000 Kilometer) ein elektrischer Fahranteil von ca. 60 Prozent erreicht werden. Die Elektrifizierung von Autobahnen ließe sich beispielsweise über die LKW-Maut finanzieren.

Um die Klimafreundlichkeit im Schiffs- und Luftverkehr zu erreichen, sehen die Experten synthetische Kraftstoffe (Power-to-Liquid) als eine wichtige Option. Zudem sei in diesen Bereichen Subventionsabbau wichtig. So sollte der Flugtreibstoff Kerosin in Zukunft wie andere Kraftstoffe auch besteuert werden. Und bei Flugtickets sollte der Fiskus nicht mehr auf die Mehrwertsteuer verzichten.

Darüber hinaus sollte auch der Flugverkehr klimafreundlicher werden, zukünftig alle Klimaeffekte wie zum Beispiel die Wolkenbildung einbezogen werden und alle Klimawirkungen mit entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden. 

Empfohlen wird der Schwertransport mit Elektroleitung. Vorzugsweise auf der Schiene und als Alternativ auf der Straße. Bild: picture alliance/dpa/B.Settnik

Verkehrsvermeidung und Verlagerung

Elektromobilität und synthetische Kraftstoffe sind nach Einschätzung der Experten allerdings nur zwei Bausteine zur Verkehrswende. Notwendig sei es vor allem Verkehr zu vermeiden, und mehr Menschen zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu bewegen und Güter auf die Schiene zu verlagern.  

In der neuen Legislaturperiode sollte zudem das Ende des Dieselprivilegs eingeleitet werden. Die niedrige Besteuerung des Kraftstoffes sei ökologisch nicht gerechtfertigt und vernachlässigt die negativen gesundheitlichen Folgen der Dieselemissionen.

Der Rat empfiehlt zudem, weitere umweltschädliche Subventionen im Verkehrssektor abzubauen. In Deutschland fließen laut Umweltbundesamt pro Jahr rund 29 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen in den Verkehr.

Nachhaltige Rohstoffpolitik

Die zukünftige Motor- und Batterietechnik verschiebt allerdings den Rohstoffbedarf von Öl zu mineralischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt und Seltenen Erden. Um die Umweltfolgen bei der Gewinnung dieser Rohstoffe zu vermindern, solle die Bundesregierung sich auch mit Nachdruck für anspruchsvolle Umwelt- und Sozialstandards in anderen Ländern einsetzen, fordern die Autoren.

Diese hochwertigen Rohstoffe sollten zudem zukünftig in einem Inventar erfasst und langfristig wiederverwertet werden, sagt Ratsmitglied Prof. Vera Susanne Rotter "Dies entlastet die Umwelt und stellt sicher, dass Rohstoffe auch für zukünftige Generationen verfügbar bleiben."

Mehr öffentlicher Verkehr, Platz für Fußgänger und Radfahrer, weniger Individualverkehr: Die Lebensqualität steigt.Bild: André Hemstedt&Tine Reimer/Greenpeace

Verkehrswende gut für die Gesundheit

Das Sondergutachten erntet viel Zustimmung unter Verkehrsexperten. "Es macht den unstrittigen Handlungsbedarf im Verkehr zum Erreichen der Klimaschutzziele deutlich", sagt Prof. Manfred Boltz vom Institut für Verkehrsplanung an der TU Darmstadt. "Es wird darauf hingewiesen, dass Klimaschutz nicht das einzige zu lösende Problem ist. Mindestens gleiche Brisanz haben die Luftschadstoffe und ihre Wirkungen auf die menschliche Gesundheit. Wir verlieren durch verkehrsbedingte Luftschadstoffe deutlich mehr Menschenleben als durch Verkehrsunfälle", so Boltz.

Udo Becker, Prof. für Verkehrsökologie von der TU Dresden betont in diesem Zusammenhang die hohen Kosten, die durch Treibhausgase, Lärm, Flächenverbrauch und Abgasemissionen entstehen. "Die Verkehrsnutzer zahlen heute nicht die gesamten Kosten, die sie verursachen. Diese Kosten werden weitgehend auf andere Menschen, andere Länder, andere Generationen verlagert. Dies ist ökonomisch schädlich und vor allem unsozial."

ElektroScooter von einem jungen Startup der DHL. Die Nachfrage ist groß. Die deutsche Automobilindustrie hängt hinterher. Bild: StreetScooter GmbH/Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Hilft Elektroquote deutscher Autoindustrie?

Als hilfreich bewertet Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) den Vorschlag einer Quote für Elektrofahrzeuge. Nach seiner Einschätzung werden elektrische und autonome Autos in zehn bis zwanzig Jahren das Straßenbild dominieren und der deutschen Automobilindustrie drohe hier den Anschluss zu verlieren.

"Autolobbyisten und Angela Merkel erreichten vor zwei Wochen, dass die EU nur eine stark verwässerte Effizienzregulierung für neue Fahrzeuge bis 2030 verabschiedete. Im Wesentlichen ist dies eine vorübergehende Überlebensgarantie für den Diesel- und Verbrennungsmotor. Gleichzeitig ist dies ein industriepolitisches Eigentor allererster Güte", so Creutzig.

Bis 2030 werden nach seiner Einschätzung deshalb "chinesische Autohersteller und kalifornische Mobilitätsdesigner" den globalen Automobilmarkt dominieren. Dabei gehe es auch um ganz neue Mobilitätskonzepte. Die deutsche Automobilindustrie schrumpfe indes mit einer veralteten Technik. "Der Vorschlag des SRU-Sondergutachtens – eine 25-Prozent-Quote elektrischer Fahrzeuge für alle neuzugelassenen Fahrzeuge im Jahr 2025 – wäre hier also ein wichtiger Rettungsanker."

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